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Werte, Prinzipien und Charakter: Zaubermeister des Fußballs

In Mannschaftsportarten, vor allem beim Fußball, hat das Bauchgefühl einen hohen Stellenwert, weil schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen und die Handlungszeit zu knapp ist, um lange nachzudenken.

„Hierbei handelst du als Spieler intuitiv besser, je größer deine Erfahrung ist. Aufgrund meiner Automatismen und meiner Erfahrung fühle ich mich sicher, also traue ich mich intuitiv zu handeln“, sagt der österreichische Rekordnationalspieler Andreas Herzog, der zuletzt Trainer der israelischen Nationalmannschaft war. Es ist für ihn häufig auch eine Mischung zwischen Überlegung und Bauch, die sich aus der Erfahrung speist. Im Juli 2020 führten Claus-Peter Niem und Karin Helle ein Interview mit ihm zum Thema, das ins Buch „Bauchgefühl im Management“ eingeflossen ist.

Detailliert berichtet er aber auch in seiner Biografie darüber, an der die beiden Autoren maßgeblich beteiligt waren. So gesteht er beispielsweise, dass er es als junger Spieler bei Rapid allen recht machen wollte. Er war verkrampft und dachte zu viel nach. Zudem hatte er wenig Selbstvertrauen, was zu inneren Blockaden führte: „Wenn du zu viele Ideen hast, du hast den Ball und dann die Idee A und die Idee B und dann überlegst du und eine Mischung kommt raus – daraus entsteht ein Fehlpass.“ In Bayern hatte er zu Beginn zu viel Respekt vor seinen Mitspielern. Er kam von Werder Bremen und spielte mit Matthäus, Klinsmann, Papin. Herzog wollte möglichst keine Fehler machen und überlegte im Spiel zu viel. Als er nach Bremen zurückkam, konnte er wieder frei und aus dem Bauch heraus zu spielen.

  • das Arbeitsumfeld stabil ist,

  • seine Basis Erfahrung ist,

  • eine wichtige Entscheidung nach dem wichtigsten Grund getroffen wird,

  • ein ausgeprägtes Selbstvertrauen vorhanden ist.

Das Buch von Andreas Herzog ist nicht nur eine Reise in seine persönliche Vergangenheit – es ist auch ein Buch über wahre Meisterschaft. Es zeigt, dass es, um etwas meistern zu können, weit mehr als die maximale Leistung in möglichst in kürzester Zeit erfordert, um ein konkretes Ziel zu erreichen. Es braucht auch soziale bzw. persönliche Zusammenhänge, das „rechte Maß“ eines ausgewogenen Miteinanders. Zudem geht es um die Aufgabe, das eigene Leben in Freiheit zu gestalten und dies täglich zu üben, um innerlich stimmig zu sein.

Einer der größten deutschen Dichter und Denker, der sich maßgeblich mit den Fragen der eigenen „Meisterschaft“ als Lebenskunst befasst hat, war Goethe. Sie beruht auf der Einsicht, sich der eigenen Begrenztheit und gleichzeitigen Offenheit auszuliefern, die eigene Zeit sinnvoll zu nutzen und das „Bestmögliche“ aus dem zu kreieren, was an Möglichkeiten zu Verfügung steht. Otto Rehhagel, Freund und Mentor von Andreas Herzog, bringt das in seinem Vorwort zum Ausdruck: „Neben dem Fußball sind es die alten deutschen Dichter und Denker, die mich ein Leben lang begleitet haben, und die ich heute noch gerne zitiere – allen voran Goethe und Schiller. Es ist ein Genuss für mich, diese zu studieren und zu rezitieren. Die Ballade vom ‚Zauberlehrling‘ hat mich seit jeher begeistert – und hier insbesondere die Hauptfigur selbst, die vom Meister allein gelassen wird und sich ausprobieren möchte. Das Bestreben, gegen die Autorität aufzubegehren, selbstständig zu handeln, und die Tatsache, wie schnell Übermut und Überheblichkeit zum Chaos führen können – und der Meister am Ende rettend eingreifen muss.“

Rehhagel verweist darauf, dass Andreas Herzog in jungen Jahren auch ein Zauberlehrling war, der auf der Suche nach Profession ist, sich ausprobiert und Fehler macht – „doch in unserer gemeinsamen Zeit bei Werder Bremen entwickelten Sie sich selbst zum Zaubermeister – selten brauchten Sie Anweisungen, immer dagegen Freiraum.“

„Beim Otto war mit Taktik und so nicht das Gelbe vom Ei, darauf hat er nicht Wert gelegt. Er hat halt eine Mannschaft gehabt wie ein Puzzle, wo er Stärken und Schwächen ausgebessert hat. Meine Stärken konnte er in die Mannschaft einbauen. Meine Schwächen wurden von meinen Mitspielern ausgebessert“, schreibt Andreas Herzog. Der optimale Trainer ist für ihn der, der überlegt, um dann aber auch aus dem Bauchgefühl heraus intuitiv Entscheidungen zu treffen, „weil er im besten Fall Erfahrung hat und alles schon erlebt hat.“

Trainer sind mal als Pädagogen gefragt, mal als Konfliktlöser, Mentoren oder Psychologen – und in jeder Situation als eine starke Führungspersönlichkeit. Otto Rehhagel hat es auch verstanden, dem jungen Andreas Herzog genügend Freiräume zu geben, Verantwortung zu übertragen und zum Handeln zu inspirieren. Im Rahmen gewisser Richtlinien, Regeln und Werte hat er ihn einfach machen lassen und ihm Vertrauen geschenkt. Herzog blieb ein Typ mit Ecken und Kanten. Eine Kopie von jemand anderem wollte er nie sein.

In vielen ihrer Publikationen haben Karin Helle und Claus-Peter Niem nachgewiesen, dass Trainer wie Rehhagel dann am erfolgreichsten sind, wenn sie über ein möglichst breites Rollenrepertoire verfügen: „Große Trainer sind solche, die alle Rollen zu meistern zu verstehen, denn alle Rollen sind wichtig.“ Sie stellten fest, dass ihre Erfolge über die Jahre gemeinsam mit ihren Fähigkeiten gewachsen sind, nach und nach ihr Rollenspektrum zu erweitern und situationsangemessen anzuwenden.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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