Wie Sie Machtspielen am Arbeitsplatz richtig begegnen
Intrigen und geheime Allianzen in Firmen zu durchschauen, kann die Karriere schützen – und im besten Fall befördern. Recruiter verraten, wie der Umgang mit hinterhältigen Kollegen gelingt.
Düsseldorf. Der neue Bereichsleiter eines Frankfurter Geldinstituts kam von einer amerikanischen Investmentbank – seine rund 100 Mitarbeiter erwarteten ihn gespannt. Kaum dass der neue Chef sein Büro bezogen hatte, entließ er zum Entsetzen der Kollegen eine der erfahrensten und renommiertesten Führungskräfte seines Bereichs.
„Den Skalp nehmen“ nenne man diese unerwartete Kündigung zum Amtsantritt unter Managern, sagt Führungscoach Karsten Wetwitschka. Und er fährt fort: „Das war eine Machtdemonstration, eine Warnung an interne Rivalen: ,Ich fälle drastische Entscheidungen und habe Rückendeckung von ganz oben.‘“
Coach Wetwitschka weiß, wovon er spricht, hat selbst eine Bankkarriere gemacht. Vor dem Wechsel in die berufliche Selbstständigkeit war er als Managing Director tätig gewesen.
Der Ex-Banker, der seinen Klienten heute beim möglichst reibungslosen Start in ihrer neuen Managementposition hilft, möchte sie davor schützen, „zum Opfer von Mikropolitik zu werden“. Neben dem Wissen vermittelt er auch Strategien, um damit kompetent umzugehen.
Toxische Menschen: Fragwürdiges Verhalten verstößt nicht zwingend gegen Compliance
Einschüchterung zählt zum Arsenal, mit dem Manager ihre Macht zum eigenen Vorteil aufbauen und einsetzen. Sie instrumentalisieren andere und nutzen Grauzonen aus. Das mögliche Verhaltensrepertoire bestätigt auch Wirtschaftswissenschaftlerin Daniela Rastetter. Sie forscht an der Uni Hamburg zum Thema Personal und untersucht speziell die Wirkung von Mikropolitik.
„Ziel- und Interessenkonflikte zwischen einzelnen Personen, aber auch Abteilungen und Bereichen sind normaler Bestandteil des Geschäftsalltags“, sagt sie.
Was sie allerdings auch vermutet: Da hierarchische Strukturen heutzutage aufweichen und das Arbeiten immer selbstständiger und eigenverantwortlicher wird, räumt das den Beschäftigten größere Spielräume ein. Weniger starre Vorgaben führen dazu, dass zunehmend mehr ausgehandelt werden muss.
Ob es um die eigene Karriere oder eine lukrative Geschäftsidee geht, die den Status, Einflussbereich oder Bonus erhöht – machtgetriebene Persönlichkeiten wüssten das für sich zu nutzen, sagt die Professorin. Dabei muss das Vorgehen nicht einmal gegen Complianceregeln verstoßen. Dennoch ist es fragwürdig, wenn ein Manager Konflikte aussitzt, mehrdeutig handelt, sich immer verschiedene Optionen offenhält.
Machtspiele und Intrigen am Arbeitsplatz meist im Verborgenen
Meistens laufen Machtspiele hinter den Kulissen ab. Um Entscheidungen für sich zu beeinflussen, wird geschmeichelt und appelliert, auf Regeln gepocht, die Loyalität gegenüber dem Unternehmen beschworen, werden Gerüchte gestreut oder ein Umstand zum Skandal stilisiert. Mitunter wird sogar Widerstand sanktioniert, indem Boni gekürzt werden. Bestechung, Intrigen und Manipulation zählen zu den Extremformen.
Mikropolitik wird auch zum Problem, wenn Konflikte zwischen Fraktionen ausarten und den Wandel blockieren. Oder wenn Mitarbeiter bewusst vergeudete Ressourcen hinnehmen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen. So geschehen etwa im Fall des Eingangs geschilderten geschassten Bankers. Allein dessen Abfindung dürfte eine hohe sechsstellige Summe gekostet haben, schätzt Coach Wetwitschka.
Aber der Schaden ist noch höher. Zu berechnen sind auch die Kosten für die Einarbeitungsphase des Vertrauten des neuen Chefs, der sofort auf diese Schlüsselposition gesetzt wurde. Zudem wurden durch den Willkürakt alle Zeugen demotiviert, ganz zu schweigen von den Potenzialträgern, die in der Folge von sich aus das Unternehmen verließen.
Was Winkelzüge dieser Art und politisches Taktieren die deutsche Wirtschaft insgesamt Jahr für Jahr kosten, lässt sich nicht beziffern. Denn zu vieles davon läuft im Verborgenen.
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An diesen Anzeichen erkennen Sie eine toxische Unternehmenskultur
Machtspiele machen mürbe und können dem ganzen Betrieb schaden. Was Führungskräfte an Manövern und Machtexzessen vorleben oder dulden, prägt die sozialen Strukturen und Verhaltensweisen – von der Vorstandsetage bis zur Produktionsstätte.
Nicole Engenhardt-Gillé, Personalvorständin von Freenet, sagt: „Wissen über Macht und Mikropolitik, aber auch Klarheit über die eigenen Interessen, Fähigkeiten, Werte und moralischen Grenzen sind wichtiger denn je.“ Sie rät sowohl Berufseinsteigern als auch Jobwechslern, nach Hinweisen für eine toxische Unternehmenskultur Ausschau zu halten.
Die Antworten auf folgende Fragen zu kennen, ist wichtig: Wird hintenrum geredet und paktiert, anstatt Probleme oder Wünsche klar anzusprechen? Gibt es cholerische Vorgesetzte, denen niemand Einhalt gebietet? Zeigen sich Untergruppen in der Organisation, die gegeneinander arbeiten, indem sie sich etwa gegenseitig Informationen bewusst vorenthalten? Wird versucht, neue Mitarbeiter gleich auf eine Seite zu ziehen? Gibt es hohe Krankenstände und eine überdurchschnittlich hohe Fluktuation?
Sollte viel von dem Aufgezählten üblich sein, könne es anstrengend und schwer werden, erfolgreich zu arbeiten – zumindest dann, wenn man selbst auf politische Spielchen keine Lust hat. Engenhardt-Gillé ergänzt: „Sollten Sie miterleben, wie ein Skalp genommen wird, verlassen Sie das Unternehmen besser schnellstens. In einer solchen Kultur der Willkürherrschaft werden die wenigsten Mitarbeiter auf Dauer glücklich – schon weil sie damit rechnen müssen, selbst einmal Opfer zu werden.“
Wer doch in einem solchen Umfeld bleibt, sollte sich zumindest auf die absehbaren Probleme vorbereiten. Denn es gibt offensichtlich Karrieregefahren, und es sollte bedacht werden, wie damit umzugehen ist.
Fehlende Allianzen im Job
Sie wollen für Ihr Projekt grünes Licht vom Vorstand? Ihr Bereich braucht mehr Personal? Wer jetzt nicht auf bestehende Allianzen zurückgreifen kann, hat es schwer. Denn Entscheidungen werden oft nicht erst auf offiziellen Sitzungen getroffen, also wenn der Vorstand tagt beziehungsweise die Geschäftsführung oder Bereichsleitung zusammenkommt.
Vieles wird bereits zuvor informell besprochen, abgestimmt und entschieden – „teilweise ganz konkret, um Mehrheiten für oder gegen andere zu bilden“, sagt Wetwitschka. Wer diesem „Inner Circle“ nicht angehört, sei chancenlos. Es fehle dann an entscheidenden Informationen, Mehrheiten und Fürsprechern.
Unbekannte informelle Netzwerke im Beruf
„Freundschaften knüpfen, bevor man sie braucht“ – diese Weisheit aus dem Privatleben gelte auch am Arbeitsplatz, sagt Vorständin Nicole Engenhardt-Gillé. Wer neu in einem Unternehmen einsteigt, sollte sich nicht nur fachlich beweisen, sondern auch zwei Dinge tun.
Zum einen vorhandene informelle Netzwerke erkennen: Wer trifft wen zum Kaffee oder Lunch? Wer ist mit wem privat verbunden? Wer kennt wen von Universität, Businessclub oder anderen Zirkeln, die verbinden?
Zum anderen rät sie, so zügig wie möglich Anschluss daran zu knüpfen oder aber sich eigene Verbündete zu suchen. Wichtig für das persönliche Netzwerk: je dichter und diverser, umso besser. Um sich mit Kollegen bekannt zu machen, empfiehlt Coach Wetwitschka konkret, „zielorientiert über Inhalte Kontakte außerhalb des eigenen Bereichs zu suchen und Gemeinsamkeit zu erzeugen – ohne sich anzubiedern“.
Und Professorin Rastetter schlägt Newcomern vor, „unbedingt mitzugehen, wenn Sie am Feierabend etwa zu einem gemeinsamen Restaurant- oder Kneipenbesuch eingeladen werden. Und beteiligen Sie sich an den Gesprächsthemen dieser Kollegen, um als gleichgesinnt wahrgenommen und dauerhaft in ihren Kreis aufgenommen zu werden.“
Passiven Widerstand überwinden
Sie haben Ihre Idee ausgefeilt und den Investitionsplan erstellt, aber es geht und geht nicht voran? Sie spüren, dass es Vorbehalte gibt und es an Unterstützung mangelt. Ihr Projekt, das Ihre Karriere beflügeln sollte, droht im Sande zu verlaufen. Das kann daran liegen, dass die finanziellen Mittel, die Ihnen zufließen, die Investitionen in die Projekte Ihrer Kollegen schmälern und diese Stimmung gegen Sie machen.
Es gilt also zunächst herauszufinden, wer genau die Gegner sind und wer womöglich Wackelkandidat ist. „Erst dann kann man sich überlegen, wie sich dem- oder derjenigen eine Brücke bauen lässt“, sagt Engenhardt-Gillé.
Die Personalvorständin rät dazu, sich zu erkundigen: „Wie kann ich dich bei deinen Zielen unterstützen, wenn du mir bei meinem Projekt hilfst?“ Oder: „Ich hab eine andere Position als du, aber wo kann ich dir behilflich sein?“ Um eine Blockadehaltung aufzulösen, müsse man ausloten, wo sich Zusammenarbeit für beide lohne. Es sei ein Geben und Nehmen.
Toxische Menschen: So gelingt der Umgang mit hinterhältigen Kollegen
Sie haben vor einem Kunden gepatzt oder in einer Runde mit Entscheidern Ihre Zahlen nicht parat gehabt? Und merken, dass dieser Umstand breitgetreten wird? Der Flurfunk liebt Skandale. Mancher weiß dieses Instrument geschickt zu nutzen. Es ist wichtig, zunächst zu analysieren, wer die Quelle sein kann und welches Interesse der- oder diejenige verfolgt, sagt Engenhardt-Gillé.
Handelt es sich nicht nur um einen Mitarbeitenden, der sich persönlich am Aufbauschen ergötzt, sondern um einen ernst zu nehmenden Widersacher, der Sie diskreditieren will, kann es sinnvoll sein, sie oder ihn unter vier Augen zu sprechen. Die Botschaft: „Ich habe dich durchschaut, leg dich nicht mit mir an, ich werde kontern.“
In jedem Fall gelte es, gut zu überlegen, wann und ob es sich lohnt, in den Konflikt einzusteigen. Und falls es trotz klarer oder unterschwelliger Warnung zu einer Eskalation kommen sollte, sollten Sie auch überlegen, welche Gelegenheit sich für einen entsprechenden Konter am besten eignet.
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