Wunder gehen alle an
„Man muss die Dinge sehen. Nicht, um sie zu verstehen, sondern um den Funken des Unglaublichen zu inhalieren.“ Hermann Scherer
Für Glück und Erfolg können wir selbst sehr viel beitragen. Bei Wundern ist es allerdings anders, denn sie lassen sich nicht „machen“, sondern tauchen „sporadischer auf als Vulkanausbrüche oder Erdbeben, die sich immerhin ankündigen.“ Wunder geschehen einfach – so, wie es NENA auch in ihrem gleichnamigen Song zum Ausdruck gebracht hat: „Wir dürfen nicht nur an das glauben was wir sehn.“ Es lohnt sich auch nicht, darauf zu warten – es lässt sich höchstens damit rechnen. Der Speaker und Mentor Hermann Scherer hat das selbst erlebt. In seinem neuen Buch unternimmt er einen Ausflug in die Welt der Wunder der Menschheitsgeschichte: zu biblischen Heilungswundern, Stigmatisation, Levitation, weinenden Statuen, Himmelszeichen, Unverweslichkeit, heiligen Feuern und Marienerscheinungen. In früherer Zeit gehörten auch viele Naturereignisse zu den Wundern, die uns heute längst nicht mehr in Erstaunen versetzen. Scherer verweist in diesem Zusammenhang auf das „Abendlied“ von Matthias Claudius (1740 - 1815):
„Seht ihr den Mond dort stehen? –
Er ist nur halb zu sehen,
Und ist doch rund und schön!
So sind wohl manche Sachen,
Die wir getrost belachen,
Weil unsre Augen sie nicht sehn.“
Im Fokus stehen allerdings die privaten Einblicke in seine Krankheitsgeschichte: Seit über 30 Jahren leidet er an einem Lungenemphysem und seit seiner Kindheit an Asthma. Anfang 2019 befindet er sich in der Kirche Santuari de Sant Salvador auf Mallorca, einem Wallfahrtsort. Dort geschieht ihm das Wunder einer Spontanheilung: „Gott berührte mich.“ Das Gravierende dieses Wunders besteht für ihn darin, dass er sich gesünder fühlt und „eine Art Lebensverlängerung feiern kann“ –und dass er sogar das Gefühl hat, „friedlich sterben zu können.“ Er zieht seine persönlichen Schlussfolgerungen aus diesem Erlebnis – vor allem Dankbarkeit. Er empfindet dieses Buch, in dem es auch um die Anerkennung des Guten und Wertschätzung dem Leben gegenüber geht, als Auftrag.
Unsere Wohlfühlhormone „produzieren“ mit Bindung, Vertrauen und Wertschätzung auch gleich Energie mit. Der Energiehaushalt ermöglicht unsere Regenerationsfähigkeit – ihn nachhaltig zu pflegen, bedeutet, die Balance halten. So ist es einfacher und energiesparender, ehrlich zu sich selbst und anderen zu sein und gelassen zu bleiben. Wo man sich verstellt und die Gedanken schwer sind, werden auch die Gefühle schwer - und der Körper verliert aufgrund negativer Vorstellungen oder Erwartungen seine Energie. „Meine Angst zu vertuschen oder so zu tun, als hätte ich sie nicht, fände ich anstrengender, als Angst zu haben“, schreibt Scherer. Auch (Betriebs-)Geheimnisse zu verwalten, kosten Zeit und Aufmerksamkeit – das macht unfrei.
Auch geht es um die Frage aus dem Neuen Testament, wie die Welt neu gemacht werden kann. „Seht, ich mache alles neu“, wird Jesus in der Offenbarung des Johannes zitiert. Es geht darum, wie Worte in Taten verwandelt werden. Das Neue entsteht immer dann, wenn es eine Offenheit gegenüber dem Möglichen gibt, das bereits im Wirklichen verankert ist. Doch ohne Versuch und Irrtum gibt es keinen Weg zu mehr Erkenntnis und zu Gott. Hermann Scherer Bezug zur Kirche war allerdings nie besonders ausgeprägt, er liest keine Psalmen, trägt kein Kreuz um den Hals und auch keines am Rückspiegel seines Autos. Kirchenbesuche empfand er in der Kindheit als Zwang. Dennoch sprach er mit Gott, wenn er Bauchschmerzen hatte. Dann hatte er ihn irgendwann auf seinem Weg verloren, auch ist er nie „leichtgläubig“ gewesen. Dennoch glaubt er wie viele, die keiner Religion angehören (die Amerikaner nennen das „Believing without belon“). Er ist davon überzeugt, dass uns Gott den richtigen Weg weist – vor allem dann, wenn wir glauben, dass er es nicht tut: „Möglicherweise brauchen wir gerade in Zeiten der Not, in der unser Kämpferherz so groß ist, den Glauben und das Vertrauen, dass die Wege, wohin sie uns auch führen, gute Wege sein werden“, heißt es in seinem Buch „Fokus!“
Dabei bedient er sich den typischen Monomythen: Verlassen der gewohnten Welt, Ruf des Abenteuers, Begegnung mit dem Mentor, Überschreiten der Schwelle, Bewährungsproben und Prüfung, Belohnung und Rückkehr. Seine Eltern hinterließen ihm einen Millionenberg von Schulden und Problemen. Er suchte einen Weg, genügend Geld zu verdienen, um sie abzubezahlen. Rückblickend ist er dankbar für diese Prüfung und Lernaufgabe. Hätte er sie nicht gelöst, wäre er durchgefallen und das gleiche Problem noch einmal vorgesetzt bekommen. Seine Heldengeschichte verdeutlicht aber auch, wie wichtig es ist, die eigenen Energien, Stärken und Potenziale als kreative und schöpferische Talente zu erkennen und nicht für sich zu behalten oder ungenutzt verkümmern zu lassen. Schließlich wurden sie uns von Gott gegeben, damit sie nicht unter den Scheffel gestellt werden: „Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind“ (Matthäus 5,15).
Ein Talent ist für Scherer eine Art Treuhandschaft – in dem biblischen Gleichnis ist es anvertrautes Gut oder Geld, für das jeder Mensch selbst verantwortlich ist: „Als Treuhänder haben wir uns gefälligst darum zu kümmern, dass dieses anvertraute Gut wächst und gedeiht.“ Es geht um das Erkennen der eigenen Begabung, die zu ungewöhnlichen Leistungen auf einem Gebiet befähigt, „etwas, wofür wir bereit sind, unsere Zeit und Mühen aufzubringen“. Und es geht um die (Auf-)Gabe und Verantwortung, die eigenen Talente zu entfalten, nachhaltig zu nutzen und weniger daran zu zweifeln. Leider haben viele Menschen mehr Angst vor ihren vermeintlichen Schwächen als Respekt vor ihren Stärken. Hermann Scherer wollte unbedingt Redner werden – einen Plan B gab es für ihn nicht. Während seiner Arbeit als Speaker kamen immer wieder Menschen auf ihn zu, die wissen wollten, es gelingt, Redner zu werden und auf den großen Bühnen zu stehen. In seiner Anfangszeit hat er diese Menschen in einer individuellen Beratung meistens über einen Tag hinweg persönlich gecoacht. Doch dann wurde die Nachfrage immer größer und der Bedarf an Coachings immer weitreichender. So entstand der Name seines GOLD-Programms: Heute blickt er auf über 3.000 Vorträge vor rund einer Million Menschen in über 30 Ländern, 50 Bücher in 18 Sprachen zurück. Von seinen mehr als 30 erfolgreichen Firmengründungen führten die meisten zur Marktführerschaft. Sein Buch ist „erweckend“, weil es aufrüttelt, Mut macht und zeigt, dass es jedem Menschen gelingen kann, eigene Grenzen zu überschreiten, über sich hinauszuwachsen und die Welt mit guten Taten zu verändern: „Wohl tätig und wohltätig sein.“
Wachsen statt verkümmern: Warum Talente gestärkt werden sollten
Bildung heißt, aus den Menschen etwas herausbringen – und nicht in sie hinein
Überraschung! Warum wir auch in Zukunft das Unerwartete brauchen
Der eigene Energiehaushalt: Warum wir unsere inneren Ressourcen nicht verbrauchen dürfen
Hermann Scherer: Das Wunder. Nimm es an, wenn es dich trifft. Kamphausen Media GmbH, Bielefeld 2022.
Hermann Scherer: Fokus! Provokative Ideen für Menschen, die was erreichen wollen. Campus Verlag, Frankfurt a.M. 2016.
Weitere Literatur:
Bauchgefühl im Management. Die Rolle der Intuition in Wirtschaft, Gesellschaft und Sport. Hg. von Alexandra Hildebrandt und Werner Neumüller. SpringerGabler Verlag 2021.
Till-Holger Borchert, Joshua P. Waterman: Das Wunderzeichenbuch. Mehrsprachige Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch. TASCHEN Verlag, Köln 2017.
Cristián Gálvez: Logbuch für Helden. Wie Männer neue Wege gehen. Knaur Verlag, München 2014.