ZF sucht den amerikanischen Freund
Der strauchelnde Konzern vom Bodensee kann die Antriebswende nicht mehr allein stemmen und ist nun auf „Partnersuche“.
„Wir sehen hier eine komplett veränderte Landschaft“, sagt Mathias Miedreich, als Vorstand des Zulieferers ZF verantwortlich für die Division Elektrifizierte Antriebe. Noch 2023 hatte man bei ZF angenommen, die Zukunft des Autos sei vor allem elektrisch. Doch weit gefehlt, so Miedreich: „Hybride sind keine Übergangstechnologie mehr, sondern werden sich länger halten.“ Vor allem in Nordamerika, aber auch in Europa hatte sich ZF, wie die gesamte Branche, in Sachen E-Mobilität mehr vorgenommen. Doch die Abrufzahlen der Autohersteller sind enttäuschend – trotz des jüngsten Booms in Deutschland.
Nun muss sich auch der Branchenriese vom Bodensee der neuen Realität stellen. Denn, so Miedreich: „Die Marktanforderungen haben sich in kürzester Zeit signifikant verändert.“ Noch im Dezember 2023 hatte ZF angenommen, 2031 wären 55 Prozent der weltweit produzierten Autos rein batterieelektrisch (BEV), 25 Prozent hätten E- und Verbrennungsmotor an Bord (Hybrid), und lediglich 20 Prozent wären Verbrenner (ICE). Seither musste ZF die Prognosen zweimal korrigieren: Jetzt plant das Unternehmen für 2031 mit nur noch 39 Prozent BEV, 35 Prozent Hybrid und 26 Prozent ICE. Von einem Verbrenner-Aus, wie es Europa ab 2035 vorsieht, kann weltweit keine Rede mehr sein.
Der Verbrenner bleibt – „schlecht fürs Klima“
Vor allem in den USA, nach China zweitgrößter Automarkt der Welt, rollt die Welle gerade rückwärts Richtung Verbrenner und Hybride. „Das ist schlecht fürs Klima“, gibt Miedreich zu bedenken, „aber gut für unsere Getriebeproduktion.“ ZF ist traditionell einer der größten Hersteller von Automatikgetrieben, die in reinen Elektroautos nicht mehr gebraucht werden.
ZF hat in den vergangenen Jahren Milliarden in elektrische Antriebe investiert – im Vertrauen, dies sei die Zukunft. 30.000 der 161.000 Mitarbeiter sind in der Division E beschäftigt. Jetzt zeigt sich: Die Zukunft kommt später. Statt sich auf den batterieelektrischen Antrieb konzentrieren zu können, müssen die Ingenieure bis auf Weiteres mehrgleisig planen. Selbst für einen global agierenden Technologiekonzern wie ZF heißt das: Man braucht einen Partner für die E-Division, um die notwendigen Inventionen weiter stemmen zu können.
Sogar das Szenario, die Antriebssparte abzuwickeln oder zu verkaufen, wurde erörtert. Aber das sei nicht der Plan, sagt Mathias Miedreich: „Ein Partner hilft uns besser, unsere Strategie umzusetzen. Die komplette Herauslösung ist nicht das Ziel.“ Offenbar könnte ein solcher Partner ein Zulieferer sein, der mit ähnlichen Problemen kämpft – zum Beispiel in Nordamerika, wo die Industrie ebenfalls auf unbestimmte Zeit an Verbrennern, Hybriden und Elektroautos parallel arbeiten muss.
Infrage käme zu Beispiel der US-Getriebespezialist BordWarner, der vor einem ähnlichen Dilemma steht, vermuten Brancheninsider. Oder der kanadisch-österreichische Magna-Konzern, der unter anderem Elektroautos für Jaguar Land Rover und Mercedes baut.
Die Elektro-Division zeigt, was sie kann
Fest steht: Selbst ein global agierender Zulieferer wie ZF mit 41,4 Milliarden Euro Umsatz und Werken in 30 Ländern kann es sich nicht leisten, an allen Antrieben gleichzeitig zu arbeiten. Denn zusätzlich zur Nachfrageschwäche bei Elektroautos kommt die allgemein schleppende Autokonjunktur in Europa und Nordamerika. Auch deshalb ist ZF im vergangenen Jahr tief in die Verlustzone gerutscht. Der Abbau von 14.000 Arbeitsplätzen ist allein in Deutschland geplant.
Dennoch geht ZF zuversichtlich auf die Partnersuche. Denn die 30.000 Mitarbeiter der Division E können zahlreiche Innovationen vorweisen, die kurz vor dem Serienreife stehen oder bereits in Produktion sind. Auf dem eMobility Tech Day 2025 hat das Unternehmen jüngst einige davon vorgestellt.
Beispiel „Select“-Plattform: So heißt ein von ZF entwickelter Baukasten, der Motoren in verschiedenen Leistungsstufen, ein Reduziergetriebe, die Leistungselektronik inklusive Software und auch ein Differenzial integriert. Der bis zur Serienreife entwickelte Antrieb kann auf 400 oder 800 Volt ausgelegt werden. Möglich sind auch verschiedene Elektromotoren. Permanent erregte Motoren benötigen noch seltene Erden, die fremderregte Maschine von ZF kommt ohne diese problematischen Rohstoffe aus. Ganz, wie der Kunde es wünscht.
Ein Partner sollte nicht nur Geld mitbringen
Auch Hochleistungsmotoren sind möglich, die mit 20.000 Umdrehungen in der Minute bis zu 300 kW Leistung abgeben. Die rotierenden Anker solcher Maschinen sind mit Karbon ummantelt, um die Fliehkräfte aushalten zu können.
Für das Select-Baukastensystem hat ZF bereits einen Kunden – in China. Aber auch deutsche Hersteller haben Interesse angemeldet. Zu den Vorteilen gehört nicht nur das um 18 Kilogramm geringere Gewicht gegenüber einer herkömmlichen Bauweise. Auch geringere Kosten – ZF spricht von mehreren 100 Euro – dürften eine Rolle spielen.
Solche Werte sollen nicht nur Kunden überzeugen, sondern auch einen potenziellen Partner vom Einstieg. Und der sollte möglichst nicht nur Geld mitbringen, sondern auch den Glauben an eine elektrische Zukunft.
