Der Frauenstreik im Jahr 2021 war ein grosser Erfolg. - Foto: Unsplash/Michelle Ding
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Wieso der Frauenstreik aus Sicht des Arbeitsrechts kein Streik ist

Am 14. Juni 2023 ist wieder Frauenstreik. Aber es ist kein Streik im arbeitsrechtlichen Sinn. Das kann für Teilnehmende Probleme bringen.

Am Donnerstag, 14. Juni, rufen Gewerkschaften zu einem landesweiten «Feministischen Streik». Worum geht es? Um den Schutz vor Belästigung, um Lohngleichheit, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Frauen mobilisieren sich zu dieser Arbeitsniederlegung auch «am Arbeitsplatz, weil viele Ungleichheiten ihre Wurzeln in der Arbeitswelt haben. Aber auch in der Öffentlichkeit, damit sich die ganze Gesellschaft bewegt», schreibt der Schweizerische Gewerkschaftsbund in seinem Streikaufruf.

Die Verwendung des Wortes «Streik» ist mit Blick auf den Aktionstag allerdings heikel. Denn damit ein Streik – eine kollektive Arbeitsverweigerung mit dem Ziel, von einem Arbeitgeber bestimmte Arbeitsbedingungen zu erhalten – ein Streik ist, muss er strenge Bedingungen erfüllen. Artikel 28 der Bundesverfassung sagt, Streiks (und auch Aussperrungen) seien zulässig, wenn «sie Arbeitsbeziehungen betreffen und wenn keine Verpflichtungen entgegenstehen, den Arbeitsfrieden zu wahren oder Schlichtungsverhandlungen zu führen».

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Politischer Streik

Neben den klassischen arbeitsrechtlichen Streiks gibt es auch politische Streiks. «Zwischen Klimastreik, Frauenstreik und Black-Lives-Matter-Demonstrationen erobern politische Streiks die Schweizer Szene. Die Regeln des Arbeitsrechts gelten für solche Streiks nicht, da sie nicht darauf abzielen, vom Arbeitgeber Zugeständnisse zu erhalten» erklärt Marianne Favre Moreillon, Direktorin und Gründerin der Rechtskanzlei Droit Actif und Espace Droit. «Ein Arbeitnehmer, der ohne Zustimmung des Arbeitgebers von der Arbeit fernbleibt, um an einem solchen Streik teilzunehmen, kann bestraft werden», warnt sie.

Und auch die Gewerkschaft Syndicom sagt, für einen Streik müssten bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden: «Erstens muss der Streik von einer Gewerkschaft getragen werden und klar die Arbeitsbeziehungen betreffen, dann darf keine Friedenspflicht im Gesamtarbeitsvertrag dem Streik entgegenstehen, und weiter muss er das ‹letzte Mittel› sein, darf also nicht leichtfertig und ohne vorangehende Verhandlungen ergriffen werden.» Nicht jedefrau und jedermann kann einfach so einen Streik organisieren – das Mittel des Streiks stehe nur Gewerkschaften oder Verbänden zu, konkretisiert die St. Galler Anwaltskanzlei Teichmann International Schweiz. Zudem könnten auch einzelne Gesamtarbeitsverträge eine Friedenspflicht beinhalten, die dazu führt, dass die Arbeitnehmenden an keinen Streiks teilnehmen dürfen, so die Anwaltskanzlei weiter.

Was es zu beachten gilt

Viele Arbeitgeber machen deshalb klare Vorgaben: Wer streikt, solle dies als Privatperson tun, müsse das mit den Vorgesetzten absprechen und die Arbeitszeit kompensieren beziehungsweise Ferien nehmen. Und der laufende Betrieb müsse sichergestellt sein. Will heissen: Wer ohne «Bewilligung» streikt, muss sich bewusst sein, dass der Arbeitgeber für die Dauer des Streiks den Lohn verweigern darf, wie Syndicom weiter ausführt.

Sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, handelt es sich um einen unrechtmässigen Streik, der auch «wilder Streik» genannt wird. Der Arbeitgeber kann nach einer Verwarnung oder bei längerer Absenz sogar eine fristlose Kündigung aussprechen, da die Arbeitnehmerin ihre Arbeitspflicht verletzt hat.

Fazit: Streiks sind «gemeinsame, meist gewerkschaftlich organisierte Arbeitsniederlegungen von Arbeitnehmenden zur Durchsetzung bestimmter wirtschaftlicher, sozialer, die Arbeit betreffender Forderungen», wie der Duden erklärt. Beim Frauenstreik handelt es sich nicht um einen Streik im arbeitsrechtlichen Sinn, bei dem es darum ginge, einem konkreten Arbeitgeber gegenüber konkrete Forderungen durchzusetzen. Wild Streikende können sich nicht auf die Verfassung berufen, auch wenn einzelne Gewerkschaften diesen Eindruck vermitteln, denn es geht um allgemeine politisch-gesellschaftliche Forderungen.

Wer einfach so auf die Strasse geht und die Arbeit niederlegt, riskiert arbeitsrechtliche Konsequenzen.

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