Wo das Wort Danke am besten platziert ist
Das Wörtchen Danke gehört in den Sprachgebrauch jedes Chefs. Es richtig zu nutzen, will gelernt sein. Eine neue Studie offenbart etwas Entscheidendes.
Als Microsoft-Chef Satya Nadella Ende März 2020 eine E-Mail an seine Belegschaft schickt, hat das Coronavirus bereits drei Monate lang gewütet, hat Tausende Menschenleben gefordert und Börsenkurse einstürzen lassen. Nadella spricht dem Team in 10 495 Zeichen seinen „tiefsten Dank“ dafür aus, „dass Sie sich in der Krise auf kreative und kooperative Weise für unser Unternehmen und unsere Kunden eingesetzt haben“.
Eine emotionale, eine aufrichtige Mail. Aber: Hätte Nadella sie einige Wochen zuvor verschickt, hätten sich die Mitarbeiter vermutlich noch stärker ins Zeug gelegt. Wer sich bei seiner Belegschaft für deren Einsatz bedankt, bevor es im Job so richtig stressig wird, steigert nämlich deren Motivation und Durchhaltevermögen stärker als mit einer Danksagung nach getaner Arbeit. Das zeigt eine Studie der Forscherinnen Hooria Jazaieri und Olivia O’Neill, die in den USA an Universitäten in Kalifornien und Virginia arbeiten.
Dass das Wörtchen mit den fünf Buchstaben zum Wortschatz jedes Chefs gehören sollte, wissen Managementforscher seit Jahrzehnten. Studien zeigen: Wer die Arbeit seiner Beschäftigten schätzt und sich bedankt, stärkt die persönliche Bindung. Mitarbeiter sind zufriedener, kreativer, engagierter im Job, fehlen seltener und haben ein geringeres Risiko für eine Burn-out-Erkrankung. Doch mit diesem Wort ist es so eine Sache. Nicht nur, dass der Dank in einer stressigen Phase oft zu kurz kommt, auch der Zeitpunkt, ihn zu äußern, ist wichtig.
In ihrer Studie wollten Jazaieri und O’Neill ursprünglich herausfinden, wie Firmen ihren Mitarbeitern helfen können, mit Belastungen umzugehen. Dafür analysierten sie fast 800 Mails von Pflegern und Ärzten, die auf Intensivstationen einer großen Klinik in den USA arbeiteten. Die Mails stammten aus einem Zeitraum von vier Jahren: Lob, Danksagungen, Willkommensnachrichten und Verabschiedungen. Zusätzlich befragten die Forscherinnen Mitarbeiter und beobachteten sie bei ihrer Arbeit, die von emotionaler Belastung, von Überstunden und straffen Schichtplänen geprägt war.
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Nicht der Normalfall
In den Mails zeigte sich: In den meisten Fällen dankten die Mitarbeiter ihren Kollegen erst im Nachhinein. Ganz so, wie es die Forscherinnen erwartet hatten. Ein Pflegeausbilder etwa sprach seinen Dank denjenigen aus, „die dazu beigetragen haben, einen weiteren verrückten Tag zu bewältigen“. Hin und wieder aber bedankten sich Mitarbeiter, bevor es so richtig stressig wurde: etwa als die Klinik einen Tag lang Untersuchungen für Menschen ohne Krankenversicherung anbot. Die stellvertretende Leitung würdigte den Einsatz von zwei Mitarbeitern, weil sie wisse, dass „ein sehr anstrengender Tag“ bevorsteht, der „viel Energie“ koste. „Wir waren neugierig, ob die vorausschauende Dankbarkeit eine andere Funktion hat als der typische reaktive Dank“, sagt Jazaieri.
In einem Experiment untersuchten sie das Timing schließlich genauer. 331 Teilnehmer sollten unter Zeitdruck anhand von Wortpaaren die richtige Assoziation finden. Bloß: Die Rätsel waren nicht lösbar, die Aufgabe also frustrierend. Der Versuchsleiter dankte der einen Gruppe davor, der anderen danach. Wer ein Danke vorab erhielt, fühlte sich wertgeschätzt und wollte eher weitergrübeln.
„Letztendlich möchten Mitarbeiter das Gefühl haben, dass ihre Arbeit etwas Positives bewirkt, und sie möchten sich geschätzt fühlen“, sagt Jazaieri. Dafür müssten die Mitarbeiter einen Dank als authentisch und aufrichtig wahrnehmen. Chefs bräuchten, so betonen die Forscherinnen, ein Gespür dafür, wann die Arbeit stressig und belastend wird. Und sollten sich individuell bedanken und betonen, dass sich der Einsatz lohnen wird.
Also einfach mehr Danke sagen? Jutta Boenig, die Führungskräfte coacht, warnt: „Bedankt sich ein Chef übermäßig und immer wieder, nutzt sich die Wertschätzung schnell ab – und verfängt beim Gegenüber nicht mehr.“ Stattdessen sollten Chefinnen und Chefs „authentisch“ und „zielgerichtet“ danken. Etwa den Mitarbeitern, die gerade besonders viel auf dem Tisch haben. „Bedanken Sie sich für konkrete Projekte und Leistungen, nicht beliebig für den tollen Einsatz oder die großartige Arbeit“, empfiehlt Boenig, die beobachtet, dass viele Führungskräfte einen Dank direkt mit einer Einschränkung versehen. Nach dem Motto: „Danke für den Einsatz, aber achte beim nächsten Mal darauf, dass ...“ So verpuffe der Dank, nur die Kritik bleibe im Gedächtnis.
Je mehr Mühe sich Chefs geben, desto motivierter sind die Mitarbeiter offenbar: In einer Studie von drei Forschern in den USA gab ein Großteil der Teilnehmer an, sich am meisten über eine handschriftliche Dankesnachricht zu freuen. Wie lange Microsoft-Chef Satya Nadella wohl für 228 000 Briefe bräuchte?
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