„Wollen zu den Top-drei-Anbietern zählen“ – Wie die Allianz ihre Marktstellung in Asien stärken will
Der asiatische Markt ist strategisch wichtig für globale Versicherer. Asien-Pazifik-Chefin Thavarajah verrät dem Handelsblatt, welche Ziele sich die Allianz in der Region gesetzt hat.
München, Frankfurt. Die Übernahme in Singapur geplatzt, das Joint Venture in Indien gescheitert – in Asien hat die Allianz zuletzt Rückschläge hinnehmen müssen. Das dürfte Vorstandschef Oliver Bäte schmerzen. Denn der Dax-Konzern hat sich ambitionierte Wachstumsziele für Asien gesetzt – eine Region, die künftig zum größten Versicherungsmarkt weltweit aufsteigen und damit sogar die USA überholen könnte. Der Allianz-Aufsichtsrat erwartet vor allem in Indien, einer der größten Volkswirtschaften der Welt, im laufenden Jahr Fortschritte vom Vorstand.
Laut einer Analyse des Swiss-Re-Instituts hat die Versicherungsindustrie in der Region Asien-Pazifik im Jahr 2024 rund 1,8 Billionen Dollar (etwa 1,6 Billionen Euro) Prämieneinnahmen erzielt, etwa ein Viertel der weltweiten Einnahmen. Allein wegen der schieren Größe ist der asiatische Markt also strategisch wichtig für globale Versicherer. „Bis 2030 werden 64 Prozent der Weltbevölkerung in Asien leben, davon werden 60 Prozent unter 40 Jahre alt sein“, rechnet auch Anusha Thavarajah, Chefin von Allianz Asia Pacific, im Gespräch mit dem Handelsblatt vor.
Dominanz der lokalen Anbieter
Bislang kann die Allianz allerdings nur einen Bruchteil des wachsenden asiatischen Markts für sich beanspruchen: 8,8 Milliarden Euro weist die Einheit Allianz Asia Pacific für das Jahr 2024 aus, ihr Marktanteil liegt damit unter einem Prozent. Der Markt wird von lokalen Unternehmen wie Ping An in China oder Nippon Life in Japan dominiert. Diese Konzerne sind allerdings entweder nur in einzelnen Ländern tätig oder sind reine Lebens- oder Sachversicherer.
Im Ranking der Versicherer, die sowohl Lebens- als auch Sachversicherungen anbieten, steht die Allianz in Asien auf Platz fünf. Hinter anderen globalen Spielern, wie der früheren AIG-Tochter AIA, dem Versicherer Prudential und dem französischen Axa-Konzern. Thavarajah kündigt an: „Bis 2030 wollen wir in allen asiatischen Märkten, in denen wir tätig sind, zu den Top-drei-Anbietern zählen.“
In Asien ist die Allianz bereits seit dem Jahr 1910 präsent. Mittlerweile ist die Allianz-Gruppe, inklusive Vermögensverwaltung und Spezialversicherungsgeschäft, in 15 Märkten vertreten und beschäftigt laut Geschäftsbericht knapp 16.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Region.
Jerome Haegeli, Chefökonom bei der Swiss Re, sieht dort große Chancen für globale Versicherer. Denn zahlreiche Menschen seien noch unterversichert, gleichzeitig wachse die Mittelschicht: „Es gibt in vielen Ländern in Asien Nachholbedarf bei Versicherungen.“
Versicherer als Eckpfeiler für Stabilität
Viele asiatische Länder hätten erkannt, dass ein gut funktionierender Versicherungsmarkt für die Stabilität von Gesellschaft und Finanzsystemen ein entscheidender Faktor sein könne, meint Haegeli. Diesen Aspekt betont auch Allianz-Asienchefin Thavarajah: „Die Sozialversicherungssysteme sind in vielen asiatischen Ländern nicht so weit entwickelt wie in Europa. Bei der finanziellen Absicherung der Menschen spielen private Unternehmen daher eine bedeutende Rolle in der Region.“
Das Wachstum in Asien-Pazifik war 2024 im Vergleich zu anderen Allianz-Einheiten überdurchschnittlich.Werner Schirmer / LBBW-Analyst
Das will Thavarajah in Zukunft noch mehr nutzen, vor allem im Geschäft mit Lebens- und Krankenversicherungen, das bereits zuletzt deutlich zugelegt hat. Vom gesamten Geschäftsvolumen der Einheit, die Thavarajah verantwortet, entfielen im vergangenen Jahr 6,8 Milliarden Euro auf die Lebens- und Krankenversicherung und zwei Milliarden Euro auf die Sach- und Unfallversicherung. „Wir sind als einer der wenigen Anbieter in Asien in beiden Segmenten aktiv“, sagt Thavarajah. Dadurch hofft sie, in Zukunft noch mehr Kunden zu gewinnen – rund zehn Prozent Kundenwachstum pro Jahr ist das Ziel.
Aktuell steuert die Einheit fünf Prozent zum Konzernergebnis bei, in der nahen Zukunft sollen es laut Thavarajah zehn Prozent werden. Das ist nicht unrealistisch, wie auch LBBW-Analyst Werner Schirmer findet: „Das Wachstum in Asien-Pazifik war im Geschäftsjahr 2024 stark und im Vergleich zu anderen Allianz-Einheiten überdurchschnittlich.“
Einen Vorteil sieht Thavarajah in der breiten Aufstellung der Allianz: „Einige unserer internationalen Konkurrenten konzentrieren ihr Geschäft vor allem auf China und Hongkong, während wir eine starke Marktposition in Südostasien haben.“ Der französische Wettbewerber Axa erzielt den Großteil seiner Prämien im asiatischen Markt zum Beispiel in Hongkong und Japan, wie der Konzern auf Nachfrage bestätigt.
Die große Diversität der jeweiligen nationalen Märkte stellt aber auch eine Herausforderung für Versicherer dar. „Verschiedene Regularien, verschiedene Bedürfnisse, verschiedene Wirtschaftsdynamiken“, so Ökonom Haegeli. Das spiegelt sich auch in den unterschiedlichen Wachstumsprognosen der Allianz wider: Während der Konzern für das sogenannte entwickelte Asien, also Taiwan, Singapur, Südkorea, Japan und Hongkong etwa vier bis fünf Prozent Wachstum erwartet, sind es für Südostasien und China ungefähr zehn Prozent.
Übernahme geplatzt, Joint Venture verkauft
Das Wachstum der Allianz in der Region kommt bislang vorwiegend aus eigener Kraft. Der Konzern will auch durch Zukäufe wachsen, wie Renate Wagner, Mitglied im Konzernvorstand, bei der Hauptversammlung erneut betonte.
Doch die geplante Übernahme des Versicherers Income Insurance in Singapur kam durch den Widerstand der dortigen Regierung im vergangenen Jahr nicht zustande. Ob es einen neuen Anlauf gibt, die Transaktion zu realisieren, lässt die Allianz offen. Ein Deal würde die Präsenz der Allianz in Singapur deutlich stärken, mit einem – laut Allianz – mittelfristig zweistelligen Return on Investment.
Eine offene Flanke hat der Konzern in Indien. Den 26-prozentigen Anteil an ihrem indischen Gemeinschaftsunternehmen hat die Allianz dieses Frühjahr an die Bajaj-Gruppe verkauft. Die Suche nach einem neuen Partner läuft. Zum aktuellen Stand will die Allianz keine Auskunft geben. Klar ist aber, dass man zügig eine Lösung finden muss, um in der schnell wachsenden Volkswirtschaft Fuß zu fassen.
Partner sind für die Expansion der Allianz in Asien nicht nur wegen Größenvorteilen und regulatorischer Vorgaben wichtig, sondern auch, weil lokale Anbieter bei der Digitalisierung oft einen Vorsprung haben. Haegeli von Swiss Re sagt, die Kunden in Asien seien nicht nur offener für digitale Versicherungslösungen, sondern sie erwarteten diese oft sogar. Für europäische Konzerne ergebe sich dadurch die Chance, die dort gewonnenen Erfahrungen im eigenen Markt erfolgreich einzusetzen.
Der Kapitalmarkt reagiert bislang kaum auf die Bemühungen und Expansionspläne der Allianz in Asien. Dies war auch während des Versuchs, Income Insurance zu übernehmen, zu beobachten. Die Allianz-Aktie reagierte kaum – weder auf die Ankündigung noch auf Absage der Transaktion. Allianz würde eben vor allem als europäischer Player wahrgenommen, formuliert es ein Analyst gegenüber dem Handelsblatt. Es gelte nun, diese Wahrnehmung zu ändern.
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