Wie kommen Überflieger wieder auf den Boden?
Wer schnell aufsteigt, ist meist besonders überzeugt von sich – und schadet damit dem Unternehmen. Doch es geht auch anders.
Es gab da diesen Kollegen, den sie bewunderte. „Bis heute“, sagt Katja Tavernaro, „kenne ich niemanden, der Zahlen ähnlich schnell analysieren kann: Oft reichte ihm ein einziger Blick auf Tabellen oder Angebotslisten, und sofort entdeckte er Fehler oder Vorteile – fast intuitiv.“ Das war die eine Seite. Die faszinierende. Irgendwann lernte die Managerin die andere Seite kennen. Die abschreckende: Sie war dabei, als der Kollege unterlegene Verhandlungspartner rüde anging. Wie er Mitarbeiter lautstark an die Wand redete oder Kritiker vor versammelter Mannschaft bloßstellte. „Ihm fehlte jegliches Gespür dafür, wie unangemessen sein Verhalten war“, erinnert sich Tavernaro, die heute, viele Jahre später, für das Schweizer Solarunternehmen Meyer Burger das Geschäft in Deutschland verantwortet. „Dadurch weiß ich: So wie er will ich niemals auftreten!“
Fachlich genial, aber menschlich daneben: Diesen Eindruck hinterlassen erfolgsverwöhnte Manager und Managerinnen immer wieder. Sich selbst setzen diese Shootingstars geschickt in Szene, mit anderen aber agieren sie oft ungelenk: Von ihren Mitarbeitern etwa fordern sie Höchstleistungen, Lob dagegen teilen sie nur äußerst ungern. Auch eigene Fehler gestehen sie selten ein, weisen aber penibel auf Patzer anderer hin. Zur Imagepflege beim Vorgesetzten nehmen sie sich viel Zeit, während ihr Team sie nur noch selten sieht. Gerade junge Führungskräfte wirken dann oft kalt auf ihre Umwelt, bisweilen sogar arrogant.
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Großes Ego, großes Risiko
Und die Überflieger belasten nicht nur ihr Team, wie psychologische Studien gezeigt haben: Chefs, die sich erst einmal auf der Erfolgsspur wähnen, neigen auch zu Fehlentscheidungen. So können sie ganze Unternehmen gefährden. Untersuchungen aus den USA ergeben zum Beispiel, dass Manager mit übergroßem Ego besonders häufig riskante Fusionen eingehen und eher bereit sind, unsichere Investitionen zu tätigen – immer im Glauben, es besser zu wissen als alle anderen.
Diese Überzeugung birgt sogar für die Jungstars selbst Gefahren, warnt Melissa Schütz, Psychologin an der Universität Bamberg: „Einige entwickeln einen immensen inneren Leistungsdruck: Sie wollen stets Bestleistungen abliefern. Geht dann doch einmal etwas schief, kratzt das stark an ihrem Selbstbewusstsein.“ Menschen, die sich selbst überschätzen, haben deshalb ein erhöhtes Risiko für Depressionen, so die Expertin. Andere Aufsteiger wiederum entwickeln sich nicht mehr weiter, sobald sie wichtige Anfangserfolge verbucht haben. Überzeugt, dass sie schlichtweg perfekt seien, sind diese Jungmanager taub für jede Form von Kritik – und sei sie noch so konstruktiv.
Doch dieser Strebereffekt lässt sich abmildern – wenn Führungskräfte die Mechanismen kennen, die ihn auslösen. Denn ein gesundes Selbstbewusstsein im Beruf sei ja an sich nichts Schlechtes, betont Schütz. Im Gegenteil: „Wem wäre denn mit Vorgesetzten geholfen, die ständig mit den eigenen Entscheidungen hadern?“ Sogar eine Prise Größenwahn tut Führungskräften bisweilen gut: Im entscheidenden Moment verleiht er den Mut zu gewagten Projekten oder innovativen Lösungen.
Andrea Niggli etwa tritt bei Bedarf gerne etwas breitbeiniger auf. „In manchen Verhandlungen mit Geschäftspartnern wirke ich vielleicht sogar arrogant, etwa um unangemessene Forderungen gleich abzuwehren“, so der CEO von Thomann Nutzfahrzeuge, einem Familienunternehmen in der Schweiz, das Lastwagen, Busse und Transporter verkauft, umbaut und wartet. Für seine 200 Mitarbeiter aber will Niggli nahbar bleiben – auch als Chef. Ein oder zwei Mal im Jahr übernimmt er deshalb immer noch Touren im Lkw. Und wenn das Geschäft Hochkonjunktur hat, bei Thomann typischerweise zwischen Weihnachten und Neujahr, hilft der Top-Manager auch in der Werkstatt.
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