Um einen Stellenabbau zu beschleunigen, bieten Unternehmen oft Abfindungen an. Foto: Getty Images
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Wie setzen Sie sich bei der Abfindungsverhandlung durch?

Viele Unternehmen bauen derzeit Stellen ab. Eine Abfindung entschädigt betroffene Mitarbeiter finanziell. Sieben Tipps, wie Sie am besten vorgehen.

Berlin. Der Logistikkonzern DHL streicht 8000 Stellen in Deutschland, beim Technologieunternehmen Siemens sollen weltweit rund 6000 Arbeitsplätze wegfallen –  Meldungen über Jobabbau häufen sich in Deutschland.

Wachstumsschwäche, hohe Kapitalkosten und der technologische Wandel zwingen Unternehmen zum Sparen. Und die Sparprogramme betreffen auch das Personal. Arbeitnehmer fürchten um ihre Jobs. Allerdings versuchen Unternehmen den Stellenabbau oft mit hohen Abfindungen den Schrecken zu nehmen – und ihn dadurch zu beschleunigen.

Das klingt zunächst verlockend, doch bevor man eine Abfindung annimmt, gibt es einiges zu beachten. Arbeitsrechtler Christoph Abeln, Geschäftsführer der Kanzlei Abeln in Berlin, kennt die Tricks, mit denen Konzerne Führungskräfte und Beschäftigte in die Exit-Falle locken wollen. Er sowie die Finanzwirtin und Karrierecoachin Susan Moldenhauer verraten, wie die Abfindungsverhandlung gelingt.

1. Entlassungswelle aussitzen oder Abfindung annehmen?

Ein Stellenabbau steht bevor, Abfindungen werde angeboten. Die Frage, die sich viele stellen: Soll ich die Entlassungswelle aussitzen oder die Abfindung annehmen? Welche Entscheidung hier die richtige ist, lasse sich pauschal nicht beantworten, sagt Coachin Moldenhauer. Bestimmte Überlegungen könnten aber helfen, die eigene Situation zu bewerten.

Zum Beispiel: Ist das gesamte Unternehmen betroffen – also die Existenz der Organisation bedroht? Oder sollen nur bestimmte Abteilungen zusammengelegt werden?

Hinzu kämen Fragen zur eigenen Position im Unternehmen, sagt Moldenhauer. „Ist diese konkret von der Streichung betroffen?“ Oder kann man mit einer internen Versetzung rechnen, weil die eigenen Kompetenzen in anderen Bereichen des Unternehmens gebraucht werden?

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Grundsätzlich sollte man sich auch Gedanken über die eigenen Aussichten auf dem Arbeitsmarkt machen, „gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel“, sagt Moldenhauer. Je klarer man sich über seine Situation und die Alternativen ist, sagt die Coachin, desto treffender falle die Entscheidung aus.

2. Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen

Einen grundsätzlichen Anspruch auf eine Abfindung gibt es nicht. In der Regel ist sie das Ergebnis einer Verhandlung zwischen Unternehmen und Mitarbeiter. Als Richtwert für die Höhe nennt Moldenhauer ein halbes Gehalt pro Beschäftigungsjahr.

n vielen Fällen versuchen Unternehmen, Arbeitnehmer mit befristeten Abfindungsangeboten aus der Reserve zu locken. Das ist laut Arbeitsrechtler Abeln durchaus zulässig: „Unternehmen können ein einmal gemachtes Angebot befristen oder auch zurückziehen.“

Zu sehr unter Druck setzen lassen sollte man sich trotzdem nicht – denn in der Regel ist auch das Unternehmen an einer einvernehmlichen Lösung interessiert. „Die Erfahrung zeigt: Das erste Angebot ist nicht das letzte“, sagt Abeln.

Vorsicht ist auch geboten, wenn der Arbeitgeber eine einvernehmliche Freistellung anbietet. „Das ist oft keine freundliche Geste, sondern berechnendes Geschick“, sagt Abeln. Wer einmal einvernehmlich freigestellt ist, kommt da während des Trennungsprozesses nicht mehr raus – und verliert damit einen wichtigen Verhandlungsvorteil.

Der Einigungsdruck, sagt Abeln, ist für das Unternehmen größer, wenn der Mitarbeiter auf eine Weiterbeschäftigung besteht und es die Stelle in der Zwischenzeit nicht neu besetzen kann.

3. Lassen Sie sich bei der Verhandlung unterstützen

In ein Personalgespräch sollte man nie unvorbereitet gehen – das gilt auch für die Abfindungsverhandlung. Abeln rät, sich zum Beispiel vorher zu erkundigen, wer alles an dem Gespräch teilnimmt. „Man hat das Recht, auf ein Gespräch unter vier Augen zu bestehen oder eine Vertrauensperson mitzunehmen“, sagt er. So kann der Beschäftigte sicherstellen, dass er nicht drei Personen allein gegenübersitzt.

Arbeitsrechtsexperte Christoph Abeln kennt die Konzerntricks, mit denen Beschäftigte in die Exit-Falle gelockt werden sollen. Foto: abeln

Grundsätzlich kann laut Abeln jeder, der ebenfalls im Unternehmen arbeitet, als Vertrauensperson mitgenommen werden. Der Rechtsexperte empfiehlt, zum Beispiel ein Mitglied des Betriebsrats  hinzuzuziehen. Diese genießen einen starken arbeitsrechtlichen Schutz und können ohne Sorge über negative Konsequenzen vor dem Arbeitgeber auftreten.

Eine andere Option ist ein Anwalt – bei Externen muss der Arbeitgeber allerdings vorher zustimmen.

4. Legen Sie sich passende Argumente zurecht

Karrierecoachin Susan Moldenhauer rät, vor der Verhandlung zu überlegen, was man im Unternehmen erreicht hat, und das als Argument für eine gute Abfindung zu nutzen. Je nach Rolle und Verantwortungsbereich sollte man nachweisbar aufbereiten, welche Ergebnisse man geliefert hat – vor allem wenn die Ziele übertroffen wurden.

Das können laut Moldenhauer etwa ein gut funktionierendes Team mit regelmäßig sehr gutem Output sein, messbare Ergebnisse in der Organisationsentwicklung, die erfolgreiche Abwicklung von Großprojekten oder eine nachhaltige Veränderung der Unternehmenskultur. „Je größer der ehemals verantwortete Tätigkeitsbereich und je höher die Position im Unternehmen, umso mehr ist verhandelbar“, sagt die Coachin.

Auch bestimmte Klauseln im Arbeitsvertrag – etwa wenn neue Tätigkeiten dem Wettbewerbsverbot unterliegen – sollten bei der Abfindungshöhe beachtet werden. Schließlich diene eine Abfindung vor allem dazu, die Zeit, bis eine neue Aufgabe gefunden ist, finanziell zu überbrücken.

5. Bleiben Sie sachlich

„Haltung ist alles“, sagt Karrierecoachin Susan Moldenhauer. Auch wenn Trennungsgespräche oft von starken Emotionen begleitet werden, sei es wichtig, sachlich und professionell zu bleiben. Das bedeutet, sich nicht zu Drohungen hinreißen oder das Gespräch gar eskalieren zu lassen – auch wenn man durch die Kündigung gekränkt oder enttäuscht ist.

Finanzwirtin und Karrierecoachin Susan Moldenhauer berät Menschen und Teams unter anderem zu Verhandlungen. Foto: Christina Czybik

Denn: Ziel des Abfindungsgesprächs ist, eine einvernehmliche Lösung über einen Abwicklungsvertrag zu erreichen. Die Argumentation sollte ruhig und klar sein.

Der künftige Ex-Mitarbeiter sollte aufzeigen, dass eine faire Abfindung für den Übergang nötig ist, um sich beruflich auf neue Optionen konzentrieren zu können – und dass diese als Wertschätzung für die selbst erbrachte Leistung verstanden wird.

6. Kennen Sie Ihre Rechte

Ein guter Überblick über die eigenen Vertragsinhalte ist bei Abfindungsverhandlungen viel wert, sagt Rechtsanwalt Abeln. Besonderes Augenmerk sollte auf mögliche Ansprüche aus einer betrieblichen Altersversorgung oder Pensionszulagen gelegt werden: „Wer hier die Berechnungen nicht prüft, kann viel Geld verlieren.“ Gerade bei Managern gehe es hier schon um Beträge von mehreren Hunderttausend Euro.

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Bei der Altersvorsorge sei es zum Beispiel wichtig zu wissen, wie hoch die nicht verfallbaren Ansprüche sind. Zudem lohne es sich zu prüfen, ob die Abfindung ganz oder teilweise in eine Altersvorsorge umgewandelt werden kann – das könne im Einzelfall steuerliche Vorteile bringen.

7. Persönlichen Umstände im Blick behalten

Eine Abfindung rechnet sich laut Abeln nur, wenn eine Weiterbeschäftigung bei einem anderen Unternehmen im Raum steht. „Insbesondere ältere Mitarbeiter sollten das im Blick haben“, sagt der Rechtsexperte.

Anstelle einer Abfindung kann zum Beispiel auch eine Vorruhestandsregelung vereinbart werden. Statt einer einmaligen Summe erhält der Beschäftigte ein Vorruhestandsgeld, das gestreckt bis zum Renteneintritt bezahlt wird.

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