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„Wir stehen für Werte“: Wie sich Unternehmen für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen

Das Eintreten für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, die auch konkrete Maßnahmen und eine mutige Haltung durch Unternehmen erfordert.

Die Zeichen stehen auf Niedergang

Desinformation und Hassreden bedrohen unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Social Media betont häufig emotionale Inhalte und schnelle Aufreger und liefert einfache Antworten. Doch in der Realität sind die meisten Dinge komplex und ambivalent. Viele Menschen fühlen sich überfordert, jede Information zu hinterfragen: Stimmt das oder nicht? Was spricht dafür, und was dagegen? Die aktuellen Entwicklungen  tragen schließlich auch dazu bei, dass sich immer weniger Menschen aller Altersgruppen heute konzentrieren, logisch denken, Probleme lösen und Informationen verarbeiten können. Mehrere wissenschaftliche Studien weltweit liefern nach Angaben der Financial Times  klare Belege für die Erkenntnis, dass wir immer schneller wesentliche Aspekte unserer Intelligenz verlieren. Die Folgen sind bereits spürbar. Dazu gehört die zunehmende Erschwerung der Unterscheidung zwischen Fakten und Fiktionen, der Wunsch nach Bescheidwisser-Instanzen und die zunehmende Verbreitung von Desinformation. Auch Unternehmen können davon betroffen sein oder wenn Projekte gesellschaftlich  umstritten sind (z.B. Windkraftanlagen, vegane Ernährung, Migration). Es besteht die Gefahr, dass Menschen aus Protest, aus Wut und aus dem Gefühl einer persönlichen Angst und Ohnmacht antidemokratischer Desinformation glauben. 

Diese Entwicklung gefährdet nicht nur die Lösung drängender Zukunftsfragen – es untergräbt auch das Vertrauen in die Demokratie selbst.  Damit sie nachhaltig wirken kann, müssen auch Unternehmen wirken, denn sie sind Teil der Gesellschaft. Ihre Stakeholder erwarten von ihnen eine klare Haltung. Vor allem Mitarbeitende und Kunden fragen verstärkt danach, „wofür“ ein Unternehmen steht. Wesentliche Treiber für diesen Kultur- und Werteprozess sind Globalisierung, der demografische Wandel, Diversifizierung und Vernetzung über Unternehmensgrenzen hinweg. Keine Organisation wird in einer solchen Arbeits- und Lebenswelt überlebensfähig sein, wenn sie nicht ein stabiles Wertegerüst hat, das auf einem tragfähigen und Fundament basiert. Praxis ist eine kooperative menschliche Tätigkeit, die auf bestimmten Regeln und Handlungsmaßstäben beruht und zielgerichtet ist. Ihr Wesen besteht für den schottisch-amerikanischen Philosophen Alasdair Chalmers MacIntyre darin, dass sie nicht nur äußere Güter wie Erfolg oder Profit hervorbringt, sondern auch „innere Güter“, die menschliche Tugenden wie Respekt oder Solidarität systematisch fördern. Werte sind motivierende Haltungen, die das Ethos (das Selbstverständnis), die gelebten Leitbilder von Unternehmern, konstituieren. Deshalb sind sie von entscheidender Bedeutung für ihre Verhaltensmuster. Werden Werte glaubhaft gelebt, sind sie nicht zuletzt eine wesentliche Grundlage für Vertrauen. Mit konkreten Handlungen gewinnen Unternehmen gegenüber ihren Stakeholdern an Glaubwürdigkeit. 

Wie Unternehmen zur Stärkung der Demokratie beitragen können:

  • Argumentationstrainings, Workshops zu Vielfalt- und Toleranzförderung oder Weiterbildungen zum Umgang mit Desinformation und Hate Speech (z.B. vom Business Council for Democracy) und Schulungsmodule für Mitarbeitende, in denen beispielsweise zu KI-generierten Falschinformationen, Bot-Manipulation oder auch Agitation durch Influencer (TikTok u. a.) aufgeklärt wird

  • aktive Positionierung des  CEOs zu politischen Ereignissen oder Entscheidungen, die einen Bezug zum Unternehmen haben

  • professionelle Faktenchecks (z.B. Content Credentials, die die Herkunft und Bearbeitung digitaler Inhalte transparent dokumentieren)

  • Einbindung der Mitarbeitenden in operative oder strategische Entscheidungen des Unternehmens 

  • branchenspezifische Initiativen und regionale Zusammenschlüsse (gemeinsamen Wirken in Allianzen und Bündnissen) 

  • Sicherstellung der Meinungsfreiheit der politische Neutralität im Unternehmen 

  • klare öffentliche Position für Vielfalt sowie gegen Hass und Hetze 

  • aktive Reaktionen bei akuten Zwischenfällen oder strafbaren Handlungen (Sanktionierung der Vorkommnisse) 

  • Aufbau von unternehmensweiter Resilienz 

  • Sensibilisierung der Stakeholder

  • Förderung von demokratischen Prozessen in Unternehmen (Mitarbeitende interessieren sich dann mehr für Politik, sind stärker gesellschaftlich engagiert und übernehmen eher Verantwortung: Spillover-Effekt)

  • Überprüfung der eigenen Werte und des Code of Conduct und ob sie im Alltag gelebt werden sowie Kommunikation der Unternehmenswerte (warum sind sie für das Unternehmen wichtig)

  • Wahlaufrufe 

  • mit ihren Produkten oder Dienstleistungen den Zusammenhalt stärken.

Netzwerke und Initiativen:

Alliance4Europe: Alliance4Europe betreibt ein Netzwerk zur Erkennung und Abwehr von Desinformationsbedrohungen und ermöglicht eine skalierbare Zusammenarbeit mit denjenigen, die die Demokratie während und nach den Europawahlen 2024 verteidigen wollen. 

Bayern-Allianz gegen Desinformation: Das Bayerische Staatsministerium für Digitales und das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration initiierten die Bayern-Allianz gegen Desinformation. Um dem Problem zu begegnen, vereint sie fünf Handlungsfelder: ein Paket staatlicher Maßnahmen, ein Bündnis mit internationalen Plattformbetreibern und Unternehmen, die Stärkung von Qualitätsmedien und Medienvielfalt, die Assoziierung politischer Akteure sowie den engen Schulterschluss mit der Zivilgesellschaft.

Business Council for Democracy #BC4D: In Partnerschaft mit Unternehmen, Gewerkschaften und Verbänden fördert die Robert Bosch Stiftung, die Gemeinnützige Hertie Stiftung und das Institute for Strategic Dialogue neue Allianzen zum Schutz der Demokratie im digitalen Zeitalter. Der BC4D macht Angebote, die Menschen im beruflichen Kontext Kompetenzen vermitteln, um digitale Gefahren zu erkennen und sich selbst und andere vor ihnen zu schützen.

Ethics in Business: Ethics in Business ist eine Werte-Allianz mittelständischer Unternehmerinnen und Unternehmer. Durch ihre Mitgliedschaft tragen sie ihre Überzeugung wirkungsvoll nach außen, und erhalten Hilfen, Corporate Social Responsibility systematisch und effektiv in ihrem Unternehmen zu verankern. 

European Digital Media Observatory (EDMO): Das europäische Netzwerk arbeitet daran, die Zusammenarbeit einer multidisziplinären Gemeinschaft von Akteuren im Kampf gegen Online-Desinformation zu stärken und zu ermöglichen. Es bringt Faktenprüfer, Medienkompetenzexperten und Wissenschaftler zusammen, um Desinformation in Zusammenarbeit mit Medienorganisationen, Online-Plattformen und Medienkompetenzpraktikern zu verstehen und zu analysieren. EDMO kann auf ein Netzwerk von 14 nationalen und multinationalen Hubs zurückgreifen , die in 28 Ländern der EU und des EWR aktiv sind. 

news-polygraph: Das KI-Forschungsprojekt „news-polygraph“ wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderprogramms „RUBIN – Regionale unternehmerische Bündnisse für Innovation“ für eine Förderung ausgewählt. Ziel des Projektes ist die Entwicklung einer Technologieplattform, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz gezielte Desinformation („Fake News“) identifiziert. Dafür kombiniert „news-polygraph“ verschiedene Software-Werkzeuge zur Erkennung von Manipulationen an Bildern, Ton, Videos sowie Texten. So entsteht eine vernetzte Palette digitaler Werkzeuge für den Einsatz gegen gefälschte oder aus dem Kontext gerissene Informationen. An der Forschung und Entwicklung werden in den nächsten drei Jahren insgesamt zehn Partner aus Berlin, Brandenburg und Thüringen zusammenarbeiten, darunter Institutionen aus Wissenschaft, Medien, Technologie und Wirtschaft.

Wir stehen für Werte: Die Wirtschaftsallianz aus mehr als 40 deutschen Unternehmen und Organisationen hat sich anlässlich der Europawahlen 2024 mit dem Ziel gegründet, sich klar zu einem geeinten Europa zu bekennen. Zu Vielfalt, Offenheit und Toleranz. 

Wirtschaft für Demokratie: Die Initiative entstand in vielen Gesprächen mit Mitgliedsunternehmen des Branchennetzwerks owl maschinenbau. Das Netzwerk, das seit der Gründung 2003 an der Innovations- und Zukunftsfähigkeit des Maschinenbaus der Region Ostwestfalen-Lippe arbeitet, möchte mit der Initiative Unternehmen und Unternehmern (nicht nur aus OWL) eine Möglichkeit geben, sich hinter die Werte des Grundgesetzes zu stellen und so ein Zeichen für Toleranz und Demokratie zu setzen.

Weiterführende Informationen:


Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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