„Wird das Auto geliefert – oder muss ich es selbst abholen?“ Wie sich das Bewerberverhalten verändert hat
Fachkräfte sind gefragt wie nie – doch viele Bewerber überraschen mit neuen Erwartungen. Zwischen Selbstfürsorge, Verbindlichkeit und Realität entsteht ein Spannungsfeld. Was Unternehmen jetzt brauchen, ist mehr als nur gutes Personal: Es braucht Verständnis auf beiden Seiten.
Wer in der Homecare-Branche arbeitet, weiß: Fachkräfte sind knapp, die Anforderungen hoch, und gute Mitarbeiter zu finden gleicht mittlerweile der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Als Geschäftsführerin einer auf die ambulante Hilfsmittelversorgung spezialisierten Personalvermittlung begleite ich jeden Tag Gespräche zwischen Arbeitgebern und Bewerbern. Was dabei zunehmend auffällt: Die Bewerberwelt verändert sich – und nicht immer in eine Richtung, die leicht nachzuvollziehen ist.
Neue Töne in Bewerbungsgesprächen
In einem Austausch mit einer Kundin kamen kürzlich Sätze zur Sprache, die sinnbildlich für den aktuellen Wandel stehen:
„Ich fühle mich psychisch belastet, wenn mein Handy an ist.“
„Und was macht Ihr Unternehmen jetzt eigentlich so?“
„Wird das Auto geliefert – oder muss ich es selbst abholen?“
Zugleich häufen sich Fälle, in denen Bewerber schlicht nicht zum Vorstellungsgespräch erscheinen – ohne Absage, ohne Rückmeldung.
Was ist da los?
Natürlich wissen wir: Die nachkommenden Generationen haben ein anderes Verhältnis zu Arbeit, zu Grenzen, zu Selbstfürsorge – und das ist grundsätzlich gut. Aber der Ton, die Erwartungshaltung und manchmal auch die Realitätstauglichkeit mancher Anfragen werfen Fragen auf:
Ist das noch gesundes Selbstbewusstsein – oder Realitätsferne?
Wie viel Flexibilität ist möglich, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden?
Und wie gelingt es, Werte wie Zuverlässigkeit und Verbindlichkeit neu zu verankern?
Der Spagat der Unternehmen
Homecare-Unternehmen arbeiten oft unter enormem Druck. Sie müssen gleichzeitig Patienten versorgen, wirtschaftlich handeln, gesetzliche Vorgaben einhalten – und dabei ein attraktiver Arbeitgeber sein. Kein leichtes Unterfangen. Viele Verantwortliche berichten, dass die Fluktuation steigt, die Betriebszugehörigkeit kürzer wird und Gehaltsforderungen mitunter das wirtschaftlich Tragbare übersteigen.
Was wir als Vermittler leisten müssen
In meiner Rolle als Vermittlerin sehe ich mich zunehmend als Übersetzerin zwischen zwei Welten. Es geht nicht mehr nur darum, Stellen zu besetzen. Es geht darum, Erwartungshaltungen auf beiden Seiten zu klären:
Was ist machbar – und was nicht?
Was braucht der Bewerber wirklich – und was ist nur „Verhandlungstaktik“?
Und wie bleiben Unternehmen dabei authentisch und standhaft?
Fazit
Die Branche verändert sich – und mit ihr das Miteinander von Bewerbern und Arbeitgebern. Das ist kein Grund zur Klage, sondern eine Einladung zur Diskussion. Wie wollen wir in Zukunft zusammenarbeiten? Was erwarten wir voneinander? Und wie schaffen wir es, dass sich beide Seiten wieder auf Augenhöhe begegnen – mit Respekt, Offenheit und dem gemeinsamen Ziel: gute Versorgung für Menschen, die auf uns zählen.