Wo bleibt das Positive heute?
Ganz ehrlich, es gibt viele Gründe pessimistisch zu sein, vor allen immer dann, wenn wir die Nachrichten und unzähligen "Social Media"-Informationen über die aktuelle Weltlage konsumieren. Jeden Tag tausende von Botschaften, die in der Regel immer eher negativ sind. "Bad News sell better than Good News", sagte mir einmal ein US-amerikanischer Verleger. Unser Wahrnehmungssystem reagiert stärker auf negative Botschaften.
Das ist ein Teil unseres evolutionären Erbes, und das hat uns schließlich bis zum heutigen Tag gedient: nämlich zu überleben. Wir sollten wir uns immer wieder vor Augen führen, dass wir Menschen in erster Linie emotionale Wesen sind. Die emotionale Erregung erfolgt entweder über positive oder über negative Emotionen, die wir in jedem Moment (meist unterbewusst) wahrnehmen. Unser emotionaler Autopilot ist immer eingeschaltet - und er reagiert, ob wir das wollen oder nicht. Wir können uns dieser Wahrnehmung einfach nicht entziehen, aber wir können sie wahrnehmen und dann reflektiert darauf reagieren.
Wir haben in jedem Moment nämlich noch ein ganz wunderbares Geschenk, das Viktor Frankl die "Freiheit der Wahl" nennt: Ich kann mich in jedem Moment bewusst entscheiden, wie ich auf eine bestimmte Situation bzw. Emotion reagiere. Leider ist das den meisten Menschen nicht bewusst, und sie sind somit Opfer der Umstände.
Wenn wir die Geschichte der Menschheit genauer betrachten würden, dann würden wir erkennen, dass die Welt in einem viel besseren Zustand ist, als wir es uns vorstellen können. Das sage ich mit aller Vorsicht aus einer Makro-Perspektive. Auf globaler Sicht haben sich ganz viele Parameter deutlich zum Besseren verändert.
Das belegen Studienergebnisse des Gesundheitsökonomen Hans Rosling, der in 14 Ländern mehr als 12.000 Menschen zu ihrer Sicht auf spezifische Themen befragte. Die Neue Züricher Zeitung formuliert es wie folgt: „Setzen Sie die negative Brille ab – die Welt ist viel besser, als Sie glauben!“ Für mich persönlich gibt es dazu zwei Merksätze: "Der Optimist bekommt das war er sich wünscht und der Pessimist bekommt das, was er befürchtet." Da bleibe ich doch lieber Optimist und glaube eben nicht alles, was ich denke, weil ich weiß, dass mein Denken meine Wahrnehmung und mein Verhalten beeinflusst. Auch von dem amerikanischen Psychotherapeuten Steve de Shazer gibt es die kluge Botschaft: "Reden über Probleme schafft Probleme, Reden über Lösungen schafft Lösungen". Wir sollten uns immer wieder vergegenwärtigen, warum wir so denken, wie wir denken, und mit diesem Wissen bessere und klügere Entscheidungen treffen.
Gestern war alles besser - die Verklärung der Vergangenheit begegnet uns auf Schritt und Tritt. Wir romantisieren das Gestern und glauben wirklich, dass es vernünftig wäre, so zu denken. Es ist aber genau das Gegenteil der Fall. Der Psychologe Rüdiger Pohl hat lange über das Gedächtnis und seine Fehler geforscht und ist Autor des Buches „Das autobiografische Gedächtnis. Die Psychologie unserer Lebensgeschichte“. Wenn wir eine Erinnerung abrufen, über sie nachdenken oder von ihr erzählen, wird diese Erinnerung verändert. "Unser Gehirn ist ein lebendiges Organ, das seine Vernetzung in jedem Augenblick ändert und damit auch die Organisation der Inhalte und sogar die Inhalte selber", sagt Pohl. Das ist offensichtlich ein evolutionärer Schutzmechanismus, der uns in die Lage versetzen soll an den Herausforderungen des Lebens eben nicht zu verzweifeln. Wir möchten, dass unsere Erinnerung sehr gut zu unserem aktuellen Selbstbild passt - dafür ist die erinnerte "Selbsterhöhung" nicht die schlechteste Strategie.
Hier möchte ich gerne wiederholt auf meine "3 Stufen Therapie" verweisen
1. Wahrnehmen
2. Entscheiden
3. Handeln.
Wirklich wahrnehmen was ist, ist schon die erste große Herausforderung, wenn wir dann möglichst bewusst und möglichst unbeeinflusst von unseren Wahrnehmungsverzerrungen einen vermeintlich objektiven Eindruck auf die Wirklichkeit bekommen, dann sind wir in der Lage, gute bzw. bessere Entscheidungen zu treffen. Entscheiden wir uns für den besseren Weg, für die bessere Alternative (die gibt es immer)! Und nun kommt die größte Anstrengung und Herausforderung: Jetzt gilt es der getroffenen Entscheidung die Tat folgen zu lassen.
Leider muss ich in der ehrlichen Selbstreflektion sagen, dass das am schwersten ist. Hier versage ich häufiger, und hier scheitern leider die meisten Zeitgenossen. "Information ohne Anwendung ist wertlos" - das gleiche Prinzip gilt hier: Wenn wir etwas erkennen und nicht handeln, dann ist das nicht nur traurige Realität, sondern dann haben wir auch die nach der Entscheidung bereitgestellte Energie ohne Wirkung verpuffen lassen. Wir fühlen uns müde und erschöpft, obwohl wir gar nichts getan haben.
Dort, wo unsere Aufmerksamkeit ist, dort ist unsere Wahrheit und dort ist unsere Energie. Man sollte einen Moment innehalten und in sich hineinhorchen. Die innere Stimme, die Intuition, wird antworten. Wichtig ist, aktiv zuzuhören und diese Situation mit der oben beschriebenen 3-Stufen-Therapie zu lösen.
Ich empfehle jedem Menschen, den intensiven Blick in den Spiegel und die ehrliche Reflexion. Diese Aufgaben und Fragen sind dabei von Bedeutung:
Beschreiben Sie die Person, die Ihnen morgens im Spiegel begegnet.
In welcher emotionalen Verfassung ist diese Person (ist sie auf dem Highway to Hell oder auf dem Stairway to Heaven?)
Was macht diese Person großartig?
Notieren Sie die Ausreden, die Sie ab heute "loslassen" ( Hinter jeder Ausrede liegt die Angst vor Veränderung.)
Wie werden Sie zum Vorbild für andere?
Was machen Sie ab heute besser als gestern?
Für mich ist ein Bibelzitat ein ständiger mentaler Begleiter auf dem Weg zur positiven und zuversichtlichen Lebensweise. "Die Dunkelheit kann die Dunkelheit nicht besiegen, das kann nur das Licht." Und auch wenn wir nur eine kleine Flamme, ein kleines Licht sind, sind wir immer stärker als die stärkste Dunkelheit. Wie bereits ausgeführt, bekommen wir immer das vom Leben zurück, was wir selbst eingebracht haben. Es ist wie in der Landwirtschaft oder im Garten: Wir können nur das ernten, was wir vorher gesät und gepflegt haben. Wir sollten also Gutes säen, damit wir später Gutes ernten können.
Zum einen empfinde ich so etwas wie eine Art Versprechen, meine Gaben in diese Welt einzubringen, um damit zu Verbesserungen beizutragen. Jeder Mensch hat einzigartige Fähigkeit und Talente, und die soll er/sie nicht für sich behalten. Ich glaube, dass es unsere Aufgabe ist, diese Einzigartigkeit für ein besseres Ganzes einzubringen. Ich kämpfe oft mit Ängsten und Selbstzweifeln, und in einem besonderen Moment der stillen Reflexion hörte ich die Stimme von oben vom "liebenden Gott", der mich gefragt hat: "Bert, habe ich Dich jemals hängen lassen?" Und ich habe spontan geantwortet "Nein, Du hast mich noch nie hängen lassen." Jeden Tag erinnere ich mich an das Prinzip der Dankbarkeit, die Cicero als die Mutter aller Tugenden definiert hat. In den Momenten der Dunkelheit versuche ich meine Aufmerksamkeit auf Dinge und Momente zu lenken, für die ich dankbar bin:
Danke für das Geschenk des Lebens, Danke für meine Gesundheit, Danke für meine Familie, Danke, dass ich so viele Fehler machen darf, Danke für die unermüdlichen Lebenslektionen, die mir helfen sollen, jeden Tag ein kleines Stück besser zu sein als gestern. Ich vertraue dem Prozess und bringe mich ein - in dem tiefen Wissen, dass es immer einen besseren Weg gibt, auch wenn wir ihn im Moment nicht sehen können.
Bert Martin Ohnemüller: „Raus aus dem Kopf – voll rein ins Herz …“. Gedanken und Interviews für mehr Freude, Erfolg und Erfüllung im Berufs- und Privatleben. Hg. von Alexandra Hildebrandt. Kindle Edition 2023.
Bert Martin Ohnemüller: Warum wir in der Dekade der Menschlichkeit das Emotionale Positionierungs-System (EPS) brauchen. In: Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.
Bert Martin Ohnemüller: LEAD SPEAK INSPIRE: Eine Inspirationsquelle für die vor uns liegende "Dekade der Menschlichkeit", die neue Sichtweisen auf Führung, Teams und Unternehmenserfolg fordert. 3. Auflage Frankfurt a. M. 2019.
Bert Martin Ohnemüller: LEAD SPEAK INSPIRE Inspirationsbuch Zielführende Fragen und Übungen helfen Ihnen Ihr wahres Potenzial im Berufs- und Privatleben zu entfalten. Frankfurt a. M. 1. Auflage Februar 2019.