© Pixabay

Welche Rolle Nachhaltigkeit bei der Bewertung von Immobilien spielt

In der EU sind Wohn- und Gewerbeimmobilien für etwa 40 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs und ca. 36 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Um das Pariser Klimaschutzabkommen umzusetzen und zu erreichen, müssen auch klare nachhaltige Standards für Immobilien festgesetzt werden.

Beim Neubau und bei Modernisierungen wird es zum nachhaltigen Werterhalt künftig immer wichtiger, nicht nur Environmental Social Governance (ESG)-Standards zu erfüllen, sondern auch gesetzliche Vorgaben und gesellschaftliche Erwartungen über die Lebenszyklen von Gebäuden zu antizipieren. Wo diese Standards nicht eingehalten werden, sind Immobilien künftig kaum mehr zu verkaufen. Auf dem Markt gefragter sein werden vor allem Objekte, bei denen Nachhaltigkeitsfaktoren ganzheitlich berücksichtigt werden.

Häufig wird nachhaltiges Bauen mit Begriffen wie „ökologisches/energieeffizientes Bauen“ oder „bioklimatische Architektur“ gleichgesetzt. Das sind allerdings nur Teilaspekte. Berücksichtigt werden sollte auch die Standortwahl, vorausschauende Planung und angemessener Personaleinsatz, der Einsatz langlebiger, recycelbarer, nachwachsender, ökologisch und gesundheitlich unbedenklicher Baumaterialien/-elemente, Nutzerzufriedenheit, strategische Verankerung von Nachhaltigkeitszielen in allen operativen Prozessen, übergreifendes Denken aller Beteiligten, das sich auch klar definierten Managementprozessen verdankt.

Seit der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) im Jahr 2007 nimmt die Zahl zertifizierter Immobilien in Deutschland stetig zu. Die Bewertungskriterien für Green Buildings gehen hier weit über bloße Umweltgesichtspunkte hinaus. Es fließen auch ökonomische und soziologische Kriterien ein, ebenso Technik, Prozesse, Standortqualität und Lebenszykluskosten. Zertifizierte Gewerbegebiete oder Stadtquartiere lassen sich optimal an veränderte Rahmenbedingungen anpassen, sodass Erweiterungen oder Maßnahmen der betrieblichen Infrastruktur problemlos möglich sind. Das spart Planungskosten und -zeiten und vermeidet Mehraufwand.

Eine Übersicht der Kriterien, die im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit bei der Immobilienbewertung eine entscheidende Rolle spielen, und wie diese konkret berücksichtigt werden, finden sich hier. Hervorzuheben ist vor allem die Energiebilanz von Wohn- und Gewerbegebäuden. Seit 2014 ist es für Verkäufer von Immobilien und Neu-Vermieter Pflicht, einen Energieausweis für ihre Immobilie auszuweisen. Seit Kurzem regelt dies einheitlich das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das die Energieeinsparverordnung (EnEV) abgelöst hat. Der Energieausweis gibt dabei Auskunft über die energetischen Kennwerte und die daraus resultierenden Treibhausgasemissionen des Gebäudes.

Die Skala des Ausweises reicht dabei von A+ bis H. Altbauten beispielsweise oder Wohngebäude mit einem durchschnittlichen Verbrauch liegen zumeist in Klasse E. Der Energieausweis muss bei Vermietung, Verpachtung oder Verkauf bereits bei der Besichtigung der Immobilie vorgelegt werden. Interessierte Käufer und Mieter erhalten so einen Überblick über den energetischen Zustand eines Gebäudes. Eine umfassende Datenbasis zur CO2-Bilanz eines Gebäudes (von seiner Errichtung über die gesamte Zeit der Nutzung) liegt zwar noch in weiter Ferne, doch wenn es einmal möglich sein wird, zentral für jedes Wohngebäude eine Datenbasis bereit zu stellen, wird es auch möglich sein, diese umfassend in der Immobilienbewertung entsprechend zu berücksichtigen.

Die Herausforderung besteht künftig darin, sämtliche relevante Daten eines Anbieters mit einer Vielzahl dezentraler und externer Daten zusammenzuführen. Um daraus belastbare Analysen hinsichtlich der Qualität der Nachhaltigkeit zu erstellen, ist künstliche Intelligenz erforderlich. Neueste digitale Lösungen für die Immobilienbewertung und -analyse sind eine wichtige Unterstützung bei der Abbildung von ESG-Standards und Anforderungen an die Kreditvergabe und -überwachung. Dadurch ist es beispielsweise möglich, den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie sowie ihren ökologischen Fußabdruck abzubilden.

Um die aktuellem Nachhaltigkeitsanforderungen zu erfüllen, ist es wichtig, auf datenbasierte Bewertungen und Analysen statistischer Bewertungsmodelle zurückzugreifen. Dies gilt für die Kreditvergabe und -überwachung sowie für die Einhaltung neuer ESG-Standards, die sämtliche Marktteilnehmer der Finanzwirtschaft betreffen.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

Artikelsammlung ansehen