Was verdienen Autorinnen und Autoren? Gründe für ein Buch im Selbstverlag

„Bei Amazon?“ – meine Tochter schaute mich entsetzt an: „Ich finde es schwierig, dass dein Buch über gute Arbeit durch ein Unternehmen gedruckt werden soll, das als extrem schlechter Arbeitgeber in der Presse ist.“

Ohne Verlag das dritte Buch?

Ich habe vor vier Wochen entschieden, mein drittes Buch selbst bei Amazon zu veröffentlichen. Das erste Buch "Mythos Fachkräftemangel" ist im Wiley Verlag erschienen. Nummer 2 "Rock Your Idea" hat der Murmann Verlag veröffentlicht. Nun kommt das dritte Buch ROCK YOUR WORK.

Weiter unten erkläre ich meine Gründe, diesen neuen Weg zu gehen. Es geht dabei auch um den Wert unserer Arbeit als Autorinnen und Autoren und die Rechte an eigenen Texten. Doch zunächst ein Blick auf Amazon und die Kontroversen um Arbeitsbedingungen beim Giganten.

Unternehmenskultur & (Un)Beliebtheit von Amazon

Natürlich hatte ich darüber nachgedacht. Passt die Unternehmenskultur von Amazon zu meinen Werten? Amazon spielt das Spiel Monopoly sehr geschickt und ist 28 Jahre nach der Gründung in einer Garage in Seattle der zweitgrößte Arbeitgeber in den USA. In einer Umfrage 2021 belegt Amazon den zehnten Platz bei Ingenieursstudentinnen und Studenten und schlägt damit Intel und IBM. Laut einer Forbes-Studie unter 60.000 Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten aus 58 Ländern steht Amazon 2020 auf Platz 2 der besten Arbeitgeber der Welt. Nur Samsung ist besser. Positiv ist auch ein Weiterbildungsprogramm von Amazon, bei dem 750.000 Lager-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Uni-Abschluss machen oder den Schulabschluss nachholen können.

Löhne und Gewerkschaft

In Deutschland ist „einer der am häufigsten genannten Kritikpunkte das Gehalt. Lohnerhöhungen seien nur durch den Druck gewerkschaftlicher Organisation erreicht worden. Die Gewerkschaft Verdi befindet sich seit Jahren mit Amazon im Kampf und fordert, dass die Amazon-Mitarbeiter in den Tarifvertrag des Einzelhandels eingestuft werden“, veröffentlicht der Amazon-Watchblog. Je nach Beruf und Position bietet Amazon also Top-Jobs und schlechte Arbeitsbedingungen. Letzteres gilt es zu ändern, und das wird so kommen. Mitte Februar 2022 muss Amazon die Gewerkschaftswahl in den USA wiederholen, berichtet der Spiegel. Es könnte ein historisches Ereignis werden, wenn sich in einem Lager von Amazon die erste Gewerkschaftsgruppe gründet.

Buch im Selbstverlag – was verdienen Autoren?

Warum veröffentliche ich mein drittes Buch selbst? Und wieso auf Amazon? Das hängt auch mit Arbeitsbedingungen zusammen.

Vorteil #1

Wenn ich das Buch fertig geschrieben habe und es gesezt und gestaltet ist, kann ich es an demselben Tag bei Amazon hochladen und verkaufen. Dieses Tempo finde ich beeindruckend. Ich will im März oder April veröffentlichen und nicht erst in einem halben Jahr. In der Zusammenarbeit mit einem Verlag vergehen viele Monate zwischen Abgabe des Manuskripts und der Veröffentlichung.

Zweiter Pluspunkt

Bei Amazon kann ich den Buchpreis selbst festlegen. Zum Beispiel 14 Euro. Ich werde den klassischen Preis für ein Sachbuch reduzieren, denn ich will, dass möglichst viele Menschen mein neues Buch lesen und sich leisten können. Im Verlag häte es rund 10 Euro mehr gekostet.

Der dritte Vorteil

Ich bekomme trotz des reduzierten Preises mehr Geld ausgezahlt von Amazon.

Von einem Verlag erhalte ich als Autor durchschnittlich 10 Prozent des Umsatzes. Liegt der Wert, den ich durch die Recherche und das Schreiben beitrage, wirklich nur bei 10 Prozent?

Ein geflügeltes Wort unter Autorinnen und Autoren heißt: „Mit Büchern verdient man kein Geld, sie sind lediglich ein Marketing-Tool, um bekannter zu werden.“ Muss das so sein? Amazon honoriert das Schreiben mit dem Fünffachen dessen, was Verlage zahlen.

Ein vierter Pluspunkt

Ich behalte die Rechte an meinen Texten und kann selbst entscheiden, wann ich sie in anderen Sprachen veröffentliche.

Guter Service, oder?

Die Entscheidung pro Amazon ist mir nicht leichtgefallen. Ich habe gerne mit meinen Verlagen zusammengearbeitet. Doch deren Service für uns Schreibende hat sich in den zehn Jahren nicht verbessert. Die Vorteile bei Amazon überzeugen mich. Und zum Gesamtbild von Amazon als ein guter und schlechter Arbeitgeber gehört auch deren guter Service für Autorinnen und Autoren.

Mit der Entscheidung für das Tempo im Selbstverlag, einem günstigeren Buchpreis, einem höheren Honorar und dem Behalten der Rechte am Text entscheide ich mich schweren Herzens gegen die Präsenz in Buchhandlungen, das geht mit Amazon nicht. Das ist ein großer Pluspunkt für eine Zusammenarbeit mit Verlagen. Jetzt bin ich auf deine und Ihre Meinung gespannt.

Wie wäre deine/Ihre Entscheidung? Für einen Verlag? Für Amazon? Für eine Alternative?

Martin Gaedt schreibt über Provotainment, Leben und Arbeit, cleveres Recruiting, Wirtschaft & Management

Martin Gaedt ist Autor von "4 TAGE WOCHE", "Rock Your Work", "Rock Your Idea" und "Mythos Fachkräftemangel". Er ist Provotainer und hat seit 2014 in 650 Keynotes mehr als 100.000 Gäste begeistert, provoziert und entertaint. Seit 1999 gründet er Unternehmen und stellt 44 Fragen, der Anfang des Neuen.

Artikelsammlung ansehen