Belasten oder motivieren dich offene Aufgaben? Der Zeigarnik-Effekt gibt Antworten | © Pixabay

Zeigarnik-Effekt – Bist du betroffen? Selbsttest & Tipps!

Der Zeigarnik-Effekt beschreibt, wie sehr dich deine offenen Aufgaben negativ beeinflussen, Gedanken blockieren und zu Energieräubern werden. Doch bist du überhaupt davon betroffen? Bei der Vielzahl der heutigen Aufgaben könnte es doch normal sein, dass Aufgaben offen und unerledigt bleiben, oder? Selbsttest und Tipps in diesem Artikel.

Ein Gedanke lässt uns manchmal nicht los, zum Beispiel eine unvollendete E-Mail oder ein offener Streit. Das beschreibt der Zeigarnik-Effekt: Unser Gehirn behält sich Unerledigtes besser als Abgeschlossenes. Im ersten Moment hört sich das belastend an; weitergedacht kann man diese psychologische Nachwehe auch sinnvoll nutzen. Denn im Alltag kann man den Effekt auch zur Förderung von Konzentration, zur Motivation und zur Stressbewältigung einsetzen.

Was ist der Zeigarnik-Effekt?

Bljuma Zeigarnik, Bildquelle: Gemeinfrei

Bljuma Zeigarnik, eine sowjetische Psychologin, fand im Jahr 1927 heraus, dass sich Menschen unerledigte oder unterbrochene Aufgaben besser merken. Sie erinnern sich weniger gut an Dinge, die sie fertiggestellt haben. Offene Aufgaben fesseln deine Aufmerksamkeit – vergleichbar mit einem Ohrwurm, der einfach nicht verschwindet.

Bljuma Zeigarnik, Bildquelle: Gemeinfrei

Der Forschungsimpuls – Wie alles begann?

Zeigarnik saß 1927 in einem Wiener Café, als ihr auffiel, wie gut sich ein Kellner offene Bestellungen merkte – dies waren unbezahlte Rechnungen. Bezahlt jemand, vergaß der Kellner die Einzelheiten schnell wieder.

Diese Alltagsszene beschäftigte sie sehr. In Berlin am Psychologischen Institut der Universität arbeitete sie bei Kurt Lewin, dem bekannten Gestaltpsychologen. Sie wollte diese Beobachtung wissenschaftlich erforschen.

Das Experiment, das zum Zeigarnik-Effekt führte?

Zeigarnik bat die Probanden in ihren Tests, kleine Aufgaben zu lösen – dazu gehörten zum Beispiel, Figuren zu bauen, Zahlenreihen zu ergänzen, Puzzles zusammenzusetzen und weitere einfache Denkaufgaben. Bei der Hälfte der Aufgaben unterbrach sie die Teilnehmer absichtlich, damit die Probanden die Aufgaben nicht beenden konnten. Die anderen Aufgaben durften sie vollständig zu Ende bringen.

Später sollten die Teilnehmer sich an die Aufgaben erinnern.

Unterbrochene Aufgaben blieben besser im Gedächtnis als vollständige.

Das Ergebnis: Zum Beispiel erinnerte man sich an unvollendete Aufgaben fast doppelt so gut wie an beendete.

Erste Interpretation der Testergebnisse

Zeigarnik deutete ihre Ergebnisse mit Blick auf die Gestaltpsychologie.

Annahme: Diese psychologische Richtung nimmt an, der Mensch will immer vollständige Einheiten bilden, die man Gestalten nennt.

Beginnt jemand eine Aufgabe und schließt sie nicht ab, erzeugt dies im Gehirn eine Art Spannung. Ein „offenes Gestaltsmuster“ verursacht diese Spannung, die so lange bleibt, bis die Handlung endet.

Erst wenn die Aufgabe beendet ist, schließt sich die Gestalt, und die Anspannung löst sich auf. Passiert das nicht, bleibt die Aufgabe im Kopf – oft, ohne dass man es merkt –, weswegen man automatisch weiter daran denkt.

Energiefresser: Offene Aufgaben verbrauchen somit mentale Energie und wirken im Hintergrund wie eine fortlaufende Erinnerung.

Nachfolgeexperimente

Der Zeigarnik-Effekt wurde vielfach nachgestellt und weiterentwickelt. Zum Beispiel untersuchten Wissenschaftler ihn von den 1960er- bis 1990er-Jahren. John Atkinson sowie John Baddeley bezogen den Effekt dabei in ihre Theorien ein – etwa zur Motivation oder zur Arbeitsgedächtnisleistung. Auch bei Prokrastination spielten ihre Erkenntnisse eine Rolle.

Im Kontext Multitasking: Die Kognitionspsychologie betrachtet den Effekt oft im Kontext von Aufgabenwechsel, wenn man mehrere Dinge gleichzeitig tut oder wenn sich Erinnerungen gegenseitig stören.

Der Ovsiankina-Effekt gilt als ähnliches Phänomen. Hier nehmen Menschen unterbrochene Aufgaben freiwillig wieder auf, wenn sie die Chance dazu haben.

Wie groß ist der wissenschaftliche Wert des Zeigarnik-Effekts?

Der Zeigarnik-Effekt ist ein bewiesener psychologischer Ablauf – er hat eine klare experimentelle Basis. Spätere Untersuchungen zeigten, dass die Umgebung, die Motivation und die Gefühle die Stärke des Effekts beeinflussen. Die ursprüngliche Idee bleibt: Unser Gehirn mag keine unfertigen Dinge – es versucht, sie zu beenden.

Ins Positive wandeln: Wer weiß, wie der Effekt funktioniert, kann ihn nutzen. Das hilft, produktiver zu sein, Erinnerungen zu festigen oder sich selbst anzuspornen.

Wie hilft dir der Zeigarnik-Effekt im Alltag positiv weiter?

Der Zeigarnik-Effekt treibt Menschen an. Eine angefangene, aber unvollendete Aufgabe bleibt im Kopf präsent – sie spornt dazu an, sie zu beenden.

Tipp zur Motivation: Diesen Impuls kannst du nutzen, um ins Handeln zu kommen. Oft genügt der erste Schritt, um anzufangen. Der Anfang ist volksweisheitlich die halbe Miete!

Dein Gehirn merkt sich offene Aufgaben besonders gut. Du vergisst darum seltener wichtige Aufgaben oder Gespräche. Bei komplexen Projekten oder Verhandlungen ist das ein Vorteil – du behältst Details im Kopf, ohne sie zu notieren.

Unvollendete Aufgaben schaffen eine Spannung – vergleichbar mit einem Cliffhanger in einer Serie. Künstler, Texter sowie Entwickler nutzen diesen Effekt bewusst, um Ideen reifen zu lassen und gedanklich weiterzuentwickeln, während sie andere Dinge tun.

Wer gezielt eine Aufgabe beginnt und unterbricht – um dann bewusst daran weiterzudenken –, kann sich durch den Zeigarnik-Effekt genau darauf konzentrieren. Statt ständiger Reizüberflutung nutzt man geistige Energie gezielt.

Wie kann dich der Zeigarnik-Effekt blockieren?

Offene Aufgaben blockieren die Gedanken. Deswegen kann man nicht richtig abschalten – selbst in der Freizeit oder abends im Bett kreisen dann die Gedanken um unerledigte Dinge. Diese innere Unruhe führt auf lange Sicht zu Stress, schlechtem Schlaf oder Erschöpfung.

Der Zeigarnik-Effekt blockiert auch, wenn viele Aufgaben gleichzeitig offen bleiben. Dein Gehirn kann dann nicht mehr entscheiden, was wichtig ist – alles wirkt gleich dringend. Wer dann nicht weiß, womit er anfangen soll, fängt am Ende gar nicht an.

Unerledigte Aufgaben lenken ab. Sie kommen in den Sinn, wenn man sie nicht braucht – zum Beispiel beim Abendessen, im Urlaub oder beim Sport. Deshalb hat man das Gefühl, nie richtig entspannen zu können. Diese ständige innere Liste strapaziert die Konzentration.

Der Zeigarnik-Effekt ist ein natürlicher Mechanismus deines Gehirns – er ist weder gut noch schlecht. Steuerst du ihn bewusst, wird er dein stärkster Motivator. Ignorierst du ihn, erzeugt er ständig Stress sowie Unruhe.

Wichtiger erste Schritt: Schaffe Klarheit, priorisiere und schließe Aufgaben bewusst ab. Wenn du eine Aufgabe nicht sofort beenden kannst, lasse sie offen, aber halte sie schriftlich fest.

Selbsttest – Wie akut beeinflusst dich der Zeigarnik-Effekt?

Folgender kompakter Selbsttest hilft dir zu erkennen, wie schnell du den Zeigarnik-Effekt ins Positive wandeln solltest, indem du ins Handeln kommst und die Aufgaben, die dir zuerst einfallen, abschließt:

  1. Hast du Unerledigtes, das dich vom Schlafen abhält? Wenn ja, was fällt dir als Erstes ein?

  2. Wenn du Computerarbeiter bist, hast du konstant viele Browserfenster (Tabs) offen?

  3. Hast du das permanente Gefühl, deine Aufgaben nicht vollständig richtigzumachen, schon bevor du startest? Kommt beispielsweise die Stimme auf: Das wird sowieso nichts?

  4. Fällt es dir schwer, zu entspannen und den Kopf freizubekommen?

  5. Hast du Aufgaben, welche schon sehr lange auf deiner To-do-Liste stehen?

  6. Startest du mit einem schlechten Gewissen in den Tag und denkst an Unerledigtes?

  7. Beschäftigen dich zwischenmenschliche Konflikte, aus jüngster Zeit oder die schon lange vergangen sind?

  8. Oft unterstützen Softwarelösungen bei geschäftlichen Aufgaben, z.B. mittels Customer Relation Management (CRM). Welche offenen privaten Baustellen könnten die unterbewusst blockieren?

  9. Empfindest du Angst oder großen Druck? Wenn ja, was könnte dahinter stecken?

  10. Wie sind deine Reaktionszeiten und dein Verhalten, bei der Annahme von Aufgaben? Findet schon eine Prokrastination statt oder tust du dich schwer mit dem Nein-Sagen?

Tipps und Ideen zur positiven Nutzung des Zeigarnik-Effekts

Solltest du mittels des Selbsttestes erkannt haben, dass es Zeit ist zu handeln, bevor dich die psychologische Wirkung eventuell in den Burnout führt, so haben wir kompakt folgende Ideen und Tipps im täglichen Umgang:

  • Gebe offen Gebliebenes eine Struktur und entlaste deinen Kopf durch das schriftliche Festhalten der offenen Aufgaben.

  • Trainiere deine innere Stimme, z.B. mit der Selbstaffirmation: „Ich beende das jetzt!“

  • Vermeide Multitasking und mache dir bei dem Wunschgedanken, dass dies zu mehr Effizienz und Zeitersparnis führen könnte, die negativen Folgen des Zeigarnik-Effekts bewusst

  • Lege den Perfektionismus zur Seite und beende Aufgaben auch einmal bei 80 %, laut dem Pareto-Prinzip.

  • Arbeite mit Fokus-Zeitfenstern, beispielsweise mit der Pomodoro-Taktik.

  • Reflektiere am Ende deinen Tages ganzheitlich und aufgabenspezifisch: was erledigt wurde, was angefangen wurde und was offen geblieben ist.

  • Priorisiere deine Aufgaben und führe die Übersicht möglichst nur in einer Liste zusammen.

  • Schreibe dir gerne auch auf ein weißes Blatt Papier, am Tagesbeginn 1-3 Aufgaben auf, die du mindestens erledigen möchtest.

  • Trenne dich bewusst von Aufgaben und sei dir sicher, dass die mangelnde Priorität oft an der nicht vorhandenen Wichtigkeit liegt.

  • Vergleiche deinen Aufgabenbestand mit deinen Zielen in allen Lebensbereichen, um selbstkritisch zu überprüfen, ob dich eine Erledigung einer Aufgabe, überhaupt deinen beruflichen und privaten Wünschen und Bedürfnissen weiterbringen würde.

Unterstützungsangebot: Ergänzend zu unseren Selbstcoaching-Impulsen, bieten wir individuelle und persönliche Unterstützung an. Teste diesen Service einfach und unverbindlich mit, z.B. einen Anti-Stress-Talk.

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Thomas W. Frick schreibt über Industrie und Maschinenbau, Internet & Technologie, Marketing & Werbung, Job & Karriere

Seit 2005 teile ich mein Wissen auf B2B-Blogs. Mein Anspruch ist es, einen hohen Praxisbezug zu vermitteln, überwiegend durch die Berichtserstattung eigener Erfahrungen und den Impulsen aus den Communitys. Meine Schwerpunkte sind IT- und Industrieprojekte, Marketing, Vertrieb und Talentförderung.

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