Was bringt mir der Master?
Klar, in manchen Branchen kommt man ohne Masterabschluss nicht weit. Aber in anderen verdient man mit einem Bachelor sogar besser.
Nur ein Bachelor? Das bringt doch nichts! Gutes Geld verdient man nur mit einem Master in der Vita, so heißt es häufig. In Deutschland haben 19 Prozent der Menschen zwischen 25 bis 34 Jahren einen Bachelor und zwölf Prozent einen Master. Das ist leicht unter dem Schnitt der Staaten im Verbund der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit OECD, der bei 20 Prozent Bachelor- und 14 Prozent Masterabschlüssen liegt. Die Beliebtheit des höheren akademischen Grades steigt auch hierzulande: 146.000 Masterabschlüsse wurden laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2023 vergeben – so viele wie nie zuvor.
Doch ist es auch finanziell von Vorteil, einen Master dranzuhängen?
In Deutschland liegt das Mediangehalt zum Berufsstart für Bachelorabsolventen bei 49.100 Euro – und damit 2000 Euro unter dem für Masterabsolventen. Dieser Unterschied variiert stark von Branche zu Branche. Doch aktuelle Daten aus den USA und Großbritannien belegen, dass der Unterschied kleiner wird – und in manchen Sektoren sogar umgekehrt ist.
In den USA verdient ein Vollzeitbeschäftigter mit Bachelor 70 Prozent mehr Geld als ein High-School-Abgänger. Mit einem Master sind es noch einmal 18 Prozent mehr. In Amerika lohnt sich vor allem ein zusätzliches Studium in IT und Softwareentwicklung. Der US-Forscher Preston Cooper vom American Education Institute hat errechnet, dass der durchschnittliche Masterstudent 50.000 Dollar extra verdient – über sein gesamtes Leben.
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„DIE CASHCOW DER UNIS“
40 Prozent der Akademiker in den USA haben mindestens zwei Abschlüsse. Die Hoffnung: Höhere Qualifizierungen sind ein Gehaltsbooster. Doch diese Annahme haben Studierende oft fälschlicherweise. Coopers Analyse vergleicht die Einkünfte von Masterabsolventen mit denen von ebenso gescheiten Bachelorabsolventen. Demnach stellen vier von zehn Masterprogrammen in den USA die Studenten finanziell gleich oder sogar schlechter als ihre Bachelorkollegen – wenn man das Geld einberechnet, das man in der Zeit verdient hätte, in der man weiter studiert hat.
Eine Untersuchung des Londoner Institute for Fiscal Studies, die das Einkommensniveau von 35-Jährigen in Großbritannien miteinander verglichen hat, kommt zu dem Ergebnis, dass ein abgeschlossener Master fast keinen finanziellen Vorteil bringt. In Großbritannien verdienen demnach Männer mit Politikmaster in ihren 30ern zehn Prozent weniger als vergleichbare Kollegen ohne die Zusatzqualifikation. Im Fach Geschichte liegt die Schere bei 20 Prozent, in Sprachen bei 30. Für Frauen sieht die Lage etwas anders aus: In 14 von 31 untersuchten Feldern verbessert der Master ihre Einkommenssituation. Bei Männern ist dies nur in sechs Feldern der Fall, Jura und Ingenieurwesen, aber auch Technologie, Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre (VWL und BWL) sowie Chemie.
Virginia Sondergeld, Arbeitsökonomin in Diensten der Jobplattform Indeed, weist darauf hin, dass sich die Bildungssysteme im Vergleich zu Deutschland stark unterscheiden. In England sei gerade der Master „unglaublich teuer, quasi die Cashcow der Unis“, sagt Sondergeld. Viele ihrer Kommilitonen im VWL-Master in England seien auf eine akademische Karriere aus gewesen. „In anderen Studiengängen hat der Master eher einen Signalwert oder ist gut fürs Netzwerk.“
An welcher Uni man studiert, kann einen Unterschied machen, aber nicht so stark, wie manche glauben mögen. Laut einer Untersuchung des US-Bildungsministeriums besteht ein geringer Zusammenhang zwischen den Gebühren, die eine Uni verlangt, und dem Einkommen, das danach auf dem Konto der Absolventen landet. Renommierte Unis hätten verstanden, dass sie ihre Reputation nutzen können, „um Programme anzubieten, die sehr prestigeträchtig auf dem Papier aussehen“, sagte Preston Cooper dem „Economist“. Doch diese Programme führten nicht zu messbaren Ergebnissen, also etwa höherem Einkommen, „die den Hype rechtfertigen“. Eine Ausnahme seien MBA-Kurse von bekannten Unis. Insgesamt aber sollte man sich nicht zu sehr von Prestige und vermeintlichem Elitenstatus leiten lassen – oder blenden.
In Deutschland sind die Kosten für ein Masterstudium viel niedriger, das Investment nicht so hoch. Doch ein Trend gilt für alle Arbeitsmärkte, egal ob in den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich oder Deutschland: Formale Hochschulqualifikationen verlieren an Bedeutung. „Unternehmen ist weniger wichtig, ob jemand einen Bachelor oder Master hat, sondern ob die Person in der Lage ist, ad hoc eine Aufgabe zu lösen“, betont Sondergeld. Ohne die formale Hürde des Masters vergrößert sich der Pool potenzieller Kandidaten. Die haben vielleicht keinen Master, können Aufgaben, für die ein Unternehmen einen neuen Mitarbeiter sucht, aber sehr gut lösen.
Die abnehmende Bedeutung formaler Anforderungen belegen Indeed-Zahlen aus den USA und Großbritannien. Mehr als die Hälfte der Stellenanzeigen in den USA machte zuletzt keine formale Qualifikation mehr notwendig. 2019 war es noch weniger als die Hälfte der Jobangebote gewesen. In Großbritannien liegt der Anteil sogar nur bei 14 Prozent. Dort sind die Zahlen in den vergangenen fünf Jahren auf einem niedrigen, aber stabilen Niveau geblieben. Weniger als ein Prozent der Stellenanzeigen verlangten einen Master oder Doktorgrad, 3,7 Prozent erwähnten explizit einen Bachelorabschluss.
Indeed führt das darauf zurück, dass britische Unternehmen sich längst an den erforderlichen Fähigkeiten orientieren, die Kandidaten dann nachweisen müssen. Für einige besonders spezialisierte Tätigkeitsfelder sind die formalen Anforderungen gesunken, etwa für Datenwissenschaftler.
WAS DIE KI NICHT KANN
Über die Gehälter in Deutschland gibt es zwar keine aktuellen Studien. Zahlen vergangener Jahren zeigen aber, dass in manchen Bereichen der Unterschied schon im Vergleich der Einstiegsgehälter relativ gering ist. Wer einen Masterabschluss besaß, verdiente laut dem Gehaltsreport der Jobvermittlung Stepstone aus dem Jahr 2021 im Schnitt mehr als 7000 Euro jährlich mehr als ein Bachelorabsolvent. Im Vertrieb und Verkauf sowie Marketing und Kommunikation liegen gut 3300 Euro dazwischen. In den Naturwissenschaften und in der Forschung sind es rund 2500 Euro mehr, wenn man einen Master absolviert hat. Bedenkt man, dass für den Master für gewöhnlich zwei weitere Jahre an der Uni nötig sind, in denen man kein volles Gehalt bezieht, relativiert sich der Wert. Wer kurz nach dem Einstieg als Bachelorabsolvent eine Gehaltserhöhung bekommt, verdient dann unter Umständen genauso viel wie als Masterabsolvent – und hat bereits wertvolle Berufserfahrung.
In vielen Bereichen ist ein Master oder das vollständig durchlaufene Studium allerdings nach wie vor unumgänglich. „In Medizin oder Jura ist das wichtig, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Ärzte und ins Rechtssystem zu wahren“, sagt Sondergeld. Für sie bietet der Master auch in anderen Feldern einen bedeutenden Zusatz: das Hinterfragen und kritische Denken. Dafür gebe der Master genügend Raum – während im Bachelor oft ausschließlich theoretisches Wissen und Grundlagen vermittelt würden.
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