Wirtschaftsbashing – Privileg des Wohlstandes
Der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet stellt sich gegen CEOs
Es ist nicht weise, in die Hand zu beißen, die einen stets gefüttert hat
Die Wirtschaftswelt ist der Politik weit voraus
Kennen Sie noch die Looney-Tunes-Figuren Daffy Duck und Bugs Bunny? In der Folge „A Star Is Bored“ sitzt Bugs Bunny auf dem Ast eines Baumes. Der verkleidete Daffy Duck klettert voller hämischer Vorfreude auf den Baum, um den Ast durchzusägen, auf dem sein ewiger Kontrahent Bugs sitzt. Jedoch: Anstelle des Astes, auf dem Bugs Bunny sitzt, fällt der nicht verwurzelte Baum mit Daffy Duck.
Die Quintessenz dieses Comics: Wenn du einen Ast durchsägst, stelle sicher, dass du dich auf der richtigen Seite befindest. Jeder kennt diese Sprüche – Pardon, fast jeder. Bei der Stichwahl um den neuen CDU-Vorsitz zwischen Friedrich Merz und Armin Laschet, sagte Laschet:
Die CDU und das Deutschland, das ich vor Augen habe, braucht keinen CEO, keinen Vorstandsvorsitzenden, sondern einen Mannschaftskapitän, der führt und zusammenführt.Armin Laschet
Mir geht es nicht um eine Verteidigung von Friedrich Merz, sondern einzig und allein um die soeben zitierte Aussage. Denn: Wenn der nun Vorsitzende der (nach Sitzen im Bundestag) größten Partei Deutschlands allen CEOs, Vorstandsvorsitzenden oder anderen hohen Geschäftsleuten pauschal die Führungsfähigkeiten abspricht – dann sollte das die Wirtschaftswelt aufhorchen lassen.
Mit Aussagen wie diesen lässt Armin Laschet keinen Zweifel daran, dass er Daffy Duck ist und seine Kontrahenten die CEOs sind. Dass er sich selbst widerspricht, indem er im gleichen Satz spaltet und dann nach jemandem verlangt, der zusammenführt, ist das eine Problem. Mit diesen falschen Bildern läuft der CDU-Vorsitzende aber auch Gefahr, selbst abzustürzen – oder noch schlimmer: Er lädt ein zum Wirtschaftsbashing.
Schwarze Schafe gibt es überall
Spricht man von CEOs, denken viele scheinbar an Reichtum, tolle Autos und gleichzeitig an Finanzskandale und Wirtschaftskriminalität. Doch woher kommt dieser Neid und Groll? Liegt es bei Laschet etwa daran, dass er nur Mitglied des Aufsichtsrats von Thyssen-Krupp, nicht aber der Aufsichtsratsvorsitzende selbst ist? Wieso soll etwa ein Schiffskapitän führen können, aber ein Vorstandsvorsitzender bzw. CEO nicht?
In Deutschland ist es noch immer Usus, Unternehmer und die Wirtschaft per se negativ zu sehen. Unternehmertum wird in vielen Haushalten nicht gefördert, sondern die Kinder sollen lieber ihren Berufsweg in der Verwaltung, den vermeintlich sicheren Jobs in der Automobilindustrie oder weiterhin in der Old Economy einschlagen. Vorurteile für den Erhalt der eigenen Macht zu verstärken ist gängige Praxis der Politik. Doch in Zeiten der größten Krise nach dem 2. Weltkrieg könnten diese Vorurteile eher wirken wie Öl ins Feuer zu gießen – brandgefährlich. Es vertieft Gräben, anstatt diese zu füllen. Dieser „Wir gegen die“- Gedanke mag zwar revolutionär romantisch wirken, bringt aber keinerlei Fortschritte. Schon gar nicht, wenn man im nächsten Atemzug die Innovationskraft der Wirtschaft heraufbeschwören will, um die Erderwärmung zu beschränken - ach ja, stimmt: Man gehört ja Thyssen-Krupp an und muss das tun. Aber sicher: Nicht jeder CEO ist ein Heiliger. Nennen Sie mir bitte eine Berufsgruppe, die ausschließlich aus solchen besteht.
Ein CEO ist vieles: Ein Arbeitgeber, der dafür sorgt, dass andere Menschen ein Dach über dem Kopf haben, Essen auf den Tisch kommt und deren Bankkonten wachsen können. Hinter der Bezeichnung CEO/Geschäftsführer steckt meist ein Mensch, der eine Idee in eine Firma umgewandelt hat. Jemand, der in diesen Zeiten seiner Belegschaft beibringen muss, dass wir vor einem tiefgreifenden Wandel stehen. Dabei ist sicher nicht jeder von ihnen ein Visionär, aber doch trägt jeder ordentlich wirtschaftende CEO mit dessen Angestellten zu einem großen Ziel bei: Wohlstand.
Wohlstand ist etwas, von dem alle profitieren – unabhängig von der Einkommensklasse. Wohlstand bedeutet Freiheit. Das schließt auch die Freiheit mit ein, gegen die Wirtschaft zu sein. Wohlstand ermöglicht es aber auch, das teuerste Parlament in der westlichen Welt zu unterhalten.
Ein moderner CEO ist bereits Teil der Crew
Bildlich gesehen ist die Rede Laschets phänomenal. Eine Schifffahrt verspricht das weite Meer, das Unbekannte und Abenteuer weit abseits der anstehenden Steuererklärung. Bloß weg hier! Es könnte aber auch noch ein anderes Bild darin stecken. Ein Kapitän hat die absolute Macht über seine Mannschaft. Im Gegensatz zu einem modernen CEO. Doch klar: Laschet muss sich abgrenzen von der Wirtschaft – zur eigenen Positionierung.
Dennoch: Das Schlechtreden von CEOs und Vorstandsvorsitzenden ist billige Meinungsmache und trägt keinesfalls positiv dazu bei, viele politisch verursachte Mängel (Digitalisierung: Fehlschlag, Bildung: Fehlschlag, C02-Reduzierung: Fehlschlag) in den Griff zu bekommen. Deutschland steckt in einer tiefen Rezession. Die deutsche Wirtschaft ist im Jahr 2020 um 5 Prozent geschrumpft. Das ist beinahe so viel wie in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 (5,7 Prozent). Ist das der richtige Zeitpunkt, um in die Hand zu beißen, die einen stets gefüttert und zu einem gigantischen Polster geführt hat, aus dem wir die ersten Corona-Hilfen locker zahlen konnten? Nein. Und es wird auch in Zukunft niemals weise sein. Manchmal frage ich mich, warum gerade in der Politik solch eine Angst umgeht, parteiübergreifend in einer sachlichen und objektiven Art zusammenzuarbeiten. Denn geht es darum, Führung – sprich Zusammenarbeit zu orchestrieren, könnten Politiker gerade von der Wirtschaft lernen.
In der Wirtschaft dreht sich im Gegensatz zur Politik alles um Effektivität und Effizienz. Ein moderner Unternehmensführer, CEO, Unternehmer oder Geschäftsführer, ist sich darüber im Klaren, dass er seine Firma, seinen Betrieb transformieren muss. Er und sie wissen auch, dass sie nur damit einen Beitrag leisten können, unsere Gesellschaft hin zu einer CO2-neutralen, digitalisierten Kreislaufwirtschaft zu überführen. Denn das ist die Aufgabe der nächsten Dekade, wollen wir alle Herausforderungen unserer Zeit meistern: Corona, Klimawandel, Arbeitgeber-Konkurrenz, Digitalisierung, Fachkräftemangel, Überalterung werden uns noch Jahrzehnte beschäftigen. Diese Herausforderungen bestreiten CEOs nicht, indem sie brüllend die Peitsche schwingen. Im Gegenteil: Sie ermöglichen neue Unternehmenskulturen, in denen Faktoren wie Engagement, Stressresistenz und Gesundheit der Mitarbeitenden verbessert werden. Sie schaffen neue Arbeitsformen, innovative Verfahren und neue menschenzentrierte Netzwerkorganisationen, um damit in ruhiges Fahrwasser zu wechseln. Damit einhergehend sind signifikante Steigerung von Unternehmensprofiten.
Ein Beispiel dafür ist Deutschlands börslich höchstdotiertes Unternehmen SAP: Bei SAP geht man davon aus, dass ein Anstieg des Mitarbeiterengagements um nur einen Prozentpunkt zu einem Anstieg des Betriebsgewinns von 50-60 Millionen Euro führt. Nimmt man diesen einen Prozentpunkt und investiert ihn in die Gesundheitskultur des Unternehmens, spricht man schon von 85-95 Millionen Euro. Also: Ein wirtschaftlich geführtes Unternehmen, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt, schließt sich nicht aus.
Die Wirtschaft ist der Politik einen Schritt voraus
Agile Projektarbeit wie Scrum, Mindful Management, Empowerment, Environmental Social Governance, Economic Responsibility, Arbeitszeitautonomie oder eine Gehaltsgilde, in der Mitarbeiter selbst über ihre Einkommen abstimmen – all das sind Elemente einer sich abzeichnenden tiefgreifenden Veränderung darin, wie Unternehmen intern arbeiten. Sie ebnen den Weg in eine neue Arbeitswelt. Würden diese Veränderungen keine positiven Aspekte hervorbringen, würden sie nicht global in der Wirtschaftswelt ausgerollt werden.
An einer weiteren Stelle muss man dem CDU-Vorsitzenden stark widersprechen. Wir brauchen niemanden, der uns führt und zusammenführt. Keine Einzelperson. Kein Team. Keine Mannschaft. Was wir brauchen, ist eine Kultur der Zusammenführung. Eine Kultur, die jeden einbezieht. Denn wenn wir schon bei der Seefahrt sind: Wir sitzen doch alle im gleichen Boot, oder?
Also bitte: kein sinnfreies CEO-Bashing. Folgen wir lieber den positiven Veränderungen, die derzeit in unserer Wirtschaft stattfinden und nutzen das, um ein besseres Morgen aufzubauen. Wenn auch die Politik Interesse an solchen Veränderungsprozessen hat, stehe ich gerne beratend zur Seite.