Gesche Joost (r.) 1997 am Gardasee mit ihrer Freundin Nancy Birkhölzer, heute Gründerin und Investorin Foto: Privat
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„Wir haben uns gefühlt wie Gipfelstürmerinnen“

Bei einer Klettertour knüpfte Gesche Joost, die heutige Präsidentin des Goethe-Instituts, den ersten Knoten für einen roten Faden, der sich durch ihr ganzes Leben ziehen sollte.

Zu Beginn meines Designstudiums Mitte der 1990er Jahre ist einer unserer Professoren mit uns zum Klettern an den Gardasee gefahren. Der theoretische Überbau, dass es Verbindungen und Vertrauen braucht, um ans Ziel zu kommen, erschloss sich mir damals noch nicht. Ich hatte einfach eine gute Zeit – und eine Freundin gefunden: Nancy Birkhölzer.

Einige Wochen später fragte der Prof, wer HTML programmieren könne, vielleicht auch, wer daran Interesse habe. Genau verstanden hatten wir das nicht. Trotzdem riefen Nancy und ich sofort: Hier! Ich hatte damals kaum Ahnung von Computern und gerade meine allererste Mailadresse eingerichtet. Am Tag darauf haben wir für eine Agentur die erste Website der Parfümerie Douglas programmiert. Wir waren aus der Hochschule direkt zu einem Buchladen gefahren, um uns ein Handbuch über Website-Programmierung zu besorgen – und haben uns das über Nacht beigebracht.

Von da an haben wir unser ganzes Studium mit dem Programmieren von Websites finanziert, auch für große Kunden wie Davidoff und Jil Sander. Wir haben uns gefühlt wie Gipfelstürmerinnen. Beim Klettern hängt man auch in der Wand und denkt: Puh, das schaffe ich nicht! Aber dann tastet man sich von Griff zu Griff, feuert sich an – und steht schließlich gemeinsam oben.

In der wilden Internetzeit der 90er habe ich mit Nancy gelernt, dass man sich etwas zutrauen kann. Dass man im Team alles schaffen kann. Und besonders, wie spannend das Digitale ist. Als Professorin an der Universität der Künste habe ich später zur Interaktion von Mensch und Maschine geforscht. Ich war immer überzeugt davon, dass schon Kinder das Programmieren lernen sollten, und habe zusammen mit Gleichgesinnten Calliope gegründet, eine gemeinnützige Initiative für digitale Bildung mit einem Mini-Computer.

Auch am Goethe-Institut hilft mir diese Denkweise: Das Internet ist eine dezentrale Infrastruktur. Und ich bin überzeugt: Genau diese flexiblen Netzwerke sind Organisationsformen, die gerade in den heutigen Zeiten großer globaler Krisen wertvoll und resilient sind.

Gesche Joost Foto: PR
  • Geboren: 30. November 1974 in Kiel

  • Professur: Designforschung an der Universität der Künste

  • BerlinPolitik: Mitglied SPD-Schattenkabinett unter Frank-Walter Steinmeier 2018

  • Aufsichtsratsmandate: Ing Diba und Ottobock

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