Wie lange hält der Akku im Elektroauto?

Die einen sagen, viele 100.000 Kilometer, die anderen, nach kaum 100.000 Kilometern ist er Schrott und muss als giftiger Sondermüll entsorgt werden. Was ist wahr?

Vor genau drei Jahren habe ich in einem Video und Podcast folgende Frage beantwortet: Werden sich Elektroautos durchsetzen? Sind sie die Zukunft? Ja oder Nein? Meine Antwort war damals, dass in Europa um 2030 herum mehr als 80% der neu verkauften PKW batterieelektrisch sein werden. So wie es übrigens in Norwegen heute schon mit fast 82% Elektroauto-Anteil der Fall ist. Über drei Jahre hinweg gab es unter diesem Video so dermaßen viele Kommentare von schlicht falsch informierten und ignoranten Leuten, dass es mich wirklich erschreckt hat. Wer besonders wenig wusste, war besonders aggressiv. Eine der falschen Annahmen dieser Leute war, und ist leider auch heute noch, dass der Akku eines Elektroautos kaum 100.000 km hält und dann als giftiger Schrott auf die Deponie muss.

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Warum sind Akkus wichtig für unsere Zukunft?

Die Lebensdauer von Akkus ist aus vier Gründe wichtig für unsere Zukunft.

  1. Weil Batterien für eine gute Zukunft mit regenerativer sauberer Energie ein entscheidender Faktor sind. Ohne enorm viel Speicherkapazität wird es nichts mit Solar und Wind.

  2. Weil Verkehr einer der größten Energieverbraucher ist.

  3. Weil Mobilität als eine der wichtigsten Branchen Millionen von Menschen beschäftigt und die Zukunft dieser Jobs vom Gelingen der Elektromobilität abhängt.

  4. Weil wir für eine nachhaltige und umweltneutrale Wirtschaft nicht nur die Mobilität, sondern fast alle Bereiche elektrifizieren müssen. Also weg von Öl, Gas und Kohle.

Alleine durch Elektrifizierung würden wir auf der Erde, durch höhere Wirkungsgrade, 56% weniger Energie brauchen, sagt die Stanford-University in einer sehr umfassenden wie detaillierten Studie. Und das ist keine Träumerei. Es ist mit existierenden Mitteln, Technologien und Ressourcen möglich.

Was sagt die Wissenschaft und Praxis?

Schauen wir uns die Realität anhand wissenschaftlich ermittelter Daten an. Lithium-Akkus gibt es im Wesentlichen mit zwei verschiedenen Zell-Chemien. NMC und LFP.

NMC-AKKUS

NMC sind die älteren Lithium-Ionen-Akkus mit Lithium, Nickel, Mangan und Kobalt. Das Tesla Model S war 2012 das erste Serienauto mit höheren Verkaufszahlen, das mit NMC-Akkus betrieben wurde. NMC-Akkus haben eine höhere Energiedichte als LFP-Akkus und sie können schneller mehr Energie abrufen. Hier ist eine Übersicht mit Realwelt-Daten. Jeder Punkt zeigt die so genannte Degradation der Batterie, abhängig von den gefahrenen Kilometern. Degradation bedeutet, dass ein Akku im Laufe seines Lebens durch Abnutzung an Speicherkapazität verliert. Erst schneller und dann aber immer langsamer. (Quelle)

Degradation des Akkus eines (älteren) Tesla Model S nach Kilometern (Quelle)
Degradation des Akkus eines (älteren) Tesla Model S nach Kilometern (Quelle)

Der Richtwert in der Praxis ist, dass ein Akku noch 70 bis 80% seiner Kapazität haben muss, um in einem Fahrzeug eingesetzt werden zu können. Das Ergebnis ist hier, und das sind reale Daten von realen Autos, dass der Akku eines Tesla Model S, sogar in den älteren Ausführungen, nach 250.000 Kilometern immer noch über 90% seiner Kapazität hat.

Hier in einer neueren Darstellung stehen auf der X-Achse 200.000 Meilen, also gut 320.000 Kilometer (Quelle). Und es sind immer noch 88%. 320.000 Kilometer, so lange leben die meisten Fahrzeuge gar nicht.

Degradation des Akkus eines (neueren) Tesla Model S (Quelle)
Degradation des Akkus eines (neueren) Tesla Model S (Quelle)

LFP-AKKUS

LFP sind die neueren Lithium-Akkus mit Lithium, Eisen und Phosphat. Die Zukunft für die Masse der Elektrofahrzeuge werden solche LFP-Akkus sein. Zum einen, weil sie billiger sind, denn sie enthalten weder Nickel noch Kobalt. Man sie problemlos auch auf 100% laden kann. Sie sind im Winter weniger empfindlich sind, und weil sie eine noch geringere Brandgefahr haben. Fußnote: Nach letzten Forschungsergebnissen brennen Verbrenner rund 19mal häufiger als Elektroautos (Quelle). Der einzige Nachteil der LFP-Akkus ist die etwas geringere Energiedichte im Vergleich zu NMC-Akkus. Hier interessiert uns vor allem die Tatsache, dass LFP-Akkus noch viel länger halten als NMC-Akkus. Und wie lange halten LFP-Akkus nun? Dazu gibt es viele wissenschaftliche Studien von verschiedenen Autoren-Teams. Beispielsweise diese (Quelle)

Degradation in Abhängigkeit von der Zahl an Ladezyklen und der Temperatur (Quelle)
Degradation in Abhängigkeit von der Zahl an Ladezyklen und der Temperatur (Quelle)

Wenn man bei durchschnittlich 25 Grad lädt und fährt, hat der Akku nach 3.000 Ladezyklen noch 93% seiner Kapazität. Bei 15 Grad, was eher im europäischen Durchschnitt liegt, sind es rund 95%. Mit 90% sind wir auf der sicheren Seite. Zur Bedeutung der Ladezyklen kommen wir noch. Nächste Studie. Hier werden die Ladezyklen in Abhängigkeit davon gezeigt, wie stark man den Akku aufladen muss. DoD, Depth of Discharge, Tiefe der Entladung. Ergebnis: Lädt man pro Ladung den Akku um 50% auf, die blaue Linie, hat er bei 3.000 Ladezyklen noch 90%. Lädt man häufiger und deshalb nur 30% auf, hat der Akku selbst nach 5.000 Ladezyklen noch 90%. Dass man immer von 0 auf 100% lädt, kommt in der Praxis aus naheliegenden Gründen nicht vor. Dass man immer 80% auflädt, kommt nur bei extremen Vielfahrern vor. Aber selbst dann hat der Akku nach 3.000 Ladezyklen noch rund 83% seiner Kapazität (Quelle).

Degradation in Abhängigkeit von der Zahl an Ladezyklen und der Entladungstiefe (Quelle)
Degradation in Abhängigkeit von der Zahl an Ladezyklen und der Entladungstiefe (Quelle)

Die nächste Studie kommt zu leicht anderen Ergebnissen (Quelle). Aber es bleibt dabei, dass im Regelbetrieb, ein Akku nach 3.000 Zyklen noch rund 90% seiner Kapazität hat.

Degradation in Abhängigkeit von der Zahl an Ladezyklen und Entladungstiefe (Quelle)
Degradation in Abhängigkeit von der Zahl an Ladezyklen und Entladungstiefe (Quelle)

Ergebnis: Wie viele Kilometer hält ein Akku?

Ein Ladezyklus ist eine volle Ladung und Entladung des Akkus. Nehmen wir eine heute eher niedrige Reichweite von realen 400 km. Europäer fahren im Durchschnitt 38 km am Tag. Man muss also jeden Tag rund 10% hinzuladen. Das zählt dann als 0,1 Ladezyklen. Wenn der Akku eine Reichweite von 400 km hat, muss man 400 km mit 3.000 multiplizieren. Damit kommt man auf die unglaubliche Zahl von 1,2 Millionen Kilometern. Wenn man gleich eine zehnprozentige Degradation annimmt, sind es 1,08 Mio. Kilometer. Dann hat der Akku immer noch 90% seiner ursprünglichen Kapazität. Führt man die Ergebnisse dieser Studien fort, ist man in der Regel selbst nach 5.000 Zyklen noch bei 80%. Das wären dann mindestens 1,8 Mio. Kilometer. Und damit nicht genug: Der aktuelle Stand der Wissenschaft ist, dass ein LFP-Akku bis zu 10.000 Ladezyklen vertragen kann (Quelle). Das wären bei einer mittleren Degradation von 10% sage und schreibe 3,6 Mio. Kilometer. Und danach kann der Akku mit 70-80% seiner Kapazität noch viele Jahre als stationärer Speicher im Haushalt, Betrieb oder im Stromnetz dienen.

LMFP-Akkus

LFP-Akkus gewinnen immer mehr Marktanteil. Und schon ist die nächste Generation an Zell-Chemie auf dem Markt. So genannte LMFP-Akkus, die zum Lithium, Eisen und Phosphat noch etwas Mangan enthalten. Die LFP-Akkus sind schon sehr überzeugend. Aber LMFP wird nochmal einen Leistungssprung schaffen. Sie werden noch länger halten. Man kann sie noch schneller laden. Und sie werden eine höhere Energiedichte haben, so dass die Reichweiten steigen.

Gotion High Tech aus China ist gerade dabei, einen Akku mit 1.000 km Reichweite auf den Markt zu bringen. Ziehen wir wegen dem sehr optimistischen Chinesischen Standard 20% ab, sind es immer noch 800 km. Und der Akku wird dafür nicht riesig sein müssen. Auch CATL und einige kleinere europäische Unternehmen produzieren schon LMFP Akkus. Wir werden also gar nicht unbedingt die lang ersehnten Feststoff-Akkus brauchen, um schneller zu laden und weiter zu fahren.

Warum hält ein Akku im Elektroauto länger als ein Handy-Akku?

Die ganz schlauen Kommentatoren unter meinem Video aus 2020 schrieben, dass sie es ja bei ihrem Smartphone sehen, dass der Akku nach drei vier Jahren praktisch unbrauchbar ist. Was diese Möchtegern-Experten nicht berücksichtigen, ist, dass

  1. Ein Akku im Elektroauto von einem BMS, einem Batteriemanagementsystem überwacht wird. Die Zellen werden immer auf einer gesunden Temperatur gehalten, also je nach Bedarf erwärmt und gekühlt. Das erhöht die Lebensdauer enorm.

  2. Smartphones werden in der Regel täglich vollständig geladen, was die Akkus stark altern lässt. Bei Elektroautos mit NMC lädt man meist nur bis 80%. LFP-Akkus kann man ohne Nachteile immer auf 100% laden.

  3. Mittlerweile sind die Zell-Chemien in Elektroauto-Akkus deutlich weiter entwickelt als die in Smartphones oder Laptops.

Wofür brauchen wir so langlebige Akkus?

Eine oder zwei Millionen Kilometer, das braucht doch kein Mensch! Doch. Erstens werden wir in einigen Jahren überall selbstfahrende Fahrzeuge haben, wie sie gerade in den USA für San Francisco fast uneingeschränkt zugelassen wurden.

Diese Robotaxis fahren nicht nur ein bis zwei Stunden am Tag, wie unsere heutigen Fahrzeuge (damit eigentlich mehr "Stehzeuge"), sondern 10 bis 15 Stunden pro Tag. Sie werden 300.000 km pro Jahr fahren. Dafür brauchen wir Akkus mit 5.000 und mehr Ladezyklen, die dann nach zehn Jahren ausgebaut und als stationäre Akkus weiter genutzt werden können. Und noch eine zweite Anwendung gibt es. Wenn in Zukunft die meisten Haushalte oder eben die meisten Robotaxi-Flotten elektrische Fahrzeuge haben, können wir deren Akkus als Vehicle to Grid und Vehicle to Home Speicher nutzen. Ist mehr und billigerer Strom verfügbar, nimmt der Auto-Akku Strom auf und wenn weniger und teurerer Strom verfügbar ist, versorgt der Akku den Haushalt.

Das Résumé

Es ist ein Mythos, dass Akkus in Elektrofahrzeugen nach kaum 100.000 km giftiger Schrott für die Deponie ist. Sie halten, wissenschaftlich und praktisch belegt, viele hunderttausend Kilometer. LFP Akkus sogar weit mehr als eine Million Kilometer. Und Giftmüll sind sie dann auch nicht. Sie werden recycled, weil auch nach Jahrzehnten alle Rohstoffe noch im Akku vorhanden sind und wiederverwendet werden können. Die Recycling-Quote liegt bei über 96% und die Recycling-Kapazitäten werden weltweit ausgebaut. Dass es noch wenig an Autobatterien zu recyclen ist, liegt eben daran, dass sie so lange halten. Vor drei Jahren dachte ich, dass mein Beitrag zu Elektroautos eigentlich gar nicht nötig ist, weil es ja offensichtlich ist. Aber selbst heute und wohl auch noch in ein paar Jahren gibt es erstaunlich viele Menschen, die massenweise Opfer von Falschinformationen über Elektromobilität geworden sind. Das Schlimme ist, dass die Fehlgeleiteten auch weiterhin alle Studien und die Praxis ignorieren werden und überzeugt bleiben werden, dass Autoren wie ich bewusst und absichtlich Lügen verbreiten. Und dass wir von den Grünen bezahlt werden. Oder von einer ominösen "Elektrolobby", was auch immer das sein soll.

Was haben diese Menschen eigentlich für ein trauriges Weltbild? Nein, liebe Verschwörungsideologen. Für die Verbreitung gesicherter technischer Fakten muss man niemanden bezahlen. Und: Die Chinesen sind es, die die Elektromobilität in unglaublicher Konsequenz und Geschwindigkeit ausbauen. Und in China gibt es keine Grünen! Die deutsche und europäische Wirtschaft ist extrem abhängig vom Erfolg ihrer Automobilindustrie. Das sind nicht nur die bekannten Markenhersteller, sondern vor allem tausende Zulieferer. Und an jedem Arbeitsplatz in der Automobilindustrie hängen viele weitere Arbeitsplätze in anderen Branchen und ganze Familien und Regionen. Die Bedeutung der Akkutechnologie hat unsere Automobilbranche lange nicht verstanden und ignoriert. Der Vorsprung der Konkurrenz aus China und von Tesla ist deshalb kaum mehr einholbar. Dafür sind die Konkurrenten zu schnell. Um sie einzuholen, müssten entweder die Chinesen und Tesla eine zeitlang sehr langsam werden und die traditionellen Anbieter extrem schnell. Beides ist realistisch betrachtet sehr unwahrscheinlich. Nein. Elektromobilität ist nicht eine Idee der Grünen. Das ist der große Irrtum der Skeptiker und Zyniker. Noch mal, in China gibt es keine Grünen. Die Chinesen sind extrem rational und strategisch. Sie wissen, dass batterieelektrische Mobilität technisch, wirtschaftlich und auch ökologisch die mit Abstand bessere Alternative zur Verbrenner-Mobilität von gestern ist.

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Dr. Pero Mićić schreibt über Wirtschaft & Management, Internet & Technologie, Personalwesen, Politik & Gesellschaft

Prof. Dr. Pero Mićić ist Gründer (1991) und Vorstand des ersten Unternehmens für Zukunftsmanagement in Europa und Professor für Foresight and Strategy. Er berät Führungsteams bekannter Unternehmen, ist Redner und Autor preisgekrönter Bücher und Investor in Zukunftstechnologien.

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