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Was jeder von uns tun kann, um die Welt zu verändern

Die inflationäre Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit und dessen Missbrauch bereitet vielen Menschen Sorge. Und doch ist er keineswegs „verbraucht“. Wichtig ist nur, ihn von manipulativen und werblichen Bedeutungszuweisungen zu reinigen und auf seine Essenz zurückzuführen. Allgemeinsprachlich drückt der Begriff etwas aus, das nachdrücklich, intensiv, dauerhaft ist. Politisch verweist es auf ein ökologisch verantwortliches und sozial gerechtes Verhalten. Nachhaltigkeit hilft uns auch, gegen Zusammenbrüche aller Art gefeit zu sein (resilient) - „auch wenn wir mutlos und abstiegstrunken unterwegs sind“ (Ulrich Grober). „Nachhalt“ ist das, „woran man sich hält, wenn alles andere nicht mehr hält.“ Dieser Satz von Joachim Heinrich Campe, erschienen im 1807 herausgegebenen Wörterbuch der deutschen Sprache, verweist auf das zeitlos Gültige des Wortes. Seinen Ursprung hat es in der Forstwirtschaft, die sich noch heute dem Vermächtnis des sächsischen Oberberghauptmanns Hans Carl von Carlowitz (1645-1714) verpflichtet fühlt. Das, was er sah, machte ihn zunehmend wütend, denn die holzbefeuerte Silberbergwerksproduktion vernichtete damals schonungslos die Wälder ringsum. Er forderte ein Ende des Raubbaus. Für Carlowitz hatte Nachhaltigkeit mit einer Kultur des Machens, des Neumachens und Andersmachens zu tun, in der Nachhaltigkeit nicht als Projekt, sondern als lebendiger Prozess betrachtet wird. Diese Form der Vermittlung ist handlungsorientiert und ermöglicht, Visionen in Ziele und anschließend in konkrete Ergebnisse zu verwandeln.

Damit verbunden ist aber auch eine Kultur des Lassens, des Wachsenlassens, des Schonens, des Sicheinlassens auf die Zyklen und Rhythmen der Natur. Wenn wir heute von der Bedeutung des digitalen Denkens sprechen, sollte das auch das regenerative Denken eines Försters einschließen. In seinem Buch „Syvicultura Oeconomica“ (1713), dem ersten geschlossenen deutschen Werk zur Forstwirtschaft, verlangte er von allen, die Holz verbrauchten, sich angemessenen an einer Wiederaufforstung und am Wiedererlangen eines Gleichgewichts zwischen Abholzung und Zuwachs zu beteiligen. "Es dürfen nicht mehr Bäume gefällt werden, als neue nachwachsen." Dieser Satz von ihm gilt seither als Grundstein der modernen Forstwissenschaft und stellte einen Perspektivwechsel dar: weg vom kurzfristigen Profitdenken hin zur Beachtung der Interessen zukünftiger Generationen.

Was für Carlowitz damals pflügen, säen und pflegen war, ist in der Gegenwart Emissionsminderung, Ressourcensparen und nachhaltiges Wachstum. Mit der UN-Konferenz „Umwelt und Entwicklung“ im brasilianischen Rio de Janeiro 1992 wurde Nachhaltigkeit endgültig zum Leitgedanken für die globale Umweltbewegung. Hier wurde ein gemeinsames Entwicklungsleitbild Sustainable Development formuliert, um der Erkenntnis gerecht zu werden, dass eine langfristige und dauerhafte Verbesserung der Lebensverhältnisse für eine rasant wachsende Weltbevölkerung nur möglich ist, wenn sie die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen miteinschließt. Der forstwirtschaftliche Begriff des Carl von Carlowitz war damit zum Synonym für eine gerechte Welt im Einklang mit den natürlichen Ressourcen geworden.

Das ist vielen Menschen allerdings nicht bewusst. Deshalb setzt sich seit Jahren Ulrich Grober dafür ein, diesem „überlebenswichtigen Schlüsselbegriff in unserem Bestand elementarer Wörter einen entsprechenden Rang“ einzuräumen, und mit ihm zu denken und zu handeln. Auch der Journalist und Autor Martin Häusler verweist auf die Übernutzung und den Missbrauch des Wortes Nachhaltigkeit. Aber das Wort deshalb aus dem Wortschatz streichen? „Auf keinen Fall“, sagt er – ganz im Gegenteil. Auch er bleibt beim Begriff Nachhaltigkeit, auch wenn es viele andere gibt wie „Enkeltauglichkeit“ oder „Zukunftsfähigkeit“. Zu Recht verweist er darauf, dass andere Alltagsbegriffe ja auch nicht einfach umdeklariert werden, weil man ihrer Verwendung leid ist. Gerade hat er mit dem Herausgeber Dr. Eckart von Hirschhausen, der den meisten als Arzt, Moderator, Kabarettist, Produzent, Schriftsteller und Comedian bekannt ist, das Buch „Als ich mich auf den Weg machte, die Erde zu retten – Eine Reise in die Nachhaltigkeit“ veröffentlicht.

Hier zeigt er, dass der Begriff im Dunstkreis vieler Konsumenten häufig auch mit V-Worten in Verbindung gebracht wird: (drohender) Verzicht und (lästige) Veränderung. Aufgerüttelt werden die Leser mit einem Satz des Ökonomen Niko Paech: „Es geht nie um Verzicht, sondern um die Rückgabe einer Beute, die wir uns durch ökologische Plünderung angeeignet haben.“ Seiner Meinung nach ist es gerade das menschliche Streben nach Wachstum, das unsere Welt dem Untergang immer näherbringt, da die Menschheit durch ihre besinnungslose Ausrichtung an immer mehr Fortschritt und der dadurch ausgelösten Zerstörung kurz vor ihrem Ende steht. Sein Konzept der Postwachstumsökonomie (2009) orientiert sich an einer Suffizienzstrategie und dem partiellen Rückbau industrieller, vor allem global arbeitsteiliger Wertschöpfungsprozesse zugunsten einer Stärkung lokaler und regionaler Selbstversorgungsmuster. Der Weg zur Postwachstumsökonomie fußt auf fünf Entwicklungsschritten, die sich auf einen Wandel von Lebensstilen, Versorgungsmustern, Produktionsweisen und auf institutionelle Innovationen im Bereich des Umgangs mit Geld und Boden beziehen: Entrümpelung und Entschleunigung, Balance zwischen Selbst- und Fremdversorgung, Regionalökonomie, Stoffliche Nullsummenspiele und Institutionelle Innovationen.

Es konfrontiert uns mit dem Gesundheitszustand der Erde, erzählt Geschichten vom Erkennen und Gelingen, enthält Interviews und Essays, Bilder, Zahlen, Grafiken, Tipps, führt uns zu engagierten Menschen wie Hannes Jaenicke, Ervin László oder Michael Braungart, dem Erfinder des Cradle-to-Cradle-Prinzips, und zeigt, was Nachhaltigkeit konkret bedeutet – und was wir selbst imstande sind zu tun. Da es gesunde Menschen nur auf einer gesunden Erde gibt, unterstützt Eckart von Hirschhausen dieses Buchprojekt, damit sich immer Menschen aufmachen, Teil der Lösung zu werden. Denn die Grundlage von Gesundheit ist saubere Luft zum Atmen, sauberes Wasser zum Trinken, Pflanzen, die man essen kann und erträgliche Temperaturen. Alle diese vier Grundpfeiler von Gesundheit sind akut in Gefahr. Solange wir nicht begreifen, „dass wir nicht die Erde oder das Klima retten müssen, sondern uns selbst, solange bleiben wir untätig.“

Vor einigen Jahren gründete er die Stiftung "Gesunde Erde - Gesunde Menschen", weil er begriffen hat, dass wir eine andere Form von Kommunikation benötigen, und dass wir dringend handeln müssen. Aber: „Es ist schwer, die Welt ehrenamtlich zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören.“ Deshalb entschied er sich, in diesen Bereich zu investieren: mit seiner Zeit, Persönlichkeit, Stimme und einem großartigen Team. Dieses Buch ist in unserem Zeitalter der Digitalität, in der Bildung allseits verlangt wird, eine enorme Bereicherung. Es hilft auch bei der Einordnung von Wissen im Hinblick auf die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und zeigt einmal mehr, wie Soeren Kierkegaard sagte, dass das Leben zwar nach vorne gelebt wird, aber nach hinten verstanden wird. So wird zum Beispiel auch auf die Mittelalterprofessorin Annette Kehnel verwiesen, die in ihrem Buch „Wir konnten auch anders. Eine kurze Geschichte der Nachhaltigkeit“, für einen historischen Weitblick statt gegenwartsfixierter Kurzsichtigkeit plädiert. Wenn wir die Zukunft besser in den Blick nehmen möchten, müssen wir uns der Vergangenheit zuwenden. Dabei geht es nicht darum, sich in die Geschichte zurückzuwünschen. Vielmehr geht es darum, von ihr zu lernen – vor allem auch deshalb, weil die Menschen viel näher an der Natur waren als wir heute. Wir haben uns von ihr entfremdet.

Auch der Universalgelehrte Goethe, der dies schon an der Schwelle zur Moderne spürte, spielt durchgehend eine wichtige Rolle. Er meinte zum Beispiel, alles sei „jetzt ultra, alles transzendiert unaufhaltsam, im Denken wie im Tun. Niemand kennt sich mehr, niemand begreift das Element, worin er schwebt und wirkt, niemand den Stoff, den er bearbeitet.“ Heute hat sich das Tempo noch vervielfacht. Es stellen sich in diesem Buch deshalb auch Grundfragen der Orientierung, die für die Gestaltung unserer Zukunft entscheidend sind. Dabei werden aktuelle Fragen der Natur-, Geistes- und Lebenswissenschaften berücksichtigt. Das Denken und Handeln in Sparten, Ressorts und Fächern wird aufgegeben. Mit Goethe verbindet das Buch aber auch den Gedanken, dass die Wirklichkeit allein durch Denken nicht zu fassen ist:

Was es heute braucht, ist die Übersetzung vom Wissen ins Handeln sowie den gesellschaftlichen und politischen Willen, den Schutz unserer Lebensgrundlage an die oberste Stelle unserer Prioritäten zu setzen und ernst zu nehmen. Ernsthaftigkeit hat immer damit zu tun, dass wir uns zu etwas bekennen, dass wir etwas wichtiger finden als etwas anderes. Vor diesem Hintergrund ist es kein Zufall, dass die Fäden dieses Buches - das in der Druckerei Gugler nachhaltig gedruckt, gefalzt und geschnitten wurde (die Farben wurden auf das Cradle-to-Cradle-Papier aufgetragen) - beim Cultural Capital Producer Jan Teunen zusammengelaufen sind. Er hat dem Inhalt eine ihm gemäße nachhaltige Form gegeben. Seit Jahrzehnten ist es das Hauptziel seiner Arbeit, den eigentlichen Kern des unternehmerischen Tuns freizulegen, zu ent-wickeln oder auch zu ent-fesseln, denn „der Mensch solle sowohl der Natur, die ihn erhält, als auch der Kultur, die ihn erhebt, verantwortungsvoll begegnen.“

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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