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Warum es auch nach Bachelor & Co. Lehrjahre des inneren Wachstums braucht

Anspruch und Wirklichkeit

Immer mehr junge Menschen fragen in Bewerbungsgesprächen, wie es um die Nachhaltigkeit im Unternehmen bestellt ist und ob sie die Möglichkeit haben, im Bereich CSR zu arbeiten. Die Nachfrage wird auch verstärkt durch Weiterbildungsangebote, beispielsweise von den IHKs, die bundesweit den Zertifizierungslehrgang CSR-Manager anbieten. Er macht vor allem für jene Sinn, die bereits länger in einem Unternehmen arbeiten (etwa im Bereich Kommunikation, Qualitätssicherung, Umwelt, Marketing und Vertrieb) und ihr Aufgaben- und Wissensspektrum erweitern wollen. Viele Teilnehmer besuchen den CSR-Kurs allerdings in der Erwartung, nach Abschluss einen Job zu finden, der dem Gelernten entspricht und sind dann enttäuscht, dass die Wirklichkeit gar nicht mit dem Vermittelten übereinstimmt. Schnell werden inhaltlich schwache Argumente (keine Zeit, kein Interesse, zu wenig Ressourcen, die Einstellung, dass man selbst ohnehin nicht viel ändern kann etc.) gefunden oder „recht respektloses Verhalten an den Tag gelegt, die diese jungen unbefangenen Menschen abweisen und in Frustration und Resignation treiben und sie so schon früh von ihrem Weg abbringen“, sagte mir ein junger Mann, der gern im Bereich CSR und Sport gearbeitet hätte, dann aber zu einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ging. Er war frustriert, weil das Wünschbare nicht greifbar war. Verständlich – aus seiner Sicht. Doch Personalberater warnen: Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, sondern auch ein Dazwischen.

Um auch das „Graue“ zu verstehen, macht es Sinn, ausgewiesene Personalexperten in die gesellschaftliche Diskussion einzubinden. Dr. Dražen Mario Odak von der Stephan Unternehmens- und Personalberatung GmbH in Bad Homburg bestätigt, dass „der beste Job der Welt, so wie er mir gefällt“, ganz oben auf dem selbstverwirklichten Wunschzettel der jungen Generation steht. Viele setzen ein gutes Gehalt und Arbeitsplatzsicherheit als selbstverständlich voraus.

Den Eigenanspruch, den perfekten Job nach Bachelor & Co. einzufordern oder „backen“ zu können, leiten die jungen Menschen nach Meinung von Dr. Dražen Mario Odak häufig aus der Fähigkeit und dem Selbstverständnis ab, ein besonders reflektiertes Lebens- und Gesellschaftsverständnis zu haben. Zwar werden Werte und Bescheidenheit als neue Maxime hochgehalten, aber es scheint, dass der Grund dafür nur noch die eigene Selbstverwirklichung ist. Dass dies möglicherweise eine Schwachstelle der jungen Generation, bemerkt auch der Marketingexperte Dr. Klaus Stallbaum, dem das vornehmliche Kreisen um sich selbst bereits vor einigen Jahren aufgefallen ist. Es gäbe selten einen Link auf die Gemeinschaft, der – naturgemäß noch – „fehlende Resonanzboden gelebter Lebenszyklen“ taugt seiner Meinung nach schwerlich zum Humus für Lebensweisheiten.

Fehlendes Lebensfundament

„Das Gut eines über Generationen, oft altruistisch und entbehrungsvoll erarbeiteten gesellschaftlichen Basiswohlstands wie Frieden und Sicherheit, Wohlfahrt etc. wird nicht in die eigene Reflexion integriert, sondern einfach vorausgesetzt“, sagt auch Dr. Dražen Mario Odak, der zudem darauf verweist, dass das Anspruchsdenken der jungen Generation in den wenigsten Fällen auf eigener Lebenserfahrung und Lebenserkenntnis basiert. Woher soll sie bei einem 22-jährigen Studienabsolventen auch kommen? „Zwar analysieren und reproduzieren sie dank neuer Medien eine Million Fakten, aber zu häufig scheitern sie an relevanten Zusammenhängen und Fundamenten“, so sein Fazit. Es fehlt aus Personalberatersicht zu häufig an der fachlichen und vor allem persönlichen Basis. Lehrjahre kommen in vielen Lebensentwürfen nicht vor: „Die daraus mangelnde Lebenserfahrung ist der Grund, warum immer mehr Mitzwanziger in Personal- und Einstellungsgesprächen an der persönlichen Eignung scheitern. Eine ‚Grundhärte‘, auch mal Konflikte durchzustehen, Dinge zu ver-rücken, all das kann man erfahren und erlernen durch und von anderen. Doch bei Youtube laden kann man diese Tugenden nicht.“

Seiner Meinung nach gibt es nur eine Lösung: Wir müssen gemeinsam die Frage beantworten, welche Qualitäten heute und in Zukunft in einer Gesellschaft gefördert und gefordert werden. Wenn die Ausbildung „quick and dirty“ (um im internationalen Vergleich mithalten zu können) mit 22 Jahren abgeschlossen werden muss, „um dann sofort als berufliches Rädchen im Konzern zu funktionieren, wo soll der positive Wahn-Sinn herkommen, der Lebenserfahrung genannt wird?“

Es braucht vor allem Lehrjahre des inneren Wachstums, Zeit und Ruhe für eine persönliche Entwicklung.

Das ist für den Personalberater das beste Investment: „Wenn man sich multiple Lebenserfahrung, Selbsterkenntnis, Selbstzweifel und Selbstbewusstsein aneignet, kann man sich auch selbst verwirklichen. Ansonsten handelt man lediglich auf Basis von Selbstbezogenheit, die weder einem selbst dient, noch der Gesellschaft, ob bei Generation X, Y oder Z.“

Weiterführende Informationen:

Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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