Liegt das Glück in den Karten? Wohl kaum! - Pixabay

Was Glückskinder anders machen und warum sie Erfolg haben

Warum kommt das Glück zu manchen Menschen so selten und warum zu anderen auffällig oft?

Sind Glückskinder instinktsicherer, weil sie mit nachtwandlerischer Sicherheit den Weg Fortunas zu gehen wissen, sie zwingen, sie sich dienstbar zu machen durch Zupacken oder List? Hinter dem Motiv des Zugreifens („Erkenne die Lage“) steht das alte Bild von Occasio, der Göttin mit der Haartolle vorn und der Glatze hinten: Wird das Haar nicht im rechten Moment gepackt, fasst man ins Leere, und die Göttin ist vorbeigezogen. Ende des 16. Jahrhunderts war Fortuna in England ein bedeutendes mythologisches Denkbild, das verbunden war mit Eigenschaften wie praktischer Klugheit, Wagemut, Anpassungsfähigkeit und dem Erfassen des rechten Moments. Damit hängt allerdings auch zusammen, dass Fortuna als Disposition bereits bei den Glücksfindern angelegt sein muss. „Man sieht nur, was man weiß“ ist mehr als nur ein Werbespruch eines Reisebüros. Man findet ihn schon bei Theodor Fontane.

Das Glück des Tüchtigen?

Das Rad der Fortuna symbolisiert die Wechselfälle des menschlichen Schicksals. Es wirft die einen ab und trägt die anderen nach oben. Für alle kommt die Schicksalswende unerwartet und wider alle Logik. Die Botschaft ist: Sei dir deiner Sache nie sicher – alles kann sich von einem zum anderen Augenblick ändern. In der Neuzeit wird die Glücksgöttin nicht mehr allein mit ihrem Rad dargestellt, sondern auch mit maritimen Emblemen wie dem geblähten Segel und dem Steuerruder. Neben der Kugel ist es ihr ältestes Attribut, das zeigt, dass sich das Glück auch der eigenen Tüchtigkeit verdankt.

Das erzählte Glück in den meisten Märchen ist ebenso immer vom Glück des Tüchtigen bestimmt, der es erarbeitet und deshalb auch verdient hat. Die Neuzeit fügt den maritimen Zeichen noch den Würfel hinzu, deren Fall den Begriff des „Risikohandelns“ (Peter Sloterdijk) generiert: die Chance. Glückskinder leben auf eine Art, die es ihnen ermöglicht, in jedem Augenblick Chancen, die weder zahlreich noch selten sind und nicht immer wie Chancen aussehen, zu entdecken und mühelos zu nutzen. Der Business-Experte Hermann Scherer spricht zu Recht vom „Chancenblick“ der selektiven Wahrnehmung, die ihnen eigen ist. In seinem Buch „Glückskinder“ beschreibt er sie: Sie packen sofort an und sehen Lösungen, wo andere reden und Probleme sehen. Sie bringen die Dinge ins Laufen, auch wenn sie unvollständig sind – der Anfang verschafft ihnen den entscheidenden Vorsprung. Wer Chancen erkennen und nutzen will, sollte sich nicht anpassen und die Nischen und Ränder suchen. Wer bietet, was alle bieten, erhält auch nur das, was alle haben: das Durchschnittliche: „Diejenigen, die in der Welt vorankommen, gehen hin und suchen sich die Umstände, die sie brauchen. Und wenn sie sie nicht finden, dann machen sie sie sich selbst.“

Es ist immer ein Trotzdem, das diese Menschen innerlich bewegt und vorwärts bringt. Er zitiert Gerd Müller als das „größte Tier in der Geschichte des Fußballs“: „Wenn’s denkst, is‘ eh zu spät“. Nach-Denken kommt für ihn immer zu spät – nämlich dann, wenn eine Entscheidung schon gefällt wurde. Das bestätigt auch die ehemalige Nationalspielerin Katja Kraus: „Ich habe nie Elfmeter gehalten. Ich habe immer zu viel gedacht in solchen Situationen. Wenn ich überlegt habe, was die Schützin denkt, was ich denke, was sie denkt – dann war der Ball schon drin. In intuitiven Situationen war ich eindeutig besser.“ Fußballgeschichten sind immer auch Glückgeschichten

Glückskinder bringen mit ihrem Chancenblick aber nicht nur sich selbst, sondern auch die Welt voran. Hermann Scherer betont zu Recht: „Glückskinder halten Abstand zu sich selbst. Um sich näher zu sein.“ Sie nehmen sich selbst nicht zu wichtig, sondern die Sache, um die es ihnen geht. Die Lieblingstochter von Thomas Mann, Elisabeth Mann Borgese, einziges weibliches Gründungsmitglied des Club of Rome und maßgeblich an der UN-Seerechtskonvention von 1982 beteiligt, antwortete einmal auf die Frage, was für sie Glück bedeute, dass es die wenigen essentiellen Dinge sind, auf die es anzukommen scheint. Zu viel Selbstreflexion, wie es den meisten der anderen Familienmitglieder eigen war, hätte ihr den (Chancen)Blick für eine bessere Welt versperrt. Glück ist immer der Teil, der über das eigene Leben hinausreicht.

Warum Glück und Lernen zusammengehören

Auf der Website des Online-Weiterbildungsanbieters karriere tutor, der nach eigenen Worten den Anspruch hat, „Menschen an jedem Arbeitsplatz der Welt beruflich erfolgreich und glücklich machen“, wird auf wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Neurobiologie verwiesen, die einen engen Zusammenhang zwischen Lernen und Glücksempfinden aufweisen: Glückliche Menschen lernen leichter, und Lernen selbst verschafft Glückserlebnisse. Neue Erfahrungen aktivieren den Nucleus accumbens in unserem Gehirn. Über einen komplexen Wirkungskreislauf wird in dieser Region das Belohnungssystem aktiviert: „Lernen und Gedächtnisfähigkeit werden gefördert, Glückgefühle entstehen.“ Zudem wird darauf verwiesen, dass Zufriedenheit und Glücksgefühle im Berufsleben erst dann entstehen, wenn die richtigen Ziele gefunden und konsequent verfolgt werden, sodass das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert wird.

Gewinn, Umsatz und Leistung waren noch vor wenigen Jahren das Maß aller Dinge. Glück, Wohlgefühl und Zufriedenheit hingegen galten als kaum messbar und wurden dem privaten Lebensbereich zugeordnet. Diese Sichtweise hat sich inzwischen geändert, wie auch der Ansatz von karriere tutor zeigt. Höheres Einkommen und ein stetig wachsendes Bruttoinlandsprodukt allein machen uns auf Dauer kaum glücklich. Ziel muss es deshalb sein, dass nicht der Mensch dem Geld dient, sondern die Wirtschaft dem Menschen. Erst wenn dieses Verhältnis wieder stimmt, haben wir die Chance, glücklich zu sein.

Nach dem Geheimnis des Glücks befragt, soll der Psychoanalytiker Sigmund Freud geantwortet haben: „Arbeit und Liebe.“ Sind beide sinnstiftend und erfüllend, formen sie uns und machen uns zu besseren Menschen. Wer in beiden Bereichen sein Glück finden will und nicht von den Wechselfällen des Lebens aus der Bahn geworfen werden möchte, muss sich zuerst einmal selbst finden und Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen. Damit verbunden ist ein gelungenes Leben, das in der Philosophie „glücklich“ heißt. Allerdings kann, wer beim Wohlfühlglück stehenbleibt, nach Ansicht des Philosophen Wilhelm Schmid keine Kinder erziehen oder Alte pflegen, Weltliteratur schreiben oder ein Medikament erfinden. Das können nur jene Menschen, denen es auch um das Leben in der Gemeinschaft und um Sinn geht, um Nachhaltigkeit. „Sinn machen“ heißt, auch das Warum und das Wozu zu kennen: Wer das weiß, ist sich auch bewusst, wie er es erreichen kann.

Weiterführende Informationen:

  • Hermann Scherer: Glückskinder. Warum manche lebenslang Chancen suchen – und andere sie täglich nutzen. Campus Verlag Frankfurt/New York 2012.

  • Katharina Pavlustyk: Auf Umwegen zum Glück. Wie ich versucht habe, glücklich zu werden, und was ich dabei gelernt habe. tredition GmbH, Hamburg 2018.

  • Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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