Wie ich als Kanalratte Köln ein bisschen sauberer gemacht habe: Mein Tag im Untergrund
Trotz Güllemief und Dunkelheit: 150 Meter Kanal mussten gereinigt werden. Wie sich Ex-Radprofi Rick Zabel unter den Straßen Kölns geschlagen hat.
Ich dachte, ich hätte auf dem Rad schon alles erlebt: Kopfsteinpflasterklassiker, Bergetappen mit 15 Prozent Steigung, heftigste Muskelkrämpfe, krasse Wind- und Wetterverhältnisse. Aber nichts – wirklich nichts – hat mich auf das vorbereitet, was mich an diesem Morgen erwartete. Kein Carbonrahmen, kein Adrenalin vor dem Start. Stattdessen: Schutzhelm, Gummistiefel, Warnweste und ein Blick in einen dunklen Gully, der wirkte wie das Tor in eine andere Welt. Willkommen im Leben eines Kanalreinigers.
Abgetaucht in den neuen Job
Seit meinem Karriereende bin ich auf der Suche nach neuen Perspektiven – auch abseits der gewohnten Spur. In der neuesten Folge von „Rick needs a Job“ durfte ich mit einem Kanalreinigungsteam in Köln in die Tiefe abtauchen. Und wer hätte gedacht, dass ich mal knietief in der Schei… stecken würde?
Als ich bei XING testweise in die KI- Jobsuche schrieb: „Ich suche etwas mit körperlichem Einsatz, Teamarbeit – und echtem Impact“, wurde als Suchergebnis angezeigt: Kanalreiniger. Erst war ich kurz stutzig. War jetzt nicht das Erste, was mir in den Sinn gekommen wäre. Dann bin ich neugierig geworden. Dann: Reinsteigen – im wahrsten Sinne.
Unter der Stadt – über dem Limit
Ich wusste, dass das kein Spaziergang wird. Aber ich hatte wirklich keine Vorstellung davon, was da unter unseren Füßen los ist. Wir reden hier von kilometerlangen Tunneln, von Rohren, in denen man kriechen muss, von Kameras, die in schwarze Schächte blicken wie Mini-U-Boote. Und von einem Geruch, der dich nicht einfach begleitet – sondern sich auf dich legt wie ein zweites Trikot. Nur eben aus Klärgas und Fäulnis.
Irgendwann blendest du das aus. Weil du begreifst, was für eine unfassbare Logistik dahintersteckt – und wie viel Präzision, Technik und Einsatz dafür sorgen, dass der Alltag von Millionen Menschen oben überhaupt funktioniert.
Muskelkraft trifft Maschinen
Ich war mit einem eingespielten Team von drei Kanalreinigern unterwegs. Ihr Ziel: 150 Meter Kanal pro Tag reinigen – mit Hochdruck, Saugtechnik, Kamerawagen und viel Know-how. Anhalten, Klappe auf, Problem erkennen, lösen, weiterfahren. Alles im Fluss, wie ein Mannschaftszeitfahren unter der Erde.
Denn dort unten ist jeder Handgriff entscheidend. Es ist eng, rutschig, dunkel – und manchmal auch gefährlich. „Manchmal liegen Ablagerungen oder Feststoffe im Kanal, gegen die man stößt“, erzählt einer der Kanalreiniger. „Dann verliert man schnell mal das Gleichgewicht und kommt dem Wasser bedenklich nahe. Aber wir sind gut ausgestattet – wir können uns umziehen und auch duschen.“ Kein Platz für Eitelkeit, kein Raum für Leichtsinn. Nur volle Konzentration, Respekt vor dem Job – und ein Humor, der selbst im Kanal nicht untergeht.
Der Moment, der mich wirklich erwischt hat
Was mich überrascht und auch ein wenig demütig gemacht hat, war nicht der Gestank. Sondern die Klarheit und die Begeisterung, mit der meine Kollegen über ihren Job sprechen. Keine falsche Bescheidenheit, kein Heldentum. Einfach: Wir sorgen dafür, dass der Rest der Stadt funktioniert. Ohne uns läuft hier nichts – und das im wahrsten Sinne.
Beruf mit Tiefgang
In Deutschland gibt’s über 540.000 Kilometer Kanalnetz – 13-mal um die Erde. Allein in Köln sind es rund 2400 Kilometer.
In den Rohren landen jährlich Tonnen von Feuchttüchern, Öl, Müll und sogar Spielzeug.
Moderne Kanalreinigung setzt auf Robotertechnik, Kamerasysteme und Hochdruckreinigung – aber die harte Arbeit übernimmt nach wie vor der Mensch.
Der Job erfordert eine dreijährige Ausbildung als Fachkraft für Rohr-, Kanal- und Industrieservice – und einen stabilen Magen.
Das Durchschnittsgehalt eines Kanalreinigers beträgt durchschnittlich 39.100 Euro brutto pro Jahr.
Mein Fazit: Zwei Welten- ein gemeinsamer Nenner
Dieser Tag hat mich beeindruckt und fasziniert. Ich habe geschwitzt, gezweifelt und gestaunt. Abends bin erschöpft heimgekommen und habe geduscht wie selten zuvor in meinem Leben.
Kanalreiniger und Radprofi? - Zwei komplett unterschiedliche Welten, und doch verbindet sie mehr, als man auf den ersten Blick denkt. Beide Berufe erfordern Teamgeist, Einsatz, Durchhaltevermögen und einen klaren Kopf in schwierigen Momenten. Während der eine Job überirdisch gefeiert wird, bleibt man als Kanalreiniger ein unterirdischer stiller Held – ohne Anerkennung der Gesellschaft, aber mit enormem Nutzen für sie.
Ich bin dankbar für diesen Perspektivwechsel, und ich ziehe den Schutzhelm vor jedem, der diesen Job täglich macht. Denn eins ist klar: Ohne sie läuft hier mal gar nichts.