Wie werde ich Aufsichtsrat oder Beirat? Wege in die Gremien von morgen
Wer ein Mandat anstrebt – ob im Familienunternehmen oder börsennotierten Konzern –, muss sich positionieren. Und wissen, worauf es ankommt.
Es ist ein Amt mit Prestige. Wer damit bloß die eigene Visitenkarte aufwerten möchte, sollte innehalten. Ein Beirat ist kein Jahrmarkt der Eitelkeiten, sondern ein Gremium mit Verantwortung – für Strategie, Finanzen, Transformationen, Governance und nicht selten auch für sensible Übergaben in Familienunternehmen. Wer hier glänzen will, muss mit anpacken, nicht nur schnacken.
Am Anfang sollte darum ehrliche Selbstreflexion stehen: Warum will ich diese Rolle übernehmen? Welche unternehmerischen, regulatorischen oder strategischen Themen reizen mich? Und was bringe ich mit, an Expertise, Haltung, Unabhängigkeit? Welchen Mehrwert biete ich? Nur wer hier klare Antworten hat, wird später überzeugend auftreten – im Gespräch mit Eigentümern, Headhuntern oder der Besetzungskommission.
Sichtbar werden, ohne laut zu sein
Ein Headhunter, spezialisiert auf Aufsichtsräte und Beiräte, sagte mir einmal mit einem Augenzwinkern: „Früher reichte es, Rotweinfreund des Inhabers zu sein – ein Anwalt oder Steuerberater, der Golfpartner oder der befreundete Wirtschaftsprüfer.“ Heute funktioniert das nicht mehr. Die Anforderungen sind gestiegen und mit ihnen auch die Erwartungen an Transparenz und Professionalität.
Wer als Kandidat wahrgenommen werden will, muss sichtbar sein, und zwar mit Haltung, Kompetenz und digitalem Profil. Ein aussagekräftiger Lebenslauf auf LinkedIn oder XING ist inzwischen Pflicht. Doch entscheidend ist, wie man dort auftritt: Gibt das Profil Auskunft über meine fachliche Tiefe, meine Werte, meine Netzwerke?
Zur Sichtbarkeit gehört auch Präsenz in Fachmedien, Verbänden oder auf Konferenzen. Ein strategischer Beitrag im richtigen Kontext (etwa zu einem Spezialgebiet: Governance, Digitalisierung oder Familienunternehmen) kann mehr bewirken als jedes Zertifikat. Wer zeigen will, dass er bereit ist für ein Mandat, sollte den Diskurs suchen. Immer persönlich, reflektiert, relevant. Denn Sichtbarkeit ersetzt nicht Substanz. Aber sie macht sie auffindbar.
Mehr Vielfalt am Tisch – warum Beiräte diverser werden müssen
Die Zusammensetzung vieler Aufsichts- und Beiräte gleicht bis heute einem Echo der Vergangenheit: männlich, über 60, wirtschaftsnah. Doch das Bild beginnt sich zu wandeln. In Familienunternehmen etwa sitzt laut einer INTES/PwC-Studie mittlerweile in 54 Prozent der Beiräte mindestens eine Frau. Zum Vergleich: 2013 waren es gerade einmal 10 Prozent. Diese Entwicklung zeigt, wie sich Sichtweisen verändern – und dass Vielfalt in Gremien nicht nur ein gesellschaftliches Ziel ist, sondern zunehmend auch ein ökonomisches Argument.
Denn Unternehmen, die auf unterschiedliche Perspektiven setzen, treffen oft bessere Entscheidungen. Frauen wie Christine Wolff (K+S), Anne Ruth Herkes (Quintet Private Bank) oder Diana Perez, die ihre Digitalkompetenz in verschiedenen Gremien einbringt, stehen exemplarisch für diesen Wandel. Sie verkörpern eine neue Generation an Aufsichtsrätinnen: strategisch, international vernetzt, technisch versiert.
Und doch bleibt Luft nach oben – vor allem mit Blick auf die jüngere Generation. Laut derselben Studie sind lediglich 15 Prozent der Beiratsmitglieder unter 50. Ein Wert, der zeigt, wie stark Erfahrung noch immer über Innovation gestellt wird. Aber gerade in Zeiten von Transformation, Plattformökonomie und ESG-Fragestellungen braucht es frisches Denken. Familienunternehmen, die heute bereits Next-Gen-Perspektiven einbinden, sichern sich nicht nur Zukunftskompetenz, sie schaffen auch Anschlussfähigkeit an die Lebensrealität ihrer Kunden, Mitarbeiter und Stakeholder. Die Frage ist für mich nicht mehr, ob Diversität sinnvoll ist, sondern wie schnell sie zur Selbstverständlichkeit wird.
Was externe Geschäftsführer verdienen – und was das über Beiräte verrät
Wer in Familienunternehmen als externer Geschäftsführer agiert, bewegt sich häufig im Spannungsfeld zwischen familiären Erwartungen und professionellen Managementstandards. Der aktuelle Gehaltsreport von „wir“, dem Magazin für Unternehmerfamilien, zeigt: Die Grundvergütung eines externen Geschäftsführers in deutschen Familienunternehmen liegt im Median bei rund 330.000 Euro jährlich. In Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern steigt dieser Wert auf durchschnittlich 510.000 Euro, hinzu kommen variable Boni und oft ein Firmenwagen.
Diese Zahlen sind nicht nur für Bewerber interessant – sie sagen auch viel über das Selbstverständnis der Unternehmen. Denn sie spiegeln, wie stark familiengeführte Firmen bereit sind, externe Kompetenz zu honorieren – und damit bewusst auf Professionalität setzen, anstatt Führungsrollen allein aus dem Gesellschafterkreis zu besetzen.
Für Aufsichts- und Beiräte bedeutet das: Wer mitreden will, sollte die Dynamiken solcher Vergütungsmodelle verstehen und gleichzeitig in der Lage sein, Leistung realistisch zu bewerten. Denn die Gremien haben heute mehr denn je die Aufgabe, zwischen familiären Interessen und unternehmerischer Vernunft zu moderieren.
Ein gut zusammengesetzter Beirat – mit Erfahrung in Strategie, Finanzierung, Nachfolge und Personalführung – wird so zum strategischen Sparringspartner. Und das ist wertvoller als jede Genehmigungspflicht.
Pools, Programme, Positionierung – wie der Weg ins Gremium gelingt
Der Weg zum ersten Beirats- oder Aufsichtsratsmandat verläuft selten geradlinig – und fast nie rein über Bewerbung oder Stellenanzeigen. Vielmehr entscheiden Sichtbarkeit, Relevanz und Vernetzung. Inzwischen bieten zahlreiche Institutionen strukturierte Programme zur Qualifikation und Positionierung an.
Ein Beispiel ist die Akademie Deutscher Genossenschaften (ADG), die mit dem Zertifikat „Qualifizierter Aufsichtsrat“ Standards setzt. Auch Board Academy, Deutsche Börse oder Intes bieten Fortbildungen für angehende Mandatsträgerinnen und -träger an. Inhalte reichen von rechtlichen Pflichten über Corporate Governance bis hin zu praktischen Fallstudien. Zwar ersetzen diese Kurse nicht die nötige Lebenserfahrung, aber sie signalisieren Ernsthaftigkeit – und sind häufig Eintrittskarte in Beiratspools.
Denn viele Mandate werden heute über spezialisierte Netzwerke vergeben, darunter WOMEN ON BOARDS, boardXperts oder FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte). Auch Executive-Search-Berater, die sich auf Gremienbesetzungen spezialisiert haben, spielen eine entscheidende Rolle. Wer dort im Pool landet, wird mitunter schon bei der nächsten Vakanz berücksichtigt – vorausgesetzt, das eigene Profil passt.
Wichtig dabei: Diese Plattformen sind keine Garantie für ein Mandat. Doch sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit, überhaupt in Betracht gezogen zu werden. Und sie helfen, ein realistisches Bild der eigenen Marktposition zu entwickeln. Denn Mandate werden nicht verschenkt. Sie entstehen durch Reputation, Beziehungen und Relevanz.
Zwischen den Zeilen
Wer heute in einen Aufsichtsrat oder Beirat berufen wird, hat selten laut getrommelt – sondern klug kuratiert. Sichtbarkeit allein reicht nicht mehr, aber ohne sie geht es auch nicht. Es ist ein Spiel aus leiser Präsenz, klarer Haltung und spürbarer Kompetenz.
Ich habe in den vergangenen Jahren viele beeindruckende Mandatsträger:innen kennengelernt – die wenigsten davon hatten den klassischen Vorstandshintergrund. Dafür brachten sie Perspektiven mit: aus der Digitalisierung, KI, aus neuen Branchen. Was alle verband, war ein tiefes Verständnis für die Verantwortung für Menschen, Ergebnisse und Unternehmen.
Und vielleicht ist genau das der Unterschied zwischen einem Mandat und einem Auftrag: Wer nur ein weiteres Karriereziel verfolgt, verfehlt oft den Sinn dieser Rolle. Wer aber mit dem Wunsch antritt, ein Unternehmen besser zu machen, der wird irgendwann gefragt. Nicht sofort. Aber zur richtigen Zeit.
Und weil jeder Weg mit einer guten Vorbereitung beginnt, empfehle ich allen, die sich erstmals mit dem Thema befassen, die Lektüre von „Wie Sie Aufsichtsrat oder Beirat werden“ von Rudolf X. Ruter. Das Buch bietet keine Patentrezepte, aber wertvolle Orientierung – mit der richtigen Mischung aus Wissen, Praxisbezug und Haltung.
