Auch nach der Pension noch im Einsatz: Für Pensionierte und Unternehmen kann das finanzielle Vorteile bergen. - Quelle: Getty Images
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Wie Unternehmen von Personen im rentenfähigen Alter profitieren

Viele Unternehmen und Arbeitgeber sind froh, wenn sie erfahrene Fachkräfte weiterbeschäftigen können. Das müssen Sie dabei beachten.

Einmal in der Woche fährt der 68-jährige Franz* seine Route in Zürich und verteilt die Post. Obwohl er im Rentenalter ist, arbeitet er weiter. Seine Motivation: Freude an der Tätigkeit und an dem Betrieb, dem er jahrelang sein Wissen und Können geschenkt hat. Für die Post ist das eine willkommene Entscheidung, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Einerseits bietet die Post Franz die Möglichkeit, weiterzuarbeiten, andererseits kann das Unternehmen auf seinen Erfahrungsschatz zurückgreifen. «Es ist eine Win-win-Situation», sagt ein Sprecher der Schweizerischen Post.

Franz ist nicht allein. Von den 46’000 Personen, die bei der Post angestellt sind, haben rund 1000 Menschen das Referenzalter für die Pension bereits überschritten. Sie arbeiten vor allem in Teilzeitanstellung, insgesamt machen sie 270 Vollzeitstellen aus.

Mit diesem Anstellungsverhältnis befindet sich die Post im schweizerischen Durchschnitt: Gemäss einer Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) arbeiteten rund 1 Prozent der Schweizer Bevölkerung – oder 19’000 Personen – im Jahr 2020 über die Pensionierung hinaus. Ausschlaggebend dafür ist laut der Studie die Freude an der Arbeit, die die Erwerbstätigen entweder als sinnstiftend oder prestigeträchtig wahrnehmen und bei der sie soziale Kontakte pflegen können. Nur ein kleiner Anteil arbeitet aus monetären Gründen weiter – weil die Rente nicht reicht.

«Die Motive sind von Fall zu Fall sehr unterschiedlich, aber oft arbeiten die Menschen aus Freude und Überzeugung weiter», sagt Irmtraud Bräunlich Keller, Spezialistin und Beraterin für Arbeitsrecht. Das sagt sie auch im Hinblick auf die kommende Abstimmung zur 13. AHV-Rente. Die Spezialistin für Arbeitsrecht denkt nicht, dass eine 13. Rente der Motivation von Berufstätigen im Rentenalter einen Dämpfer versetzt. Der Eigenantrieb ist ausschlaggebender als der monetäre Zustupf, der damit verdient wird.

Früh reduzieren, um länger zu bleiben

Diese «rüstigen Rentner» bergen ein Potenzial, das Firmen heute gern weiter nutzen. Nicht nur bei der Post, sondern auch beim Basler Pharmaunternehmen Roche arbeiten Mitarbeitende über dem Pensionsalter. Sie weisen Pensen zwischen 40 und 100 Prozent auf, das Interesse zum Weiterarbeiten zeigt eine steigende Tendenz: «Das Angebot wird immer beliebter», bestätigt der Pharmakonzern auf Anfrage.

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Roche kennt für arbeitsfreudige Rentner drei Optionen für die Weiterarbeit nach der Pension. Im «Flex-Pool» sind Ruheständler zusammengefasst, die bereit sind, ihre Expertise für ein bestimmtes Projekt zur Verfügung zu stellen. Diese Anstellung ist zeitlich auf die Dauer des Projekts begrenzt. Die zweite Möglichkeit ist die unveränderte Weiterführung der bisherigen Tätigkeit über das Pensionsalter hinaus bis zum 70. Lebensjahr. Die dritte Option heisst «Step by step» und sieht eine schrittweise Reduktion des Pensums vom 65. bis zum 70. Lebensjahr vor.

Letzteres ist auch als «Bridge Employment» – als Überbrückungsangebot – bekannt. Laut Irmtraud Bräunlich Keller ist das ein sehr verbreitetes Modell unter den erwerbstätigen über 65-Jährigen. Es sei ihr in ihrer Beratungskarriere schon oft begegnet. Der Hintergrund des Überbrückungsangebots: Führungskräfte geben ihre Verantwortung bereits vor dem Pensionsalter ab, um dann bis über das Rentenalter mit ihrem Erfahrungswissen weiter in einer beratenden Funktion im Unternehmen aktiv tätig zu sein.

Die wichtigste Voraussetzung für eine solche Lösung sei, dass das Unternehmen und die betroffene Person offen miteinander kommunizierten. Da es sich nicht um eine klassische Dauerlösung handle, sei es wichtig, über die Perspektiven zu sprechen, so die Arbeitsrechtsexpertin. Wie lange möchte die Pensionierte noch arbeiten? Welche Tätigkeiten lohnen sich für das Unternehmen, wenn die Person sie übernimmt? Will der Ruheständler noch Verantwortung übernehmen? «Solche Punkte müssen klar definiert werden, am besten schriftlich in einer Anpassung des Arbeitsvertrags», sagt Bräunlich Keller. Nicht zuletzt, weil Unternehmen von den Pensionierten auch finanziell profitieren.

Finanzielle Vorteile für beide Seiten

Denn: Pensionierte sind billigere Arbeitskräfte. Zwar verändert sich vertraglich abgesehen von Pensum und Verantwortungsbereich nicht viel, doch es gibt Veränderungen im Bereich der Sozialversicherung. So entfällt beispielsweise mit dem Erreichen des Referenzalters von 65 Jahren die gesetzliche Beitragspflicht in die Pensionskasse. AHV-Beiträge sowie IV und Ausgleichskasse müssen dennoch weiterhin einbezahlt werden. In diesem Bereich gibt es aber einen Freibetrag, auf den nicht eingezahlt werden muss. Der Freibetrag liegt bei monatlich 1400 Franken oder jährlich 16’800 Franken. Hier sind keine Einzahlungen nötig, der Arbeitgeber entscheidet selbst, ob der monatliche oder jährliche Freibetrag zählen soll.

Zudem kann die betroffene Person seit Inkrafttreten der AHV 21 Anfang Januar wählen, ob sie die AHV-Beiträge auf den Lohnanteil ab dem Freibetrag einzahlen möchte oder auf den ganzen Lohn inklusive des Freibetrags. Das Unternehmen hat in diesem Fall keine Einwirkung. «Diese Entscheidung müssen die betroffenen Personen aus ihrer jeweiligen Situation heraus treffen», sagt Bräunlich Keller. Je nachdem kann sich das auf die Höhe der Rente auswirken, sofern die Auszahlung dieser aufgeschoben wird oder der Betrag neu berechnet werden soll. Entscheidet sich eine Person, ihre Rente ab 65 zu beziehen und dennoch weiterzuarbeiten, hat sie, seit das neue AHV-Gesetz gilt, Anspruch auf eine einmalige Neuberechnung der Rente.

Arbeitskultur ist das A und O

Doch bevor ein Unternehmen die gesetzlichen und vertraglichen Details ausbügeln kann, müssen sich überhaupt Personen finden, die über das Referenzalter hinaus arbeiten möchten. Das fängt meist bei der Wertschätzung an, meint Irmtraud Bräunlich Keller: «Niemand lässt sich gern als Auslaufmodell behandeln.» Eine Möglichkeit für Unternehmen, Wertschätzung zu zeigen, sind Weiterbildungsangebote für Mitarbeitende aller Altersgruppen. «Werden ältere Mitarbeitende bei solchen Angeboten nicht berücksichtigt, macht sich eine gewisse Mutlosigkeit breit», analysiert Bräunlich Keller.

«Wir sind uns bewusst, dass es für Mitarbeitende ab einem gewissen Alter auf dem Arbeitsmarkt schwieriger wird», heisst es bei Roche. Der Pharmakonzern bietet deshalb allen Mitarbeitenden ab 46 Jahren eine längere Kündigungsfrist und mehr Ferien an. Auch die Post baut ihre Leistungen für über 50-jährige Mitarbeitende aus: Mehr Ferien, höhere Treueprämien und eine Reduktion des Arbeitspensums ohne Einbusse bei der Pensionskasse sollen Mitarbeitenden ab einem gewissen Alter Wertschätzung entgegenbringen. Die Massnahmen zeigen Wirkung: Der 68-Jährige verteilt weiterhin auf seinem gelben Postgefährt die Briefe im Quartier.

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