Dr. Alexandra Hildebrandt

Wasser als Freiheitsrecht und öffentliche Daseinsvorsorge – worauf es jetzt ankommt

Wasser ist ein essenzielles Lebensmittel und die Grundvoraussetzung für die Existenz aller Organismen und Ökosysteme. Im Interview spricht Olaf Schulze darüber, dass es auch für Wirtschaft und Gesellschaft von höchster Relevanz ist. Geboren wurde er 1963 in Halle/Saale, wohnhaft ist er in Erfurt. Olaf Schulze studierte Staats- und Rechtswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit 2005 arbeitet er beim Großhandelsunternehmen METRO, derzeit Vice President Energy Management METRO Properties Holding GmbH, Düsseldorf. Zu seinen beruflichen Stationen u.a.: Thüringer Energie AG, Geberit Mapress GmbH.

Dass ohne Wasser kein menschliches Leben existieren kann, sind Binsenweisheiten. Und Wasser hat viel mit Wetter, und Wetter hat viel mit Klima zu tun. Während die Erderwärmung und die Klimawirkungen nur langsam auf uns zukommen und manchmal noch weiter weg scheinen, sehen wir beim Wassermangel heute schon die Klimawirkungen direkt vor unserer Haustür. In Südeuropa folgte nach einem trockenen Sommer mit ausgetrockneten Flüssen, leeren Stauseen ein schneearmer Winter und jetzt könnte eine noch düstere Dürre folgen. Bei solchen Szenarien gelangt man doch gern vom Regen in die Traufe, und es zeigt, dass der Zugang zu Trinkwasser und Wasser ein Freiheitsrecht ist und durch eine öffentliche Daseinsvorsorge abgesichert werden muss. Wir brauchen nicht nur Wasser, sondern Trinkwasser, deshalb ist der Schutz der natürlichen Ressourcen so wichtig.

Ihre Bedeutung belegt die Beliebtheit von kleinen Bächen und Flüssen oder Seen in Städten, hervorzuheben ist beispielsweise die Sieben-Seen-Stadt Schwerin, das schöne seenreiche Potsdam. Letztlich ist jede Stadt glücklich, ein Klein-Venedig zu haben wie Erfurt oder Bamberg. Brunnen zum Ansehen, zum Erfrischen - das sind Magnete im Sommer. Teilweise irre sind allerdings die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht, die wiederum solche Anlagen, die den Städten und Gemeinden im Unterhalt auch viel Geld kosten, verhindern. Unsere Bewertung, die Verkehrssicherungspflichten auf den Betreiber, Errichter von öffentlichen Brunnen und Springbrunnen zu überborden, sollte teilweise überdacht werden. Mehr Verantwortung sollte an den Einzelnen abgegeben werden. Das wird oft eingefordert bei den Freiheitsrechten, was ich nur unterstützen kann, aber wenn es um Risiken aus der Nutzung solcher Anlagen geht, und es z.B. zu Unfällen kommt, wenn es rutschig wird, dann vergessen. Am Ende wird dadurch so etwas verhindert, was den grünen Städten und uns Menschen nutzen würde.

Die Trinkwasser-VO wurde aktuell novelliert, gerade in Bezug auf die Filterung von PFAS, dem Umweltgift der Zukunft, den polyfluorierten Alkyl Substanzen. Schon die Bezeichnung flößt Respekt ein, und Mikroplastik im Trinkwasser? Das wird noch technische Herausforderungen und vor allem Kosten mit sich bringen. Da ist es besser, eigene Beiträge zur Vermeidung dieser Verunreinigungen zu leisten, als später mit viel Geld zu reinigen.

Seit 2017 haben wir eine METRO Wasser-Verbrauchs-Strategie: Damals wollten wir bis 2025 vs. 2017 5% Trinkwasser, gemessen pro m² Nettobetriebsfläche, einsparen. Das Ziel wurde schon 2020 weit übererfüllt, allein mit dem low hanging fruits. Man sieht daran, was möglich ist, und dass Trinkwasserverbrauch in einem Food- Großhandelsunternehmen eine besondere Bedeutung hat, einmal aus hygienischen und dann aus Kostengründen, sollte niemanden überraschen. In der METRO haben wir uns im Jahr 2022 ein neues Wasserziel gesetzt, vom Basisjahr 2021 bis 2030 wollen wir 10% Trinkwasser einsparen, berechnet je m² Nettobetriebsfläche.

Dazu werden alle Zähler einerseits monatlich ausgewertet, ein Verbrauchsmonitoring durchgeführt und aktive Wassersparmaßnahmen durchgeführt. Allerdings macht der Einbau neuer Wasserhähne etc. aus Kostengründen keinen Sinn, aber wenn neue Gebäude oder Depots errichtet werden, wird von vornherein an Wassersparmaßnahmen gedacht, z.B. berührungsfreie Armaturen, oder beim Waschen der Transportboxen für die Zustellung an die Profikunden die Reinigung in Großwaschanlagen – dessen Warmwasser dann optimalerweise aus der Abwärme der Kälteanlagen erwärmt wird. Schon vor Jahren haben wir Perlatore installiert. In Ländern von METRO wie Italien oder Frankreich, auch in Österreich, wird in eine neue Wasserzählerinfrastruktur, die fernauslesbar ist, investiert. Damit soll frühzeitig auf Mehrverbräuche reagiert werden können. Dort ist die Dramatik der Trinkwassersituation täglich in der Natur sichtbar.

Es wird versucht, dass wir Wasser am Großmarkt versickern lassen können, Grünflächen sollen grün bleiben und nicht z.B. durch Kieselsteine pflegeleicht gestaltet werden. Wir denken im Neubau über die Kombination von Gründächern und Photovoltaik nach, wir haben bislang einige Gründächer und viele PV-Anlagen, aber eben nicht beides auf einem Gebäude. Dann bleibt das Regenwasser auf dem Dach gespeichert, entlastet die Abwasserleitungen und reduziert die Temperaturdiffusion in oder aus dem Großmarkt und würde sogar die Leistung der PV Anlagen erhöhen. Erst zuletzt haben wir in einem Neubau in Rungis/Paris wieder einen Regenwasserteich angelegt.

Ich hatte einmal ein kleines Projekt der Kostenoptimierung beim Abwasser, wenn Autos durch Waschanlagen fahren. Abwasser ist nicht nur im Haushalt teurer als Trinkwasser, sondern auch in der Wirtschaft. Das Abwasser wird natürlich von den Gemeinden durch die Abwasserkosten abgerechnet, und es wurde bei der gemeindlichen Abrechnung versucht, die Menge Abwasser nach der Frischwasserverbrauchsmenge zu berechnen. Aber auch nach der Trocknung bleibt immer etwas Schleppwasser am Fahrzeug, dass während der Fahrt verdunstet und eben nicht in das Abwasser gelangt. Das sind pro Fahrzeug ca. drei Liter, so dass bei einigen tausend Fahrzeugreinigungen einer Reinigungsanlage viele m³ Abwasser vermieden werden und damit nicht abgerechnet werden müssen. Wie wichtig sauberes Wasser für Gesundheit und Wohlergehen, Artenschutz ist, ist offensichtlich. Wenn ich auf meine Jugend zurückblicke, kann ich mich noch an die schwarze Saale in Halle/ Saale mit Schaumkämmen, Phenol- Enten (anderes Leben gab es nicht) erinnern.

Unglaublich, wenn im Sommer die Saale in Halle Niedrigwasser hatte, gaste der Schlamm aus, auf dem Schlamm wurde es grün, und es roch so wie es aussah. Die Umweltverschmutzung war enorm und, was oft vergessen wird zu priorisieren, einer der Gründe für die friedliche Revolution der DDR in 1989/1990. Das Maß war voll! Umso erstaunlicher war es, dass sich Saale, Elbe, Mulde und andere Flüsse so schnell regenerieren konnten, wegen der De-Industriealisierung natürlich beschleunigt, und dem Auf- und Ausbau der gemeindlichen Kläranlagen. Schon damals wurde übrigens die Wasserineffizienz der DDR sehr schnell – auch durch die Abrechnung von wirklichen Kosten – in Wassereffizienz und deutliche Verbrauchsreduktion umgewandelt. Durch Verhalten!

Wir stehen derzeit in einer gleichen Diskussion, De- Industrialisierung in Deutschland entweder vs. Klimaschutz oder besser: Klimaschutz ohne De-Industriealisierung. Früher haben wir Lenins Spruch eingetrichtert bekommen: Kommunismus = Sowjetmacht + Elektrizität. Nicht erst heute würde ich sagen, dass ohne Elektrizität (und andere Energie) eine Demokratie gefährdet ist.

Ja, sie kommt direkt aus dem Thüringer Wald – wo das Köhlerliesel wohnt und das Echo widerhallt… Wir müssen kein Wasser in Flaschen kaufen (nur wenn wir unterwegs sind). Dann werden keine Plastik- oder Glasflaschen in unserem Haushalt durch die Gegend gefahren, und das Leergutmanagement wird auch vermieden. Das passt als Kreislauf, denn Plastik im Wasser ist mehr als nur ein Problem, und global gesehen ist es ein Riesenproblem. Auch hier hat sich METRO übrigens deutlich engagiert, nämlich einmal Plastik im Geschäftsbetrieb deutlich zu reduzieren und zum anderen Plaste aus den Weltmeeren zu holen. Aber jeder kann Beiträge zum Wassersparen leisten, es sind auch hier nur wenige Liter des Einzelnen, aber viele Mio m³ von Vielen, die dann im Naturkreislauf oder Grundwasser bleiben können.

Ich dusche von O bis O, also Ostern bis Oktober nur draußen, i.d.R. schon vor Ostern und auch in den November hinein. Das härtet ab. Ich habe einen Außenwasserzähler, muss also wenigstens dann kein Abwasser zahlen und kann die Gartendusche im Garten herumtragen, so dass immer das Wasser für verschiedene Blumen oder Rasen bleibt. Und am Ende ist der Duschvorgang viel schneller - das spart auch Wasser. Natürlich kann man dann kein Schaumbad machen, aber ich nehme so oder so kein Duschgel, allenfalls das gute alte Stück Seife. Das spart auch Wasser, und spätestens wenn in dem Duschgel Mikroplastik ist, hört der Spaß sowieso auf. Auch ansonsten dusche ich immer kalt – übrigens auch ein Phänomen, dass so viel Wasser und Energie für WARM-Duschen draufgeht.

Da hatte ich es einfacher: Bis 1978 wohnten wir im DDR-Altbau, da gab es außer einem Fünf-Liter-Boiler weder Dusche noch Warmwasser. Und dann hatte ich drei Jahre eine Postfach-Adresse, da gab es weder Warmwasser noch viel Zeit, das ging ruck zuck morgens und abends, und prägt mich wohl noch heute ein wenig.

Wenn ich im Sommer eine Tasse in der Spüle ausspüle oder nur Wasser benötige, um die Teekanne zu reinigen, dann fange ich das Wasser in einer kleinen Schüssel auf und gieße es in den Vorgarten. Das sind zu Hause ein paar Meter durch den Flur, und den Vorgarten freut der Wasserguss. An meinem Haus habe ich zwar keine Zisterne, aber ich fange an zwei Stellen das Regenwasser in Wasserfässern auf. Seit diesem Winter habe ich sogar ein 1.000 l Fass angeschlossen, insgesamt stehen jetzt 1.600 l Regenwasser bereit. Das ist alles eine Menge, die nicht mehr über die öffentlichen Leitungen zur Verfügung stehen muss und soll natürlich auch die Bewässerungskosten für die Bäumchen und Büsche im Garten reduzieren. Und ich fühle mich gut dabei, dass ich im Garten eigenes Wasser - und eigenen Kompost – nutze.

Die Jahre, in denen ich bei Geberit Mapress gearbeitet habe, haben mich ebenfalls sehr geprägt, denn Trinkwasserhygiene in Hausinstallationen war das Maß der Dinge, und damals kannte ich die TrinkwasserVO hoch und runter auswendig.

Das hilft dann bei Hochwasser. Ich kann mich noch gut an 2013 erinnern, also uns im Einzugsgebiet der Saale, zu der die Gera in Erfurt gehört, das Wasser bis zum Hals und Deichobergrenze stand. Zwei meiner Kinder waren beim Sandsäcke füllen und stapeln mit dabei. Wasser hat viel Kraft, und folgt der Schwerkraft – eigentlich eine gute Eigenschaft. Als Energiemanager begeistern mich natürlich immer Wasser- und Pumpspeicherkraftwerke wie die Saalekaskade oder die Werrakraftwerke, sie dienen der Wasserhaltung und der Stromerzeugung, billiger geht es kaum.

Beim Werra- Wasserkraftwerk Spichra bei Eisenach, drei Turbinen, war ich in meiner ersten Tätigkeit bei der TEAG Thüringer Energie AG auch für die Ertüchtigung des Wasserkraftwerkes als Jurist involviert. Das war begeisternd, Wasserkraft, Werraregulierung, Stromeinspeisung, und natürlich auch besonderer Naturschutz, etwa mit Fischtreppe und Faltbootschleuse. Da gab es immer die lustige Geschichte, dass meine resolute und sehr liebenswerte Vorgesetzte in DDR-Zeiten folgenden Auftrag hatte: Bei einem verheerenden Hochwasser war die Wehrwalze weggeschwommen, also aus der Verankerung gerissen, es gab kein Wehr mehr, das Wasserkraftwerk war damit gestört, der Stau zu gering, das Wasserkraftwerk ohne Wasser. Also wurde meine spätere Vorgesetzte aktiviert, in Gotha die sowjetische Garnison zu besuchen und zu bitten, die Wehrwalze mit einem Panzer aus der Werra zu ziehen. Denn die DDR-Grenztruppen hatten nicht einmal ansatzweise das Equipment, so etwas zu meistern, der L60 mit 180 PS schafft so etwas nicht, und das Wehr lag im Grenzgebiet nach Hessen. Da brauchte man neben Equipment eine Genehmigung für die Genehmigung der Genehmigung, DDR- Grenzregime eben.

Die Sowjets hatten beides, Panzer und no limits an der Grenze. Also wurde die Wehrwalze gesichert, jemand ist getaucht, hat ein Seil angebracht, die Walze an das westliche DDR -Ufer gebracht und dort abgelegt. Dieses Ding wurde in den 90ern überarbeitet und wieder verwendet, und liegt natürlich heute noch im Wasserstau. So geht auch Nachhaltigkeit, und das ist wenigstens ein Beispiel, wie Panzer nützlich verwendet werden können.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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