Warum wir nicht Ja sagen sollten, wenn wir Nein meinen
Darum können Unternehmen sich Profillosigkeit und veraltete Führungsmodelle („Oben wird gedacht, unten wird gemacht“) heute nicht mehr leisten!
Viele Menschen üben Berufe aus, die nicht ihre Berufung sind oder gehen Beziehungen ein, denen ihr Herz nicht folgt. Nein-Sagen braucht vor allem Mut, der von klassischen Handlungsmustern abweicht. Denn wer Erwartungen enttäuscht, bekommt häufig Gegenwind und macht sich angreifbar. Wer „Nein“ sagen kann, hat auch Charakter und macht sich nicht gemein – weder nach unten noch nach oben. Für den Philosophen Immanuel Kant, bedeutet das, nach festen Grundsätzen zu handeln und „nicht wie in einem Mückenschwarm bald hiehin, bald dahin abzuspringen". Menschen mit Eigenschaften waren in alten Unternehmensstrukturen selten, während gleichzeitig profillose Aufsteiger nachgewachsen sind. Dies verbreitete sich nach unten in die Organisation und erstickte Ideen und Innovationen bereits im Keim, bügelte Ecken und Kanten glatt, langweilte und pflanzte sich fort.
Wer mit dem Strom schwimmt, bewegt sich gegen seine Sehnsüchte.
Um zu überleben, müssen sie auf Selbstständigkeit und Selbstverantwortung ihrer Führungskräfte und Mitarbeiter setzen. Zur Kernaufgabe von nachhaltiger Führung gehört heute vor allem die Organisation von Zusammenarbeit im Unternehmen, das Sichern der Zukunftsfähigkeit der gesamten Organisation sowie entscheiden statt verwalten. Karrieren, die sich darauf gründen, haben positive Rückwirkungen im gesamten Unternehmen, dessen Erfolg umso glaubwürdiger und stabiler ist, wenn er im Einklang mit positiven Grundwerten der Mitarbeiter und der Gesellschaft erwirtschaftet wird.
Werte geben dabei innere Stärke und Stabilität
Wer auf Werte setzt, ist auch fähig, besser mit Veränderungen umzugehen, ohne seinen Kern zu verlieren. Dazu braucht es aber auch ein klares Bild von sich selbst und dem, was man will. Wer das hat, ist auch in der Lage, einmal getroffene Entscheidungen und Glaubenssätze regelmäßig zu hinterfragen, in Beziehungen zu denken und in Beziehungsfähigkeit investieren sowie eine Kultur des Fragens zu schaffen.
In einer solchen Welt haben die einstigen Insignien der Macht wie ein Parkplatz vor der Unternehmenszentrale, die Größe des Büros und des Dienstwagens keine Bedeutung mehr. Oben ist heute dort, „wo Fähigkeiten und Talente anderer organisiert werden“ (Wolf Lotter), und wo Charakter die „Kernkompetenz von Führung“ (Warren Bennis) ist. Dazu gehört auch das Nein-Sagen, das allerdings die Konzentration auf das wirklich Wichtige braucht: das Ende. Damit relativiert sich häufig der Schritt über die Grenze, weil das Bewusstsein von Endlichkeit zum wirksamen Handeln treibt.
Weiterführende Informationen:
Klimawandel in der Wirtschaft. Warum wir ein Bewusstsein für Dringlichkeit brauchen. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2020.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.
Martin Wehrle: Sei einzig, nicht artig! So sagen Sie nie mehr JA, wenn Sie NEIN sagen wollen. Wilhelm Goldmann Verlag, München 2015.