Wie viele unter dir? Die ewige Führungsfrage nach der optimalen Teamgröße
„Wie viele Mitarbeitende sollte ich idealerweise direkt führen?“ – dieser Frage begegne ich in vielen Leadership-Trainings und Coachings. Vielleicht stellst du sie dir ja auch!?
Nachdem ich mich ausgiebig mit einschlägiger Literatur befasst habe, lautet meine Antwort ganz entschieden: Tja …
Um es nochmal klarer zu formulieren: Kommt darauf an. Und zwar auf? Dazu mehr im Folgenden.
Die magische Zahl gibt es nicht – Leitplanken schon
Henri Fayol, französischer Bergbauingenieur, Minenbesitzer und einer der Urväter der Managementtheorie, empfiehlt in seinem Buch „Administration Industrielle et Générale“ weniger als sechs direkte Reports für „foremen“, also gehobene Führungskräfte. Der Psychologe George Miller prägte 1956 die berühmte „7 plus/minus 2“-Regel – allerdings gilt die für unser Arbeitsgedächtnis, nicht für Teamgrößen. Dennoch hält sich dieser Mythos hartnäckig.
Heute sehen wir Extreme: Jensen Huang, CEO von Nvidia, ist angeblich für über 50 MitarbeiterInnen zuständig – ohne klassische One-on-Ones. Lego-CEO Niels Christiansen wiederum hat Hierarchieebenen gekappt, um Entscheidungen zu beschleunigen. Klingt beides legosch, äh: logisch. Doch sind es Ausnahmen, die die Regel bestätigen: Die optimale Führungsspanne hängt vom Kontext ab.
Auch wenn an der flapsigen bayerischen Formel: „Mia san die mehran, mia san die schweran” (etwa: „Wir sind schwerer, wir sind mehrer …“) in vielen Organisationen etwas dran ist, zumindest nach meiner Erfahrung. Der Teamleiter mit den meisten unter sich hat oft die besten Chancen auf die nächste Bereichsleitung. Die Standortleiterin mit der größten Beschäftigtenzahl hat oft das stärkste Gewicht in der Budgetschlacht. Aber da kann mein Eindruck täuschen, dazu finde ich keine wirklich validierten Aussagen aus der Forschung. Dafür aber …
Was die Forschung wirklich sagt
Die Mitte macht’s: Eine große Studie im öffentlichen Sektor (Jacobsen et al., 2023) legt nahe: Mittlere Führungsspannen von 10 bis 15 Personen fördern sowohl die Sichtbarkeit von Führungshandeln als auch die Mitarbeiterzufriedenheit. Zu wenige Reports? Die Gefahr von möglichem Mikromanagement steigt („Ach, Claudia, mach das doch mal eben mit, neben dem bisserl Führung …“). Zu viele im Team? Die individuelle Betreuung leidet.
Komplexität als Kriterium: In kreativen, wissensintensiven Bereichen (wie etwa Softwareentwicklung oder Beratung) sind offenbar 4 bis 8 direkte Reports optimal. Bei stark standardisierten Prozessen, etwa in Produktion oder Verwaltung, können 15 bis 20 gut möglich sein.
Stress auf Station: Im Gesundheitswesen berichten Führungskräfte mit mehr als 12 direkten Reports tendenziell von höherem Stress und geringerer Wirksamkeit (Svanström et al., 2025).
Je reifer, desto riesiger: In Organisationen mit hoher Autonomiekultur und stark gelebter digitaler Zusammenarbeit können breitere Führungsspannen gut funktionieren. In stärker kontrollorientierten Umfeldern – erlebe ich oft im Mittelstand – funktionieren kleinere Teams besser.
Der Organisationsforscher Ranjay Gulati, Professor an der Harvard Business School, bringt es pragmatisch auf den Punkt (2022): „Mein Standard sind 12 bis 15 Direct Reports. Wenn du davon abweichen willst, musst du mir erklären, warum.“
PERMA-Lead statt Protzen
Statt nur zu zählen, aufzuzählen und zu erzählen, wie viele Mitarbeitende du führst, kannst du dich fragen: Ermöglicht deine aktuelle Führungskonstellation, dass du die PERMA-Lead-Elemente positiver Führung für alle im Team stärken kannst?
🎉 P – Positive Emotionen: Hast du noch Kapazität für Wertschätzung, Humor, kleine Momente der Freude, Zuversicht etc.?
💪 E – Engagement: Können deine Mitarbeitenden Flow erleben, ihre Stärken einbringen – oder verpufft Energie im Chaos zwischen Leerlauf, Doppelarbeit und Stellenprofilen an den Stärken der Einzelnen vorbei?
👥 R – Relationships: Kommst du mit jeder Person regelmäßig – und kommen die untereinander immer wieder in guten Austausch?
🧭 M – Meaning: Weiß jede*r im Team, wozu die eigenen Tätigkeiten beitragen, inwiefern der eigenen Job sinnvoll ist?
🏆 A – Accomplishment: Hast du Zeit, Erfolge, Weiterkommen, Fortschritt erleb- und sichtbar zu machen – und zu feiern?
Die „Magic Number“ …
… gibt es nicht. Statt nach der „einen Zahl“ zu suchen, stelle dir immer wieder Fragen wie:
Wie komplex ist die Arbeit meines Teams? Je mehr Routineaufgaben, desto größere Truppenstärke kann klappen (15–20). Je mehr kreative, strategische Arbeit, desto effektiver dürften kleinere (Sub-)Teams sein (6–10).
Wie reif sind meine Mitarbeitenden? Je selbstständiger die Profis, desto mehr Kästchen können unter Dir im Organigramm hängen. Bei Teams mit viel Entwicklungsbedarf kann eine engere Betreuung sinnvoller sein. Was wiederum abhängt von der Frage:
Welchen Führungsstil pflege ich/will ich pflegen? Siehst du dich eher als Mentorin oder coachende Führungskraft, kannst du wahrscheinlich maximal 8 bis 10 Menschen intensiv begleiten. Bist du eher als Koordinatorin/ Delegiererin gefragt, ist auch eine volle Fußballmannschaft samt Auswechselspielern führbar. Dabei hängst du aber nicht im luftleeren Raum, sondern solltest dich auch fragen:
Welche (Führungs-)Kultur lebt meine Organisation? Wo hohe Autonomie nicht nur auf Townhallmeetings und Kantinenplakaten verkündet, sondern echt gelebt wird, können größere Teams gut funktionieren. Wo enge Abstimmung und Kontrolle erwartet wird, von dir, von den KollegInnen neben und über dir, sind wahrscheinlich kleinere Lenkungsspannen wirksamer.
Was konkret heißt, dass du …
Management- und Führungsaufgaben an Teamleads abgeben könntest;
Tools und Strukturen für mehr Selbstorganisation fördern könntest;
und prüfen solltest, ob alle Mitarbeitenden wirklich dir direkt zugeordnet sein müssen, wenn dir die Zahl der Unterstellten eher zu groß erscheint;
und du bei Teamgröße Volleyballteam oder kleiner eher darauf achten solltest, nicht ins Mikromanagement zu verfallen;
zu überlegen wäre, ob nicht eine Hierarchieebene eingespart werden kann;
ob du vielleicht lieber mehr strategische Flughöhe bekommen solltest und mehr Energie und Zeit in die großen Linien investieren solltest als in die Detailkontrolle.
Viel Gaudi und Gelingen dabei!
PS: Du machst, ihr macht, Sie machen das gut!
QUELLEN:
Fayol, H. (1949). General and industrial management. London: Pitman.
Miller, G. A. (1956). The magical number seven, plus or minus two. Psychological Review, 63(2), 81–97.
Gulati, R. (2022). Deep Purpose. Harper Business.
Puranam, P. (2018). The microstructure of organizations. Oxford University Press.
Jacobsen, C. B., Hansen, A.-K. L., & Pedersen, L. D. (2023). Public Administration Review, 83(2), 381-397.
Svanström, J., Wadensten, B., & Sandman, P. O. (2025). Journal of Nursing Management, 33(5), 1123-1132.
The Economist (2025). The span of control. September 18th.
Positiv(er) führen in turbulenten Zeiten – darum geht es unter anderem in meinem nächsten Positive Leadership-Workshop für Führungskräfte im November 2025 nahe München. Es sind aktuell noch Plätze frei – ich freue mich! Anmeldung und Infos unter positiv-fuehren.com/termine
🙈 Zu viele, zu kompliziert, irgendwie nicht passend? Wenn sich das zwischen dir und deinen Mitarbeitenden gerade so oder so ähnlich anfühlt: Geht nicht nur dir so! Wenn du magst, lass uns im Einzelcoaching schauen, wie du vom Reflektieren ins Verändern kommst. Was es gerade brauchen könnte, wovon mehr, wovon weniger, was ganz neu – und was vielleicht nicht mehr? Für mehr Wirkung und weniger Wirrwarr – melde dich gern für einen kostenlosen Chemistry Call unter coaching@christian-thiele.com.