Marija Kolak. Laut der BVR-Präsidentin sind die hohen Abschreibungen der Volkbanken nur vorübergehend. - Uta Wagner für Handelsblatt
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Zinswende: Volks- und Raiffeisenbanken müssen fast sechs Milliarden Euro auf Wertpapiere abschreiben

Kursverluste bei Aktien und Anleihen lasteten 2022 auf den Genossenschaftsbanken. Sie fürchten eine anhaltend hohe Inflation.

Frankfurt Die abrupte Zinswende lastet auf den deutschen Volks- und Raiffeisenbanken. Zum Ende des vergangenen Jahres mussten die 737 Genossenschaftsbanken insgesamt 5,8 Milliarden Euro auf Wertpapiere abschreiben, wie ihr Branchenverband BVR am Dienstag mitteilte. Mit den steigenden Zinsen gaben die Kurse von Aktien und Anleihen nach, die Banken müssen die Papiere zum Marktwert verbuchen.

Ein Teil der Genossenschaftsbanken reagierte auf die hohen Wertberichtigungen, indem sie in großem Stil Vorsorgereserven auflösten. So wiesen die Geldhäuser ein Bewertungsergebnis von minus 4,5 Milliarden Euro aus. Insgesamt betrugen die Wertberichtigungen und Abschreibungen aber fast 6,4 Milliarden Euro. Zu den Abschreibungen auf Wertpapiere kamen Korrekturen bei Krediten in Höhe von rund 600 Millionen Euro.

BVR-Präsidentin Marija Kolak zeigte sich zuversichtlich, dass die Abschreibungen im Anlageportfolio nur vorübergehend sind. „Die im letzten Jahrzehnt regelmäßig erwirtschafteten hohen Erträge und die daraus gebildeten Kapitalrücklagen verschaffen uns das notwendige Polster, um diese Belastungen im Übergang zu den nachfolgenden Wertaufholungen abzufedern“, sagte sie.

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Kundeneinlagen steigen leicht

Langfristig profitieren die Genossenschaftsbanken voraussichtlich von den gestiegenen Zinsen. Die Europäische Zentralbank hat Leit- und Einlagenzinsen in den vergangenen Monaten mehrfach angehoben. Bereits im vergangenen Jahr stieg der Zinsüberschuss bei den Volks- und Raiffeisenbanken um gut acht Prozent auf fast 18 Milliarden Euro. Auch der Provisionsüberschuss zog leicht an.

2022 aber brach der Gewinn vor Steuern ein. Er rutschte um 43 Prozent auf 4,4 Milliarden Euro ab. 2021 hatten die Genossenschaftsbanken mit 7,7 Milliarden Euro besonders viel verdient. Einen konkreten Ausblick für das laufende Jahr gab der BVR nicht.

Die Volksbanken rechnen mit einer anhaltend hohen Preissteigerung. „Bis die Inflation sich normalisiert, wird es wohl länger dauern“, warnte Kolak. Die Inflation in Deutschland erwies sich zuletzt als hartnäckig. Im Februar verharrt die Teuerung laut der vorläufigen Schätzung des Statistischen Bundesamts weiterhin auf einem hohen Niveau bei 8,7 Prozent.

Der Höhepunkt des Preisauftriebs dürfte zwar überwunden sein, sagte die BVR-Chefin. „Allerdings hat sich der Inflationsimpuls von den Energie- und Nahrungsmittelpreisen auf den Großteil des Verbraucherpreisindex ausgeweitet und ist nicht nur in den unteren, sondern auch in den mittleren Einkommensschichten deutlich zu spüren.“ Sie verwies darauf, dass die Inflation sich durch höhere Löhne verfestigen könne.

Trotz der Inflation legten die Kundinnen und Kunden der Genossenschaftsbanken im vergangenen Jahr insgesamt mehr Geld beiseite. Die Kundeneinlagen stiegen um gut drei Prozent auf 861 Milliarden Euro. Das Wachstum lag allerdings deutlich unter dem der Vorjahre.

Das Kreditwachstum dagegen erreichte nahezu das Vorjahresniveau. Der Kreditbestand kletterte um fast sieben Prozent auf 757 Milliarden Euro und wurde bis zum Sommer durch hohe Volumina privater Immobilienkredite getrieben. Laut BVR-Vorstand Andreas Martin hat sich die Nachfrage „merklich abgekühlt“. „Die Neugeschäftsvolumina im vierten Quartal sanken im Vergleich zum dritten Quartal 2022 schätzungsweise um etwa ein Fünftel.“

Zahl der Geldautomaten sinkt

Angesichts anhaltender Fusionen wird die durchschnittliche Genossenschaftsbank immer größer, die Bilanzsumme liegt im Mittel bei 1,6 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr gab es 35 Zusammenschlüsse.

Die Volks- und Raiffeisenbanken schlossen 562 Filialen, die Zahl der Geschäftsstellen sank auf gut 7500. Die Anzahl der Geldautomaten fiel um nahezu 800 auf rund 15.500.

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