Wo sind die Führungskräfte mit Behinderung?
Dem Arbeitsmarkt fehlen die Minderheiten - insbesondere in Führungspositionen. Eine Gruppe ist besonders auffällig unterrepräsentiert: Chef*innen mit Behinderung. Ein großer Fehler, weiß Raùl Krauthausen.
Wer in Deutschland mit einer Behinderung lebt, ist automatisch mit schlechteren Berufschancen konfrontiert. Das ist bekannt. Denn Menschen mit und ohne Behinderungen lernten, arbeiteten und lebten meist nicht gemeinsam. Deshalb wüssten sie wenig von der anderen Lebensrealität, schreibt meine Kollegin Anne Gersdorff in diesem sehr lesenswerten Artikel. Wie kommt das? Unter anderem dadurch, dass Deutschland trotz der Kritik der UN weiter an einem exklusiven Bildungssystem und Arbeitsmarkt mit Förderschulen und Behindertenwerkstätten festhält.
Dimension Behinderung wird bei Diversität oft vergessen
Nur 30 Prozent der Menschen mit Behinderungen gelangen überhaupt in den allgemeinen Arbeitsmarkt, schreibt Anne Gersdroff. Dabei stehen „Diversity and Inclusion“ mittlerweile bei sehr vielen Unternehmen auf der Agenda. Die Dimension Behinderung wird oft vergessen.
Es gibt kaum Menschen mit Behinderungen im allgem-einen Arbeitsmarkt – und schon gar nicht wirklich in Führungspositionen.
Wer kennt schon Führungskräfte mit Behinderung? Dabei kann eine Behinderung jeden Menschen treffen! 97 Prozent der Behinderungen werden im Laufe des Lebens erworben. Körperlicher und psychischer Stress, den Führungskräfte häufig haben, ist dem noch zuträglich.
Menschen mit Behinderung unkündbar? Gängiges Vorurteil!
Viel zu viele Vorurteile über Menschen mit Behinderung kursierten in der Arbeitswelt. Sie reichten von nicht so leistungsfähig und oft krank über das hartnäckige Vorurteil, Menschen mit Behinderungen seien unkündbar.
Anne Gersdorff schreibt: "Um also mehr Menschen mit Behinderungen überall in der Arbeitswelt anzutreffen, müssen wir gesellschaftlich stets und ständig gängige Klischees und Bilder von Menschen mit Behinderungen hinterfragen. Längst nicht alle Menschen mit Behinderung sind sympathisch, aber inkompetent." Mit Schulungen und Workshops könnten diesen unbewussten Vorurteilen entgegengewirkt werden.
Menschen mit Behinderung: Ihre Kompetenzen sind so vielfältig, wie sie selbst.
Wichtig: Menschen mit Behinderungen haben vielfältige Fähigkeiten, die sie in den verschiedensten Berufen einbringen könnten. In jedem Unternehmen gäbe es Tätigkeiten, die Menschen mit Behinderungen ausüben können. Ihre Kompetenzen sind so vielfältig, wie sie selbst, heißt es in dem Artikel.
Arbeitslose behinderte Menschen seien oft qualifizierter als Arbeitssuchende ohne Behinderung. Haben Menschen mit Behinderung erstmal einen Betrieb gefunden, dann seien sie sehr loyal gegenüber ihren Arbeitgeber*innen. Außerdem verfügten Menschen mit Behinderung oft über ausgeprägte Soft Skills. Sie fänden innovative Lösungsansätze oder brächten ein Organisationstalent mit, das sie in der barrierevollen Umwelt notgedrungen entwickeln mussten.
Aktiv und gezielt nach Menschen mit Behinderung suchen
Viele Unternehmen können sich die derzeitige Schnelllebigkeit in der Personalpolitik nicht mehr leisten. Setze ein Unternehmen Inklusion konsequent um, tue es nicht nur etwas für mehr Gerechtigkeit in der Welt, sondern auch für das Unternehmen selbst. Denn das Unternehmen profitiere dann von diversen Talenten und nutzte wichtige Ressourcen. Aber wie?
Im Artikel finden sich zahlreiche Tipps für Recruiter*innen wie Unternehmer*innen. Diese reichen von der Stellenausschreibung über klare Ansprechpartner*innen für Menschen mit Behinderungen im Unternehmen. Es geht nicht nur um barrierefreie Toiletten und Aufzüge (aber auch!), sondern etwa auch um Licht und Akustik, Software, Ausschlusskriterien im Auswahlprozess und wie ein Unternehmen sich selbst präsentiert (Tipp: Fotos sollten immer auf Augenhöhe gemacht werden, wie die der Fotodatenbank gesellschaftsbilder.de. Sie sollten authentische Situationen und echte Menschen mit Behinderung zeigen. Für viele Stockbilder werden zum Beispiel nicht behinderte Personen in veraltete Rollstühle gesetzt.)
Gemeinsam durch die gläserne Decke
Inklusion ist keine Frage des Ob, sondern des Wie. Denn Inklusion ist ein Menschenrecht und kein nettes Extra, schreibt Gersdorff. Dazu gehört eben auch, dass Menschen mit Behinderung überall dort arbeiten, wo alle anderen Menschen auch arbeiten – und auf allen unternehmerischen Ebenen. Nur gemeinsam können wir die gläserne Decke auch in diesem Bereich durchbrechen und Rampen und Aufzüge in alle Ebenen des Arbeitsmarkts bauen.