Wo wir die besseren Seiten der Wirtschaft finden
Vom Besserwissen zum Selber-Handeln
Das gute Leben gibt es nicht umsonst: „Du kannst die Großwetterlage nicht verändern, aber das Klima an dem Ort, an dem Du lebst.“ Dieser Satz von Meinrad Armbruster, Professor für Pädagogische Psychologie und Social Entrepreneur, ist heute besonders wichtig, weil es keine Zukunftsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Lebensfreundlichkeit ohne Selbstbemächtigung gibt. „Selbermachen! Mit Empowerment aus der Krise“ heißt ein Buch von ihm, das anschaulich zeigt, wie jeder von uns etwas im eigenen Leben verändern kann – ganz einfach, weil wir es wollen und uns nicht ablenken lassen von den Sonderangeboten des Lebens, die überall einfach zu haben sind.
Empowerment entwickelt sich derzeit zu einem Schlüsselbegriff in der Diskussion der Zivilgesellschaft und des bürgerschaftlichen Engagements. Darüber hinaus ist er auch in der Wirtschaft als nachhaltiges Konzept in Management und Führung anerkannt. Unsere Chancen, etwas zu verändern und das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen, liegen nicht in der Zukunft, sondern direkt vor uns. Wer auf den Super-Job wartet oder das eine große Ding im Leben, vergibt etliche Möglichkeiten, denn es ist die Hingabe an das Hier und Jetzt, das Chancen schafft. Der Schlüssel dafür ist Initiative. Sie ist wirksam, wenn sie mit innerer Achtsamkeit, wohlwollendem Engagement für sich und andere und einem sorgsamen Umgang mit der Natur verbunden ist.
Meinrad Armbruster zeigt, dass Mitbestimmung, Teilhabe und direkte Demokratie keine Utopien mehr sind. Doch dazu braucht es Informationen, denn es reicht nicht, nur „so ungefähr“ Bescheid zu wissen – Nachhaltigkeit braucht Aufmerksamkeit und Klugheit im Ganzen. Das lässt sich an einem spezifischen Thema wie „Nachhaltiger Druck und nachhaltiges Publizieren“ eindrucksvoll belegen.
Empowerment in der Druckbranche
Die Umsetzung in der Unternehmenspraxis findet teilweise nur zögerlich und punktuell statt, weil das bislang eher lückenhafte Wissen in gebündelter Form bislang nur schwer zugänglich war. Aus dem vom Bundesumweltministerium unterstützten Projekt „Nachhaltig Publizieren – Neue Umweltstandards für die Verlagsbranche“ haben sich deshalb auf den Bedarf von Verlagen zugeschnittene Handlungsoptionen ergeben. Dieses Potenzial soll mit dem ebenfalls vom Bundesumweltministerium unterstützten Projekt „Entwicklung eines Umweltzeichens Blauer Engel für umweltfreundliche Druckerzeugnisse“ ausgeschöpft werden. Gerade am Beispiel Druck, der viele Stellschrauben für eine bessere Ökobilanz bietet, zeigt sich auf greifbare Weise, dass es nicht nur darauf ankommt, die Dinge richtig zu machen, sondern die richtigen Dinge besser zu machen. Dazu braucht es solidarische Kooperationen, die persönliches Handeln und die Übernahme von Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt einschließt.
Hier schließt sich der Kreis zum Empowerment-Ansatz, denn nur „wer mitbestimmen kann, kann auch Verantwortung übernehmen“, sagt Claudia Silber, die beim Öko-Pionier memo die Unternehmenskommunikation leitet. Erst wenn die Eigenverantwortung von Mitarbeitern unterstützt wird, „können sie sich mit dem Unternehmen, der Philosophie, den Zielen und Maßnahmen besser identifizieren“, so die Nachhaltigkeitsexpertin. Allerdings ist im Bereich Nachhaltigkeit Verständlichkeit essentiell. „Nur wenn jeder versteht, um was es geht, und was die Vorteile sind, kann Überzeugungsarbeit geleistet werden.“
Warum Erfolg die Folge von Entscheidungen ist
Wann ist eine grüne Druckerei wirklich nachhaltig? Weshalb ist Grün nicht gleich Grün? Oberflächliche ökologische Maßnahmen reichen nicht, auch sind inzwischen Labels wie FSC, PEFC oder „Klimaneutral“ auf vielen Drucksachen und Druckerei-Homepages“. Konkreter sind Zertifikate für systematisches Umweltmanagement wie EMAS oder ISO 14001. Das Thema nachhaltig Drucken lässt sich am besten an einem Beispiel erläutern, das zeigt, was es für den Öko-Versandhandel bedeutet. Der Nachhaltigkeitsbericht der memo AG ist dafür eine wichtige Quelle, die auch für andere Unternehmen und Branchen übertragbare Informationen enthält: So wird keines der Werbemittel wird im Ausland produziert. Seit 2007 neutralisiert das in Greußenheim ansässige Unternehmen die nicht vermeidbaren CO2-Emissionen, die beim Druck, bei der Papierherstellung und beim Versand der Printmedien anfallen, durch Investitionen in anerkannte Klimaschutzprojekte.
Der Logistikpartner DHL berechnet die verursachten CO2-Emissionen beim Transport der Kataloge und gleicht sie im Rahmen der GOGREEN-Initiative durch die Förderung internationaler Umweltschutzprojekte aus. Für die Herstellung der Produktkataloge werden ausschließlich Farben mit Lösemitteln auf Basis nachwachsender Rohstoffe wie Raps oder Leinsamen verwendet. Vor jeder Katalogproduktion werden die eingesetzten Materialien bezüglich des neuesten Stands der Technik überprüft. Seit 2011 sind die beiden Gesamtkataloge mit dem „Blauen Engel“ für Druckobjekte ausgezeichnet. Es wird ausschließlich mit Druckereien zusammengearbeitet, die in der Lage sind, die vom Unternehmen vorgeschriebenen Materialien zu einem marktgängigen Preis hochwertig und umweltgerecht zu verarbeiten.
Der Nachhaltigkeitsbericht 2019/2010 wurde erneut von der Druckerei Lokay, der ersten klimaneutralen Druckerei Hessens, hergestellt (100 % Recyclingpapier mit Blauem Engel, mineralölfreie Farbe auf Pflanzenölbasis, klimaneutrale Herstellung: 100 % Ökostrom, CO2-Kompensation über Gold Standard). Die 1932 gegründete Druckerei Lokay e. K. steht für eine vollstufige nachhaltige Produktion, die seit 2007 als eine von wenigen Druckereien nach EMAS zertifiziert ist. Das schafft Transparenz und sichert die konsequente Umsetzung der eigenen Umweltziele. „Der Einsatz von FSC-Papier und die Klimaneutralstellung von Druckaufträgen gehört heute zum Standard bei Druckereien, sagt aber noch nichts über die Umweltleistung einer Druckerei aus“, so der Prokurist Thomas Fleckenstein, der gemeinsam mit dem Inhaber Ralf Lokay Geschäftsführer der Druckerei ist. Andere nachhaltige Druckereien von A bis Z: Benedict Press Druckerei, DBM Druckhhaus Berlin Mitte, Freiburger Druck GmbH, Kern GmbH, oeding print GmbH, Schloember & Partner gmbH, Ulenspiegel Druck GmbH & Co. KG.
Lokay ist davon überzeugt ist, dass uns Verbesserungen nicht vor die Füße fallen: „Man muss sich bewegen, stets dranbleiben, muss nachdenken, ausgetretene Pfade verlassen und neue Wege beschreiten“. Die Preisstrukturen im Druckbereich sind nach Ansicht von Thomas Fleckenstein sehr heterogen, bedingt durch die Vielzahl an verschiedenen Produktvariationen und den jeweiligen Maschinenkonfigurationen. Es gibt, so Fleckenstein, nicht „die günstigste“ oder „die teuerste Druckerei“. Er unterteilt den Markt in vier Bereiche: konventionelle Druckereien + nachhaltige Druckereien + konventionelle Online-Druckereien + nachhaltige Online-Druckereien. Innerhalb der Gruppe der nachhaltigen und konventionellen Druckereien kann sich das Unternehmen preislich sehr gut behaupten, ebenso bei den Produkten Heften, Broschüren und Büchern auch im Bereich der Online-Druckereien. Dennoch steht das Unternehmen in einem harten Wettbewerb mit konventionellen Druckereien.
Seit 2009 wird hier ohne den Klimakiller IPA (Isopropylalkohol) gedruckt und seit 1998 mit Farben auf Basis nachwachsender Rohstoffe verzichtet. Alle Druckplatten werden chemiefrei belichtet. Durch die konsequente Modernisierung des Unternehmensgebäudes im Jahr 2013/2014 konnte die Umweltperformance weiter verbessert werden.
Klein beginnen
Als die Tochter von Ralf Lokay geboren wurde, entschied sich die Familie, nur noch Bio-Lebensmittel zu kaufen. Und so dauerte es nicht lange, bis sich diese „Gesundung“ und Begeisterung auf das Unternehmen übertrug: Es wurde konsequent auf umweltfreundliche Printprodukte umgestellt. Als Lokay im Jahr 2006 begann, sich intensiv mit dem Thema des nachhaltigen Wirtschaftens auseinander zu setzen, wurden zunächst alle Unternehmensbereiche „durchleuchtet“. Bei der Bewertung der direkten und indirekten Umweltaspekte haben die Verantwortlichen schnell gemerkt, dass sie im Bereich der Druckpapiere- und Betriebsstoffe zwar schon auf einem guten Weg waren, aber bei der Büroausstattung - angefangen vom Kopierpapier über die Druckertonerpatronen bis hin zum Bürokaffee – waren sie noch sehr konventionell ausgestattet.
Bei diesem Wandel war die memo AG für das Unternehmen ein wichtiger Begleiter und Ausstatter. „So haben wir dann mit der Umstellung auf 100 % Recyclingpapier in allen Bürodruckern begonnen und uns dann Schritt für Schritt den anderen Themenbereichen im Büro gewidmet“, sagt Fleckenstein. Da beide Unternehmen oft auch auf den gleichen nachhaltigen Messen ausstellen, hat sich in den letzten Jahren eine „sehr intensive und freundschaftliche Partnerschaft entwickelt“. An den Firmenbeispielen und der gewachsenen Kooperation, die auf gemeinsamen Werten und Ziele basiert, zeigt sich, was Empowerment in der unternehmerischen Praxis, aber auch im Leben ausmacht: im Kleinen beginnen, sich Verbündete suchen, jetzt handeln und nicht warten, bis „bis irgendwelche Großkopfete – von der Wissenschaft über die Politik über die Verwaltung über die Verbände – ihre Weisheiten von oben nach unten durchstreichen, in der irrigen Annahme, dass sich die Menschen da draußen dafür interessieren und sie umsetzen“ (Meinrad Armbruster).
Orientierung durch Siegel
Siegel sollten z.B. mit offiziellen und verifizierbaren Seriennummern versehen sein und nicht nur abgebildet werden.
Der Blaue Engel
Das staatliche Umweltzeichen ist das strengste und glaubwürdigste Umweltsiegel für Druckprodukte. Es wurde 1978 auf Initiative des Bundesministers des Inneren und durch den Beschluss der Umweltminister des Bundes und der Länder ins Leben gerufen. Seitdem ist er ein marktkonformes Instrument der Umweltpolitik, mit dem auf freiwilliger Basis die positiven Eigenschaften von Angeboten gekennzeichnet werden können. Damit fügt er sich in den Leistungswettbewerb um die bestmöglichen ökologischen Eigenschaften von Produkten (ausgenommen Lebensmittel) und Dienstleistungen ein. 2015 wurde von der RAL gGmbH ein Zertifizierungsverfahren eingeführt, dass es Druckereien und ihren Auftraggebern ermöglicht, ein gesamtes Druckprodukt mit dem Blauen Engel auszuzeichnen. Es muss recyclebar sein und überwiegend aus Papier oder Karton bestehen, die vor allem aus Recyclingfasern hergestellt sein sollten. Nachwachsende Rohstoffe dürfen gentechnisch nicht verändert sein. Klebstoffe und Farben müssen unbedenklich gegenüber Umwelt und Gesundheit sein. Die Druckereien müssen ein zertifiziertes Umweltschutz-Management-System sowie ein Energie-Managementsystem nach ISO 50001 nachweisen. Auch sind Kennzahlen zur Überprüfung des Energieverbrauchs sowie quantifizierter Umweltziele und der technischen Anlagen vorzulegen. Nur Druckereien, die im Label das Suffix „blauer-engel.de/ZU 195“ anführen, sind entsprechend zertifiziert.
EMAS: Das Ökoaudit der Europäischen Union
Weltweit ist EMAS das anspruchsvollste System für nachhaltiges Umweltmanagement. Organisationen jeder Art werden mit diesem EU-Label ausgezeichnet, wenn sie die strengen Anforderungen erfüllen. Mithilfe eines standardisierten Management-Systems verbessern sie kontinuierlich ihre Umweltleistungen. Über ihre Umweltziele und deren Umsetzung berichten sie in der jährlichen EMAS-Umwelterklärung, die öffentlich zugänglich ist und von staatlich beaufsichtigten, unabhängigen Umweltgutachter/innen validiert wird. Es ist allerdings ein standort-Zertifikat und kein umwelt-Gütesiegel für ein Druckprodukt. Aufgrund der Transparenz, die gefordert wird, ist allerdings davon auszugehen, dass die in zertifizierten Druckereien produzierten Druckprodukte hohen Umweltstandards entsprechen.
Klimaneutral gedruckt
Viele grafische Unternehmen in Deutschland bieten klimaneutrale Druckprodukte an. Der Ausgleich der jeweiligen CO2-Emisionen, die bei der Herstellung von Druckprodukten, des Papiers, der eingesetzten Chemikalien sowie Energie und Logistik anfallen, erfolgt über den Ankauf von Zertifikaten für geprüfte Klimaschutzprojekte. Konkrete betriebliche Umweltlistungen lassen sich dadurch aber nicht erkennen.
Initiative Pro Recyclingpapier (IPR)
Die Initiative wurde im Jahr 2000 von Unternehmen verschiedener Branchen gegründet. Ziel ist es, die Akzeptanz von Recyclingpapier mit dem Blauen Engel in Wirtschaft und Verwaltung weiter zu erhöhen. Teilnehmende Unternehmen sind u.a. Deutsche Lufthansa, Deutsche Post DHL, Deutsche Telekom, Epson, HIPP, Mohn Media Mohndruck, OTTO, Steinbeis Papier, memo AG und Tchibo.
ISO 14001
Es ist der weltweit akzeptierte und angewendete Standard für Umweltmanagementsysteme. Die 1996 von der Internationalen Organisation für Normung veröffentlichte Norm wurde zuletzt im Jahr 2015 novelliert. Es ist allerdings kein Umwelt-Siegel für ein Druckprodukt, sondern bestätigt den nachhaltigen Charakter der Produktionsprozesse des zertifizierten Unternehmens.
ISO 50001:2015
Diese Zertifizierung beschreibt die Anforderungen an ein Unternehmen zur Einführung, Verwirklichung und Verbesserung eines Energiemanagementsystems. Die Norm hat das Ziel, die energiebezogene Leistung von Unternehmen und Organisationen kontinuierlich zu verbessern sowie deren Energieeffizienz und Energienutzung zu optimieren und die Kosten zu senken.
Ökoprofit – ein ökologisches Projekt für integrierte Umwelt-Technik
Das Umweltberatungsprogramm wurde 1991 in Graz entwickelt. Produzierende Unternehmen aller Branchen und Größen, Dienstleister, Sozialeinrichtungen und Handwerksbetriebe werden bei der Verbesserung des betrieblichen Umwelt- und Klimaschutzes unterstützt. Am Ende stehen eine Prüfung und Auszeichnung. Interessierte Betriebe können sich bei ihrem zuständigen Landratsamt melden. Es eignet sich gut als Einstieg in ein systematisches Umweltmanagement.
PEFC und FSC
Die Labels dienen zur Identifizierung von Produktketten (Chain of Custody) und sollten nicht mit Umweltzertifikaten verwechselt werden. Der Unterschied der beiden Systeme ist hier erläutert.
Umwelt Index Druck (umDEX)
Zusammenschluss führender Umwelt-Druckereien, um ihre branchenüblichen Zertifikate, Siegel und Label vorzustellen. Sie können mit Hilfe eines Punktesystems gemäß den geforderten Leistungen gewertet und ausgewählt werden. Durch eine filter- und sortierbare Liste unterstützt der umDEX Einkäufer, echte Nachhaltigkeitsleistungen zu erkennen. Neben der datenbank liefert ein Onlineportal (ab Februar 2020: www.ökomap.de) Informationen zu Umweltschutz in der Medienproduktion.
Weiterführende Informationen:
Meinrad Armbruster: Selbermachen! Mit Empowerment aus der Krise. Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2015.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Nachhaltige Beschaffung: Grundlagen – Management – Praxisbeispiele. Amazon Media EU S.à r.l. 2017.
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: Circular Thinking 21.0: Wie wir die Welt wieder rund machen. Amazon Media EU S.à r.l. 2017.
Guido Rochus Schmidt: Grün ist nicht gleich Grün. In: forum nachhaltig Wirtschaften (4/2019), S. 114-118.
Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. Verlag SpringerGabler, Heidelberg, Berlin 2018.