Wohin sich HR rasch entwickeln muss
Eine Zukunft, in der wir gern leben, wird von Menschen gemacht, denen eine gute Zukunft am Herzen liegt. Ein maßgeblicher Beitrag kommt dabei aus dem HR, das sich in „People & Culture“ umbenennt. Ein solches Umlabeln, das nie nur pro forma erfolgen darf, kann ein entscheidender Auslöser dafür sein, dass sich das gesamte Unternehmen zukunftsfit macht.
Überprüfbar nachhaltige und glaubhaft faire Vorgehensweisen werden zu einem existenziellen Teil des Daseinssinns eines Unternehmens. Gute Gewinne sind dann das Ergebnis. Schlechte Gewinne werden auf Kosten der Umwelt und des Gemeinwohls gemacht. Gute Gewinne entstehen in Einklang mit Mensch und Natur. Den Unternehmen, die das nicht bieten, werden bald drei Dinge ausgehen: die Innovationen, die Leistungsträger und die Einnahmenbringer.
Nicht nur das Zahlenwerk, auch die moralische Bilanz muss fortan stimmen. Unter dem Begriff „climate quitting“ nimmt ein neues Phänomen bereits Fahrt auf, bei dem Beschäftigte ihren Job kündigen, weil ihr Arbeitgeber nicht genug für den Klimaschutz tut. Und in Unternehmen, die der Umwelt schaden und das nicht abstellen wollen, heuern sie gar nicht erst an.
Diese und weitere Entwicklungen determinieren die Herausforderungen an das Personalwesen der Zukunft: eine durch und durch agile Unternehmenskultur zu schaffen, die zugleich die individuellen Bedürfnisse der Menschen und den globalen Umweltschutz in den Vordergrund rückt.
Das Selbstverständnis von HR ist im Wandel
Um zukunftsfähig zu werden, muss sich das Selbstverständnis des traditionellen Personalwesens grundlegend wandeln: weg von einer reaktiven Verwaltung hin zur proaktiven Gestaltung. Insofern wird der zum ausklingenden Industriezeitalter gehörende Begriff „Human Resources“ in der unternehmerischen Praxis nun vielerorts abgelöst durch ein moderneres Konzept namens „People & Culture (P&C)“.
Das Umlabeln ist eine hervorragende Chance für die jetzigen HR-Bereiche, einen Schnitt zu machen und sich grundlegend zu transformieren. Eine Umbenennung macht man selbstverständlich nicht nur einfach so, weil es gerade chic ist. Sie macht nur dann Sinn, wenn man sich vorher folgende Fragen stellt - und gute Antworten findet:
Weshalb sollten wir uns umbenennen - und was sind die Ziele?
Was bedeutet die Umbenennung für unsere künftige Arbeit?
Was kommt im Denken und Handeln weg, weil es veraltet ist?
Was kommt an neuen, zukunftsrelevanten Handlungsfeldern hinzu?
Wie können wir uns von veraltetem Vorgehen konstruktiv lösen?
Auf welche Weise bringen wir die neuen Handlungsfelder voran?
Welchen Nutzen haben Mitarbeitende und Unternehmen davon?
Woran merken wir, dass wir die anvisierten Ziele erreichen konnten?
Gerade die Integration des Begriffes Kultur ist dabei entscheidend. Mit jedem Rekrutierungserfolg, mit jedem Einsatz eines von HR initiierten Tools und mit jeder Weiterbildungsmaßnahme wirkt HR sowieso auf die Unternehmenskultur ein.
„Verantwortlich“ für die Unternehmenskultur ist HR damit nicht, mitverantwortlich dafür, dass sie gut ist, ist jede und jeder Einzelne im Unternehmen. Doch letztlich ist das Verhalten der Menschen die Folgeerscheinung eines Systems. Ändert sich das System, dann ändern sich auch die Menschen - und damit schließlich die Unternehmenskultur.
People & Culture ist menschen- und kulturzentriert
Während das klassische HR überwiegend auf administrative Aufgaben fokussiert war, legt „People & Culture“ den Schwerpunkt auf die Potenziale der Menschen. Damit verabschiedet sich P&C auch von der defizitorientierten Haltung, die dem alten HR innewohnte. Die Belegschaft wird nicht länger als Ressource gesehen, die man optimieren muss, damit sie einsetzbar ist. Man presst sie auch nicht mehr in vordefinierte Planvorgaben, damit die Arbeit „richtig“ getan wird.
Statt der ehemals prozessgebundenen „Abarbeiter“ werden nun mitdenkende Akteure gefördert, die, eingebettet in psychologische Sicherheit, ihre Organisation maßgeblich bereichern. Dabei geht es nicht nur um ihre bloße Tatkraft, sondern insbesondere auch um ihre kreativen Impulse, die sie interdisziplinär einbringen sollen und dürfen. Der Fokus liegt auch nicht länger auf den potenziellen Verweigerern, die durch „ein Tal der Tränen“ geführt werden müssen, damit Change-Maßnahmen gelingen. Der Fokus liegt vielmehr auf denen, die bereitwillig mit in die Zukunft gehen wollen.
In der Vergangenheit bestand die Aufgabe eines Managers vornehmlich darin, alle Abweichungen einer Normierung zu eliminieren und für eine Gleichschaltung der Mitarbeiter:innen zu sorgen. Andersdenkende haben da nur gestört. Doch Konformismus führt ins Mittelmaß - und dann ins Aus. Heute ist es somit die wichtigste Aufgabe einer Führungskraft, Vorwärtsdenkern und Übermorgengestaltern ausreichend Freiraum zu geben, damit das Neue im Unternehmen entsteht.
People & Culture macht Unternehmen zukunftsfit
Kurz gesagt betrachtet People & Culture die Mitarbeitenden nicht mehr als „abbaubare“ Ressourcen, sondern als multioptionale Persönlichkeiten, die ihre Arbeitgeber im Gesamtrahmen einer dynamischen Unternehmenskultur zukunftsfit machen. Insofern verfolgt P&C einen mitarbeiterzentrierten, kollaborativ und crossfunktional vernetzten, niedrighierarchischen Ansatz. Dies manifestiert sich in den Führungsszenarien, den Arbeitsmodellen, der Arbeitsplatzgestaltung und der betrieblichen Aus- und Weiterbildung.
Viele veraltete Tools, die HR aus dem letzten Jahrhundert mitgeschleppt hat, kommen dabei auf den Prüfstand: überholte organisationale Strukturen, gestrige Jahreszielplanprozesse, falsch aufgesetzte Change-Maßnahmen, verfehlte Anreizprogramme sowie überkommene Kontroll- und Feedbacksysteme. Dies und noch viel mehr wird durch Vorgehensweisen ersetzt, die auf eine gute Zukunftsbewältigung zielen. So macht P&C das Unternehmen zu einer starken Arbeitgebermarke und begünstigt die Gewinnung von Top-Talenten.
Strategischer Partner der Geschäftsleitung werden
P&C wird bei all dem nicht nur digitaler, sondern auch „grüner“. Der Fokus liegt auf dem Wohlergehen der Menschen im kompletten Verantwortungsbereich des Unternehmens, also auch in den Lieferketten. Zu den vielfältigen Aspekten der Unternehmenskultur gehören ja auch Ethik und Werte. Insofern sind Greenwashing-Kampagnen, das Erzeugen von Externalitäten sowie bewusst umwelt- und klimaschädigende Aktivitäten zugunsten der Profitmaximierung inakzeptabel.
Hier muss P&C konsequent Stellung beziehen – über die unumgänglichen gesetzlichen Regularien weit hinaus. Sämtliche Führungsebenen müssen dazu verpflichtet werden, ein regeneratives Wirtschaften in die Zielvereinbarungen aufzunehmen. Dies wird explizit in jedes Jobprofil integriert, über Weiterbildungsmaßnahmen geschult und durch Incentives gesteuert.
Alles in allem wechselt HR so aus seiner bislang eher reaktiven Verwalterfunktion in die Rolle des proaktiven Zukunftsgestalters und kann damit endlich (!) zu einem strategischen Partner der Geschäftsleitung werden.
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