Warum Hyundai vor den Chinesen keine Angst hat
E-Auto-Skepsis, Energiepreise, Wirtschaftsflaute? Hyundai glaubt dennoch an weiteres Wachstum – und an die eigene Stärke.
China Speed ist derzeit in der Automobilindustrie in aller Munde. Die Chinesen schaffen es, ein Auto in der Hälfte der Zeit zu entwickeln, die deutsche Hersteller brauchen. Und die Koreaner? „Korean Speed“, sagt Hyundai-Europachef Xavier Martinet, „ist auch nicht gerade langsam.“ Das ist einer der Gründe, warum Hyundai vor der neuen Konkurrenz aus China keine Angst hat. „Die Chinesen kommen, wie Tesla vor einigen Jahren, und stellen den Status quo infrage“, so Martinet, „und sie zwingen uns, unsere Anstrengungen zu steigern. Wir begrüßen diesen Wettbewerb. Er macht uns besser.“
Hyundai ist selbst eine relativ junge Marke. Erst 1975 hat sie mit dem Pony das erste Auto auf den Markt gebracht. Seither hat sich der Hersteller auf Platz vier der europäischen Zulassungsstatistik vorgearbeitet – und plant noch mehr: Martinet würde die Hyundai-Gruppe, zu der auch Genesis und Kia gehören, gern auf Platz drei sehen, hinter VW und Stallantis, aber vor Renault.
Sicherheit rangiert vor Schnelligkeit
Eine Stärke der Koreaner ist ihre hohe Produktqualität. Legendär die Äußerung des damaligen Volkswagen-Chefs Martin Winterkorn: „Hyundai weiß, wie man gute Autos baut.“ Doch die einstigen Newcomer aus Korea müssen sich heute ihrerseits neuen Wettbewerbern aus China stellen. Hersteller wie BYD, MG oder GWM trumpfen vor allem mit einem hohen Innovationstempo auf.
Tyrone Johnson, Leiter des europäischen Entwicklungszentrums von Hyundai in Rüsselsheim, sieht auch Nachteile im China Speed: „Die Chinesen gehen Risiken ein, zum Beispiel beim autonomen Fahren, und bringen die Dinge auch mal zu schnell in den Markt. Wir gehen diesen Weg nicht und bringen solche Funktionen erst nach ausgiebigen Tests.“ Da rangiere Sicherheit vor Schnelligkeit: „Wir schicken unsere Kunden nicht mit einer Betaversion auf die Straße.“
Betaversion nennt man in der IT ein noch nicht fertig entwickeltes Produkt, das erst beim Kunden durch Updates voll funktionsfähig wird. Bei Smartphones gang und gäbe, wird auch die Software von modernen Autos durch Updates verbessert.
Hyundai gibt den Wasserstoffantrieb nicht auf
Hyundais Entwicklungszentrum in Rüsselsheim, das größte außerhalb Südkoreas, beschäftigt sich unter anderem mit Fahrerassistenzsystemen (ADAS), automatisiertem Fahren und der Elektrifizierung des Antriebs. Der Konzern arbeitet aber nicht nur am batterieelektrischen Auto, sondern auch an der Wasserstoff-Brennstoffzelle, die den Strom erst an Bord des Fahrzeugs erzeugt: „In Europa geht es beim Thema Wasserstoff gerade in die falsche Richtung. Wir machen aber mit der Entwicklung weiter und denken über das Auto hinaus, zum Beispiel an die Brennstoffzelle in Zügen“, sagt Johnson.
Obwohl Hyundai als erster Hersteller eine ganze Reihe von Modellen mit 800-Volt-Batterien anbietet, die schneller laden als 400-Volt-Systeme, will sich die Marke nicht aufs Elektroauto festlegen. Es sei besser, bei den Antrieben flexibel zu sein, um auf die verschiedenen Anforderungen der Märkte weltweit reagieren zu können, sagt Europachef Martinet.
So verlangt die europäische Kundschaft neben Verbrennern und Batterieautos auch wieder nach Hybridantrieben. Ab 2027 will Hyundai deshalb jedes Modell mit Verbrenner, Hybrid und Elektroantrieb anbieten: „Wir müssen wieder verstärkt daran denken, was der Kunde will“, so Martinet.
Preiskampf mit BYD hat begonnen
Der Kunde will nicht nur verschiedene Antriebe, sondern auch erschwingliche Autos: „Wir versuchen, den Preis für Neuwagen so gut wie möglich zu halten“, sagt Johnson angesichts der steigenden gesetzlichen Anforderungen an Fahrzeugsicherheit und Umweltschutz. Dass Autos teuer geworden sind, weiß auch Europachef Martinet. Er ist im November 2024 von der rumänischen Renault-Tochter Dacia zu Hyundai gekommen. Während Dacia das billigste Auto auf dem europäischen Markt anbietet, liegen die Hyundai-Preise mittlerweile auf dem Niveau von Volkswagen.
Händler kritisieren die selbstbewusste Preisgestaltung: „Die Händler wollen immer günstigere Fahrzeuge“, sagt Martinet. Wichtig sei, dass ein Auto sein Geld auch wert sei. Dass die Autopreise in den vergangenen Jahren stärker gestiegen sind als die Einkommen, weiß auch Martinet: „Deshalb haben wir mit dem Inster ein preiswertes Elektroauto auf den Markt gebracht, das voll alltagstauglich ist.“ Der elektrische Kleinwagen kostet ab 23.900 Euro – und soll so auch die chinesischen Wettbewerber auf Abstand halten. BYD, größter Elektroautohersteller der Welt, hat mit den Dolphin Surf ein ähnliches Elektroauto für 22.900 Euro im Angebot.
Während die Chinesen aber erst eine eigene Fabrik in Ungarn aufbauen, um die Einfuhrzölle für Elektroautos zu umgehen, fertigt Hyundai bereits an zwei Standorten in Europa, in Tschechien und in der Türkei. Martinet: „Wir bauen den Kona Elektro bereits in Europa, in unserem Werk in der Tschechischen Republik. Wir haben angekündigt, dass wir auch in unserem türkischen Werk ein Elektroauto bauen werden.“ Ein weiteres Elektroauto im B-Segment, ein kleines SUV, werde im nächsten Jahr in der Türkei in Produktion gehen. „Wir bauen unsere Präsenz in Europa zügig weiter aus.“ Mit Korean Speed.
