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Foto: Midjourney

Wie bekommen Unternehmen ihre Mitarbeiter zurück ins Büro?

„Ich weiß nicht, wie ich unsere Leute zurück ins Büro kriegen soll“, klagte vor einiger Zeit eine Führungskraft, mit der ich befreundet bin, als wir auf einer Festivität über Homeoffice und New Work und all dieses Zeug sprachen.

Diese Person arbeitet in einem Feld, bei dem das gemeinsame Arbeiten an einem Projekt aus ihrer Sicht für Qualitäts- und Kreativitätsgewinne sorgt, genauso für mehr Effizienz. Doch das Unternehmen, in dem diese Person beschäftigt ist, war nie ein wirklich guter Arbeitgeber, befindet sich ein einer Branchenkrise und führte erst mit der Pandemie weiträumigere Möglichkeiten ein, hybrid zu arbeiten.

Und nun: Kommt halt keiner mehr.

Er ist nicht allein. Auf vielen Branchentreffs sprechen Chefinnen und Chefs derzeit über die leeren Büros, die verwaisten Schreibtische und den steigenden Koordinationsaufwand. Nun bleibt hybride Arbeit uns allen erhalten und das ist gut so. Die Frage ist, wie hoch der Anteil der Zeit ist, die Mitarbeiter daheim verbringen. Nehmen wir an, drei Kollegen haben je zwei Tage Homeoffice in der Woche, also 40% ihrer Arbeitszeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass A und B am gleichen Tag im Büro sind, liegt dann bei 60% von 60% = 36%. Dass alle 3 am gleichen Tag am Hot Desk sind, beträgt nur noch 22%.

Und diese Gemengelage hat für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer negative Folgen. Ich glaube, dass ich eine Lösung habe, um den Anteil der Präsenz im Büro signifikant zu steigern. Der Haken: Diese Lösung wird den Arbeitgebern nicht gefallen.

Homeoffice: Länger arbeiten, weniger Ergebnis

Mit diesem Cliffhanger zunächst ein Rückblick. Zweimal schrieb ich hier im Blog über Homeoffice und New Work. Im August 2020, rund ein halbes Jahr in der Pandemie, stellte ich in meinem Blog Thesen über die Folgen der Heimarbeit auf. Der Artikel sammelte über 400 Kommentare ein und ist der meistgelesene in 18-jährigen Existenz von Indiskretion Ehrensache. 

Rund ein Jahr später zeigten erste Studien, das ich nicht so ganz falsch lag. Inzwischen wird das Bild noch klarer. Was da so passiert, beschrieb der „Economist“ in diesem Sommer: 

„Ein guter Ausgangspunkt ist ein Arbeitspapier, das viel Aufmerksamkeit erregte, als es 2020 von Natalia Emanuel und Emma Harrington, damals beide Doktoranden an der Harvard University, veröffentlicht wurde. Sie stellten eine 8%ige Steigerung der pro Stunde bearbeiteter Anrufe von Mitarbeitern eines Online-Händlers fest, der von Büros auf Heimarbeit umgestellt hatte. Weit weniger beachtet wurde eine überarbeitete Version ihres Papiers, die im Mai von der Federal Reserve Bank of New York veröffentlicht wurde. Der Effizienzgewinn hatte sich stattdessen in einen Rückgang um 4% verwandelt.

David Atkin und Antoinette Schoar, beide vom Massachusetts Institute of Technology, und Sumit Shinde von der University of California Los Angeles, beauftragten zufällig ausgewählte Datentypisten in Indien entweder von daheim oder aus dem Büro zu arbeiten. Diejenigen, die zu Hause arbeiteten, waren 18% weniger produktiv als ihre Kollegen im Büro. Michael Gibbs von der University of Chicago und Friederike Mengel sowie Christoph Siemroth, beide von der University of Essex, stellten einen Produktivitätsrückgang im Vergleich zur vorherigen Leistung im Büro von bis zu 19% bei den Tele-Arbeitern eines großen asiatischen IT-Unternehmens fest.

Eine weitere Studie ergab, dass selbst Schachprofis in Online-Partien schlechter spielen als in persönlichen Duellen. Eine weitere Studie zeigte in einem Laborexperiment, dass Videokonferenzen kreatives Denken hemmen.“

Aber es geht ja noch weiter. Denn diese Ineffizienz wird auch mit quantitativ mehr Arbeitszeit erkauft, behauptet Julian Kirchherr, Partner bei McKinsey, im Interview mit dem „Focus“:

„Wenn man die reine Stundenzahl betrachtet, ist es tendenziell so, dass im Homeoffice mehr gearbeitet wird. Der Grund dafür ist aus meiner Sicht die geringere Trennung zwischen Arbeit und Freizeit: Menschen machen mal etwas länger Mittagspause oder gehen mit dem Hund eine Runde um den Block. Dadurch wird am Ende des Tages etwas mehr gearbeitet. Allerdings sind Menschen dadurch nicht unbedingt auch produktiver.“

Dies alles widerspricht der Selbstwahrnehmung der Menschen. Doch die gefühlte Effizienz steht eben nicht immer im Einklang mit der tatsächlichen. Ein Beispiel: Während die mentalen Gesundheitsprobleme aufgrund von Arbeitsbelastung zunehmen, ergeben Befragungen, dass fast niemand glaubt, Probleme dieser Art zu haben. Erst wenn die Krankheit durchbricht, scheint sich die Sichtweise zu ändern.In den Debatten hier im Blog war auch zu beobachten, dass einige Gruppen besonders vehement Homeoffice einforderten: Jene, die keine Aufstiegschancen sahen und/oder jene, die nichts mit ihren KollegInnen zu tun haben wollten.

Foto: Midjourney
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Homeoffice: ein Problem für Frauen

Auch beim Thema Zusammenarbeit sagen die Studien laut „Economist“ wenig Schönes über Homeoffice aus:

„In einer im April veröffentlichten Studie über Programmierer stellten Dr. Emanuel und Dr. Harrington, zusammen mit Amanda Pallais, ebenfalls aus Harvard, fest, dass der Feedbackaustausch zwischen Kollegen nach dem Wechsel zur Tele-Arbeit stark zurückgegangen ist. Dr. Atkin, Dr. Schoar und Dr. Shinde dokumentierten einen relativen Rückgang des Lernens bei den zu Hause arbeitenden Mitarbeitern. Diejenigen in Büros erwarben Fähigkeiten schneller.“

Zu Beginn der Pandemie beschäftigten sich viele auch mit der Frage, wie sich Homeoffice auf das Thema Gleichstellung auswirken würde. Die „New York Times“ analysierte im Oktober das Thema und listete ambivalente Ergebnisse auf:

Während einige berufstätige Frauen, insbesondere Mütter, durch Remote-Arbeit Vorteile haben können, erleben Frauen größere Nachteile, wenn sie dies nutzen. In einer Studie mit Ingenieuren eines Fortune-500-Unternehmens hatte Home Office negative Auswirkungen auf das Ausmaß des Feedbacks, das Junior-Mitarbeiter zu ihrer Arbeit erhielten – mit ausgeprägteren Folgen für Frauen.

„Die Nähe hat einen größeren Einfluss darauf, ob Frauen sich trauen, Nachfragen zu stellen“, sagte Emma Harrington, eine Ökonomin an der University of Virginia, die sowohl die Studie über die Auswirkungen von Home Office auf Feedback als auch die Studie zur Erwerbsbeteiligung von Müttern durchführte.Männer schienen sich wohler zu fühlen, klärende Fragen zu stellen, auch wenn sie nicht physisch in der Nähe von Kollegen waren.Frauen erleben auch mehr ungerechtfertigte Fragen über ihre Produktivität, egal wo sie arbeiten. In einer Reihe von Studien mit mehr als 2000 Teilnehmern fanden Forscher in Wisconsin und Kanada heraus, dass sowohl Männer als auch Frauen eher Frauen als Männer verdächtigten, die Arbeit zu vernachlässigen. Einige dieser Mitarbeiter arbeiteten von zu Hause, andere nicht.Wenn Studienteilnehmer durch Videoaufnahmen sahen, dass eine weibliche Person nicht an ihrem Schreibtisch war, wurde dies 47 Prozent der Zeit etwas Nichtarbeitsbezogenem zugeschrieben; bei Männern wurde dies nur 34 Prozent der Zeit auf nicht-arbeitsbezogene Aktivitäten zurückgeführt.“

Homeoffice schadet der physischen wie der mentalen Gesundheit

Überhaupt: Nachteile.

Als ich prognostizierte, dass Arbeit von daheim der Karriere schade, gab es viel Gegenwind. Nun sehen das auch andere so, auch wenn ich aktuell noch keine Studie dazu finden kann. McKinsey-Partner Kirchherr meint:

„Wenn ich von zu Hause arbeite, kann ich nicht so gut eine Bindung aufbauen zu Vorgesetzten oder Kolleginnen und Kollegen. Ich bin schlichtweg nicht so präsent. Deswegen kann es mit der Beförderung ein wenig länger dauern.“

Auch der Gesundheit schadet Homeoffice.

So hat sich die University of Europe for Applied Sciences Studien zum Thema angeschaut und kommt zum Ergebnis: „Die körperliche Inaktivität, sowie das häufige Sitzen und Stehen während der Arbeit, resultieren bei über einem Drittel der Personen in Rückenschmerzen, Angstzuständen und einem erhöhten Level an Stress."

Die Society for Human Resource Management schreibt:

„Vollständige Remote- (40 Prozent) und Hybridarbeit (38 Prozent) sind im Vergleich zu Präsenzarbeit (35 Prozent) mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Angst- und Depressionssymptome verbunden, so eine Analyse des Integrated Benefits Institute (IBI), einer gemeinnützigen Forschungsorganisation mit Sitz in Oakland, Kalifornien. Für ihren Bericht analysierte das IBI Daten aus der Household Pulse Survey, einer Online-Ressource des US Census Bureau, um zu ermitteln, wie Haushalte von der Pandemie betroffen waren. Das IBI arbeitete mit Elevance Health (früher Anthem) zusammen, um Daten zu psychischen Gesundheitsansprüchen zu analysieren.

Obwohl es keinen massiven Unterschied in der Wahrscheinlichkeit von Depressionen und Angstzuständen zwischen Präsenz- und Remote-Arbeitern gibt, ist es ein wichtiger Unterschied, auf den Arbeitgeber achten sollten, so die Forscher.

„Die Unterschiede in der Prävalenz von Angst- und Depressionssymptomen zwischen hybrider, remote und vor Ort basierter Arbeit sind statistisch signifikant. Unsere Forschung zeigt, dass Remote-Arbeit nicht für jeden Mitarbeiter die ideale Lösung sein könnte“, sagte Candace Nelson, Forschungsdirektorin bei IBI, und fügte hinzu, dass weitere Untersuchungen zu diesem Thema nötig sind.

Die Analyse des IBI ist nicht die einzige Forschung, die mehr psychische Gesundheitsprobleme in Verbindung mit Remote- und Hybridarbeit gefunden hat: Eine Mehrheit der Führungskräfte (64 Prozent) sagte, dass Remote-Arbeit die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter im Jahr 2022 negativ beeinflusste, gegenüber 55 Prozent im Vorjahr, laut einer Umfrage im Oktober von RSM US, einem Dienstleistungsunternehmen, und der US-Handelskammer. Dreiundsiebzig Prozent der Führungskräfte sagten, dass sich die Mitarbeiter isoliert fühlten, ein Anstieg von 68 Prozent im Jahr 2021.“

Foto: Midjourney
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Die Lösung: Zurück in die Vergangenheit

Und was könnte man nun tun?

Die Antwort erscheint mir simpel, wenn man sich eine weitere Frage stellt: Wie viele Menschen haben in der Geschichte der Wirtschaft bei der Ankündigung, dass ihr Arbeitgeber Großraumbüros einführt gejubelt, die Faust wie Boris B. geballt und ein „YES!“ hinausgezischt?

Diese Zahl liegt sehr exakt bei:

Null.

Nottig.

Nada.

Nicht eine Sau.

Großraumbüros wurden unter dem Vorwand eingeführt, dass sie die Kooperation förderten. Tatsächlich aber dienten sie vor allem dem Ziel, die Immobilienkosten zu senken – weniger Wände, mehr Platz für Schreibtische.

Kaum eine Stellenbezeichnung aber erfordert so viel Zusammenarbeit, dass diese Umstellung damit  zu rechtfertigen wäre. Weshalb sich eine ganze Industrie darum entwickelt, Großraumbüros weniger großraumbüroig zu gestalten – Aufstellwände, Schallschlucksegel, Rückzugsräume. Absurd.

Doch es kam noch schlimmer, denn die nächste Stufe lautete „Hot Desking“. Nachdem Arbeitnehmer ihren Chefs nicht mal mehr eine Wand wert waren, ist jetzt auch ein Schreibtisch zu viel verlangt. Am Abend werden die Arbeitsmaterialien wahlweise in einen Rollcontainer oder ein Schließfach gepackt – am nächsten Tag sitzt man woanders.

Das Hot Desking steht im Widerspruch zu menschlichen Bedürfnissen, wie der „Economist“ jüngst analyiserte. So stecke in uns zum Beispiel das Bedürfnis nach einem eigenen Territorium:

„Personalisiertes Territorium scheint mit einem Zugehörigkeitsgefühl zusammenzuhängen. Eine Studie aus den 1970er Jahren untersuchte die Beständigkeit von Erstsemester-Studierenden, die Wohnheimzimmer teilten. Personen, die das akademische Jahr überstanden, hatten doppelt so viel Platz über ihren Betten mit persönlichen Dekorationen bedeckt als diejenigen, die das Studium abbrachen. Auch im Büro beanspruchen Mitarbeiter Territorium mit allem Möglichen, von Fotografien und Akten bis hin zu Krümeln und zerknüllten Taschentüchern.“

Das kann jeder beobachten, der mit offenen Augen durch ein Unternehmen geht: Überall entstehen kleine Altäre der Marken für die Menschen tätig sind, egal ob in der Marketingabteilung oder im Glaskasten an der Laderampe.

Dieser Wunsch nach Beständigkeit und Territorium ist so stark, dass Menschen trickreich werden, um das System zu ihren Gunsten zu manipulieren. So berichtete mir im Umfeld meiner vorhergehenden Blog-Artikel zum Thema die Mitarbeiterin eines Großkonzerns dieses: In ihrer Firma könne man per App immer um Mitternacht Büroplätze für den Tag buchen – denn es sind nicht genug für alle da. Man könne aber mehrere Personen in dieser App anmelden, weshalb ein Team-Mitglied immer die Aufgabe hat, in der Nacht die anderen anzumelden, damit sie beisammen sitzen.

Da bin ich auch nicht verwundert, dass Unternehmen über eine sinkende Loyalität klagen: Wenn mein Arbeitgeber für mich nicht mal einen Schreibtisch kauft, dann helfen auch die besten „Employee Appreciation Days“ nichts.

So entfernen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Unternehmen einerseits und von ihren Kolleginnen und Kollegen andererseits. Denn je höher der Anteil von Homeoffice-Tagen, desto unwahrscheinlicher ist es, eine bestimmte Person zu treffen. Was die Situation verändern könnte?

Die Rückkehr zu Einzel- oder Doppelbüros.

Sie vereinen den Wunsch, ruhig und ohne orthopädisch fragwürdige Sitzmöbel arbeiten zu können mit der Option, unkompliziert mit Kolleginnen und Kollegen zu kommunizieren und zu kooperieren. Sie schaffen ein persönliches Territorium und sind doch Teil des großen Ganzen.

Aus Arbeitgebersicht ermöglichen sie eine unkomplizierte Zusammenarbeit und machen es Vorgesetzten möglich, sich einen Eindruck davon zu schaffen, wie ihre Leute ticken.Allein: Zumindest kurzfristig ist dieser Weg zurück für einen großen Teil der Unternehmen nicht möglich. Denn längst haben sie umgebaut, Flächen entmietet, ja, sogar Bauprojekte gestoppt. Mittelfristig könnten die sinkenden Mieten für Gewerbeimmobilien jene bevorzugen, die schnell handeln.

Deshalb glaube ich, dass wir beginnend mit dem Jahr 2024 in eine Art Kampf um die Arbeit der Zukunft laufen werden. Das Unverständnis der Vorgesetzten wird steigen, die Unzufriedenheit der Mitarbeitenden wird ebenfalls und internationale Konzerne werden sich jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen, die anders denken – und ich vermute, die werden oft genug eher aus Osteuropa oder Asien kommen, wo eine andere Arbeitskultur gepflegt wird.

Hinweis: Die verwendeten englischen Quellen wurden mit ChatGPT übersetzt und von mir nachkorrigiert. Die Bilder wurden mit Midjourney erzeugt. 

Thomas Knüwer schreibt über Marketing & Werbung, Wirtschaft & Management, Konsumgüter & Handel, Tourismus

Gründer der Digitalberatung kpunktnull Marketing- & Medien-Blogger auf Indiskretion Ehrensache Food-Podcaster bei Völlerei & Leberschmerz Mitgründer und -ausrichter des Influencer-Preises Die Goldenen Blogger Ex-Handelsblatt-Journalist und Gründungschefredakteur der deutschen Wired

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