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Sinn, Wohlbefinden und Wertschätzung - das neue Dreigestirn der Arbeit?

Wie sich das „Warum“ ändert, oder: Warum Arbeit glücklich machen sollte

Arbeit und Glück – für manche eine logische Kombination, für andere fast undenkbar. Nicht zuletzt befeuern die aktuellen Diskussionen rund um die Frage, ob wir mehr arbeiten müssen, um uns auch weiterhin alles leisten zu können, die Debatte darüber, wie viel Arbeit notwendig ist und welche Verschwendung von Arbeitsenergie wir uns leisten wollen und können.

Die Diskussion zeigt auch: Wir halten an alten Erfahrungen und Gewohnheiten fest, auch wenn wir wissen, dass sie nicht (mehr) zeitgemäß sind.

Neue Erkenntnisse und Erfahrungen haben es schwer, selbst wenn sie in jeder Hinsicht positiv sind. Die Wissenschaft zählt nicht mehr, eine Nachricht ist nur dann wahr, wenn sie den Erwartungen entspricht. „Fake“ ist der neue Standard, und im Zweifel war ohnehin KI am Werk.

Doch was wäre, wenn wir wieder selbst darüber nachdenken würden, was gut und richtig sein könnte? Was hilft uns, gute Arbeit abzuliefern und uns gut zu fühlen? Was hilft uns, in der Gemeinschaft von Organisationen zu performen? Es sind vor allem sehr subjektive Dinge wie Sinn, Wohlbefinden und Wertschätzung.

Die Psychologin Sonja Lyubomirsky definiert Glück als „die Erfahrung von Freude, Zufriedenheit oder positivem Wohlbefinden, kombiniert mit dem Gefühl, dass das eigene Leben gut, sinnvoll und lohnenswert ist”. Kann man das tatsächlich auch auf die eigene Arbeit übertragen?

Es ist möglich, es ist erlaubt und es ist empfehlenswert, über die meist flüchtigen positiven Emotionen hinauszugehen und eine tiefere, kognitive Bewertung des eigenen Arbeitslebens durchzuführen.

Denn nur, wenn wir erkennen, was uns Wege eröffnet, motiviert in den Arbeitstag zu starten, was uns langfristig aktiv hält und was dazu führt, dass wir möglichst lange Teil genau dieser Organisation sein wollen, können wir die Leistungsstärke entwickeln, die unsere Aufgaben sinnvoller erscheinen lässt und uns zufriedener macht.

Die (selbst!)Wahrnehmung von Glück ist dann aus individueller und vor allem auch aus organisationaler Sicht ein wichtiges Element für die langfristige Leistungsstärke.

Darum habe ich euch gefragt, was für euch am meisten dazu beiträgt, bei der Arbeit glücklich zu sein. (https://www.linkedin.com/posts/guidobosbach_arbeit-erwartungen-job-ugcPost-7333197607571218432-gtHJ?utm_source=share&utm_medium=member_desktop&rcm=ACoAAAAX86MBg6XBtqwhU15BOipz50MVjipfklU)

Das Ergebnis ist spannend und sagt viel über den aktuellen Zeitgeist aus. Work-Life-Balance ist zwar wichtig, reicht aber nicht mehr aus, um Menschen wirklich zu begeistern. Ein gutes Team ist schön, aber es ist nicht der Hauptgrund, warum jemand morgens mit Freude ins Büro (oder ins Homeoffice) geht. Stattdessen wollen die Menschen wissen, warum sie das tun, was sie tun. Sie wollen das Gefühl haben, mit ihrer Arbeit einen echten Unterschied zu machen und dafür auch gesehen und gewürdigt zu werden.

So ist für 45 % der Befragten die Sinnhaftigkeit der Aufgaben der wichtigste Glücksfaktor bei der Arbeit. 42 % geben an, dass Anerkennung und Wertschätzung das entscheidende Kriterium sind. Flexibilität und Work-Life-Balance landen mit 11 % auf Platz drei, während kollegiale Unterstützung mit 3 % erstaunlich weit hinten rangiert.

Sinn, Wohlbefinden und Wertschätzung – das neue Dreigestirn am Arbeitsplatz?

Genau hier kommen die Themen Sinn, Wohlbefinden und Wertschätzung (SWB) ins Spiel. In „re:Think 2035” habe ich bereits betont, wie wichtig die Intention einer Organisation ist, um die Leistungsbereitschaft und Zukunftsstärke ihrer Mitarbeitenden zu fördern. Unternehmen, die ihren Mitarbeitenden echten Sinn bieten, eine klare Intention verfolgen und diese auch leben, schaffen eine ganz andere Arbeitsatmosphäre. Es geht darum, klar zu zeigen, dass es nicht (nur) darum geht, Profit zum Nutzen der Gesellschafter und Aktionäre zu erzielen, sondern dass es auch immer darum gehen sollte, einen Beitrag zur Gesellschaft, zur Umwelt oder zur Gemeinschaft zu leisten. Wenn Menschen spüren, dass ihre Arbeit einen höheren Zweck hat, steigt ihre Motivation, ihr Engagement und ihr Wohlbefinden.

Und das ist kein Luxus, sondern ein echter Wettbewerbsvorteil. Wer heute gute Mitarbeitende finden und halten will, muss mehr bieten als ein gutes Gehalt und flexible Arbeitszeiten. Er muss eine Kultur der Wertschätzung schaffen, in der Leistung gesehen und anerkannt wird. Das bedeutet: regelmäßiges Feedback, echte Anerkennung, Entwicklungsmöglichkeiten und eine offene Fehlerkultur. Kurz gesagt: Menschen wollen sich bei der Arbeit wohlfühlen – und das ist nur möglich, wenn sie sich respektiert und wertgeschätzt fühlen.

Was bedeutet das?

Für Arbeitnehmer und Arbeitssuchende bedeutet das: Achtet darauf, was euch wirklich wichtig ist. Arbeitet für (und sucht euch) Unternehmen, die euch nicht nur einen Job, sondern auch einen Sinn bieten. Fragt nach, diskutiert und klärt miteinander, welche Intention das Unternehmen verfolgt, wie mit Feedback und Anerkennung umgegangen wird und welchen Raum es für persönliche Entwicklung gibt. Ihr wollt euch bei der Arbeit nicht nur beschäftigen, sondern auch gebraucht und gesehen werden.

Arbeitgeber sollten sich nicht nur auf ein sinnvolles Gehalt und ein paar „New-Work-Annehmlichkeiten“ verlassen, sondern sich mit der Bedeutung der angebotenen und verrichteten Arbeit befassen. Wertschätzt die Arbeit eurer Mitarbeitenden expliziter, zeigt auf, wie ihr euch für das Gemeinwohl einsetzt und wie ihr euch als Organisation weiterentwickelt. Schafft eine Kultur, in der Menschen ihre Stärken einbringen können und wollen, in der Fehler als Lernchancen gelten und in der jeder das Gefühl hat, einen wertvollen Beitrag zu leisten.

Mein Buch „re:Think 2035“ beschreibt diesen Wandel: Unternehmen müssen sich neu erfinden – weg von der reinen Gewinnmaximierung, hin zu einer Organisation, die Sinn stiftet, Verantwortung übernimmt und das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellt. Das bedeutet nicht, dass Profit unwichtig ist, aber er ist nicht mehr das einzige Ziel. Im Zentrum steht die Frage: Was ist der Sinn unserer Arbeit? Was bewirken wir damit? Und wie können wir dazu beitragen, eine bessere, nachhaltigere und menschlichere Welt zu schaffen?

Diese Haltung schafft nicht nur zufriedene Mitarbeitende, sondern auch widerstandsfähige und innovative Unternehmen. Denn wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Arbeit sinnvoll ist, sind sie kreativer, engagierter und bleiben dem Unternehmen länger treu. Sie bringen sich ein, übernehmen Verantwortung und tragen dazu bei, dass die Organisation erfolgreich ist – nicht nur finanziell, sondern auch in Bezug auf Nachhaltigkeit, Innovation und gesellschaftliche Verantwortung.

Sinn, Wohlbefinden und Wertschätzung sind keine Nice-to-haves, sondern die Grundlage für zukunftsfähige und zukunftsstarke Unternehmen.

Wer heute noch denkt, dass Geld und Karriere allein ausreichen, um Menschen zu motivieren, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Die Umfrage zeigt es deutlich: Sinn, Wohlbefinden und Wertschätzung sind mindestens ebenso wichtige Schlüsselfaktoren für Arbeitsglück. Unternehmen, die das verstehen und leben, werden im Wettbewerb um die besten Talente vorne liegen. Sie schaffen eine Arbeitswelt, in der Menschen gerne und mit Energie ihr Bestes geben – und das ist am Ende für alle ein Gewinn.

Arbeit muss, in Zukunft noch viel mehr als heute, mehr sein als nur ein Job. Sie sollte als sinnvoll wahrgenommen werden, Wohlbefinden fördern und Wertschätzung ermöglichen. Wer das versteht und umsetzt, schafft glückliche Mitarbeitende und eine lebenswerte Zukunft – für sich selbst, für das Unternehmen und für die Gesellschaft. Und genau das ist die klare Botschaft von „re:Think 2035“. Wir müssen Arbeit neu denken – und zwar jetzt.

Guido Bosbach schreibt über Management, Führung, Leadership, NextManagement

Guido Bosbach ist Organisationsberater mit einem Fokus auf Lösungen, die für eine systemisch fundierte, nachhaltige und menschenzentrierte Verbesserung der Zusammenarbeit und des gemeinsamen Erfolgs abzielen. Er arbeitet dazu in Unternehmen mit deren Executive-Teams & Führungskräften.

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