Harte Konkurrenz für Coaches und Therapeuten: Menschen sind nicht in allen Aspekten besser als die Maschine | ©Getty Images

Wer coacht besser – Mensch oder Maschine? Die Wahrheit wird vielen nicht gefallen

KI-Coaches überzeugen selbst hartnäckige Anhänger von Verschwörungserzählungen mit maßgeschneiderten Argumenten. Brauchen wir künftig keine Psychologen mehr aus Fleisch und Blut?

Kürzlich ist ein höchst spannender Artikel in „Science“ erschienen: Diskussionen mit KI mildern den Glauben an Verschwörungserzählungen.

Kein Witz. Über 2000 US-Amerikaner, die an eine spezifische Verschwörung glaubten, wurden in personalisierte Gespräche mit einer KI verwickelt. Die KI analysierte die Argumentationslinien und lieferte maßgeschneiderte Entgegnungen. Überraschenderweise führte das zu einem deutlichen Rückgang des Glaubens an die Verschwörung – um durchschnittlich satte 20 Prozent!

Besonders bemerkenswert: Der Effekt war auch nach zwei Monaten noch stabil. Egal ob es um die Illuminati oder um die US-Wahl ging – die KI schaffte es, selbst tief verwurzelte Überzeugungen zu erschüttern. Nun ist die diskursive Lösungsfindung für einen besseren Umgang mit negativen, etablierten Mustern des Erlebens und Verhaltens zentraler Inhalt vieler Coachings.

Werden Coaches damit überflüssig?

Na ja, Menschen brauchen nach wie vor Empathie, emotionale Unterstützung und individuelle Beratung, die über bloße Fakten hinausgeht. Coaches geben menschliche Wärme und haben Kontextverständnis. Das kann eine KI so schnell nicht bieten.

Parallel wird sich der Bedarf nach menschlichem Coaching aus drei Gründen reduzieren oder zumindest verändern:

  • Skalierbarkeit, weil viele Menschen zugleich betreut werden können.

  • Personalisierung, weil die KI auf ein immenses Erfahrungswissen zugreifen kann.

  • Effizienz, weil die Kosten einer coachenden KI sehr gering sind.

Insofern: Dass die bestehenden Lösungen schon so wirkmächtig sind, fand ich krass. Es fällt mir schwer, die sich daraus für Coaches ergebenden Konsequenzen mit kurz-, mittel- und langfristiger Perspektive abzuschätzen.

Meine 5 Cent aus der Glaskugel: Wir sollten das KI-Thema möglichst zeitnah in Coachingausbildungen integrieren. Coaches müssen sich KI-Lösungen zu eigen machen, auf dem aktuellen Stand bleiben und die Tools in die eigene Beratung sinnvoll integrieren können. Ich stelle mir das wirklich ganz cool vor und habe Lust darauf. Nach so vielen Jahren mal wieder ein komplett neuer Winkel.

Was meint Ihr? Was meinen die Gurus? Spinnerei, Alarmismus oder Realismus?

Ralf Lanwehr schreibt über Führung & Transformation

Ralf beschäftigt sich mit harten Fakten zu weichen Themen aus dem Dreieck Psychologie-BWL-Mathe. Er berät DAX-Vorstände, trainert Führungskräfte und coacht Bundesligatrainer. Die eigene Karriere als Kicker blieb trotz seiner Zeit als Stürmer in der 3. mosambikanischen Liga verdientermaßen aus.

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