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Wenn das hohe Gehalt zum Fluch wird

Unser Leser verdient in seinem aktuellen Job zwar gut, ist aber unglücklich. Vergleichbare Stellen sind deutlich schlechter bezahlt. Wie kann er dieser Zwickmühle entkommen?

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Die Frage: Über 110.000 Euro im Jahr verdient der Mittelmanager bei einem Dienstleistungsunternehmen. Da er mit dem Job nicht mehr zufrieden ist, schaut er sich nach neuen Stellen um. Die passenden Angebote sind allerdings deutlich niedriger vergütet. Weil sich die Ausgaben des Familienvaters über die Jahre den Einnahmen angepasst haben, schreckt er vor einem Wechsel zurück. Und will wissen: Wie komme ich aus dieser Zwickmühle?

Die Antwort vom WiWo Coach, Karriereberaterin Jutta Boenig: Sie beschreiben sehr treffend eine Situation, die man häufig in der Berufswelt antrifft. Die Konstellation im Beruf unzufrieden zu sein und sich deshalb mit einem Jobwechsel zu befassen, ohne jedoch wirklich gute gehaltliche Aussichten zu haben, ist eine wahre Herausforderung. Was ist zu tun und wie kann ein interessanter, herausfordernder Berufsweg wieder gelingen?

Ihren Schilderungen entnehme ich, dass Sie eine vergleichbare Aufgabe suchen, die auf dem Markt aber nicht die gewünschte Vergütung bringt. Es stellt sich also die Frage, was hinter Ihrem Wechselwunsch steckt, wenn nicht der Job selbst? Um diese zu beantworten, braucht es zuerst eine Bestandsaufnahme. 

Ein möglicher Weg besteht darin, die Ursachen Ihrer Energielosigkeit zu klären. Warum wollen Sie die Firma verlassen? Sie sollten sich klar werden, wer oder was bei Ihrem derzeitigen Arbeitgeber der oder die Energiekiller sind. Welche Gegebenheiten, welche Menschen oder Aufgaben rauben Ihnen die Freude an der Arbeit? Und können Sie daran etwas ändern? 
Zunächst sollten Sie eine Liste mit nur drei Rubriken erstellen: Vorteile, Nachteile, bisherige Veränderungsinitiativen. Notieren Sie alles, was Ihnen dazu einfällt. Das kann sehr umfangreich werden oder das Gegenteil. 

Letzteres deutet darauf hin, dass Sie eventuell mit Ihrer Karriere grundsätzlich nicht einverstanden sind. Dann rate ich Ihnen, sich einen Sparringspartner zu suchen, der mit Ihnen diese wichtigen Fragen erarbeitet:     

  • Wer bin ich als Persönlichkeit? 

  • Was kann ich? 

  • Was will und brauche ich in der jetzigen Lebensphase? 

  • Stellen mich meine fachlichen Erfolge zufrieden? 

  • Was begeistert mich? 

  • Welche Unternehmen bilden mein Wunschszenario inklusive Gehaltsvorstellungen ab?

Ist Ihre Liste hingegen gut gefüllt, clustern Sie die Vor- und Nachteile. Welche Aufgaben tauchen auf der einen oder anderen Seite auf? Welche Führungsthemen gibt es? Welche Aspekte der Unternehmenskultur schätzen Sie, und welche lehnen Sie ab? Im Anschluss ist es sinnvoll, zu notieren, was davon Sie proaktiv verändern könnten? Brauchen Sie dazu vielleicht Unterstützung, zum Beispiel durch die Geschäftsleitung oder andere Entscheidungsträger? Braucht die gesamte Organisation eine Neuaufstellung und welchen Beitrag könnten Sie dazu leisten?

Schlussendlich sollte sich so herauskristallisieren, ob Ihr Arbeitgeber Ihre Zukunft darstellen kann. Sollte das nicht der Fall sein, hilft Ihnen die Bestandsaufnahme dennoch. Denn mit deutlichen und ehrlichen Antworten auf die oben genannten Fragen erhalten Sie ein klareres Bild von sich selbst, können Ihre Stärken und Ihre Wertigkeit gegenüber Ihrer jetzigen wie auch anderen Firmen besser darstellen. Sie erkennen vielleicht auch, dass Sie gar nicht auf der Suche nach einer identischen Aufgabe sind. 

Es ist wichtig, diese Phase auch mit Ihrer Partnerin durchzusprechen. Vielleicht hat auch sie zusätzliche Ideen, wie Sie beide die Lage ändern können. Angenommen, Ihre Partnerin will sich auch beruflich verändern, könnte sie so mehr zum Familieneinkommen beitragen und damit den Druck von Ihnen nehmen. Eventuell haben Sie dann mehr Energie, innerhalb oder außerhalb des aktuellen Unternehmens etwas zu verändern. Mit diesen klaren Vorstellungen sollten Sie sich sowohl an Personalberater und Personalberaterinnen, als auch direkt an Ihr Netzwerk wenden. Wichtig ist, dass Sie dabei verdeutlichen, dass Sie die Bewerbung als Karriereentwicklung betrachten. Einfach dasselbe bei einem anderen machen, zeigt wenig Begeisterung oder Proaktivität.

Jutta Boenig ist Inhaberin und Geschäftsführerin von Boenig Beratung . Die studierte Sozialwissenschaftlerin bietet sowohl klassische Karriereberatung als auch systemisches Coaching an. Von 2005 bis 2022 war sie Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung.

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