Zu viel Homeoffice verringert die Karrierechancen
Der Stanford-Ökonom Nicholas Bloom hat die bislang größte Studie zum Homeoffice durchgeführt. Dabei hat er drei wichtige Erkenntnisse zu Karriere, Produktivität und Jobwechsel gewonnen.
Berlin. Wie viele Tage soll man im Büro arbeiten? Diese Frage wird derzeit viel diskutiert. Während das Homeoffice bei vielen Beschäftigten nach wie vor beliebt ist, wollen Unternehmen wie der Verlag Axel Springer oder die Deutsche Bank ihre Belegschaft wieder häufiger am Firmenschreibtisch sehen. „Wenn einer zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig“, sagte der ehemalige Trigema-Chef Wolfgang Grupp im vergangenen Jahr.
Die Argumente vieler Homeoffice-Kritiker: Zu Hause arbeiten die Menschen weniger produktiv. Wer nicht oder nur selten ins Büro kommt, ist weniger sichtbar – und wird deshalb seltener befördert. Das Betriebsklima und die Innovationskraft leiden unter dem fehlenden persönlichen Kontakt.
Aber stimmt das auch? Wirken sich ein paar Tage im Homeoffice tatsächlich negativ auf Produktivität und Karrierechancen aus? Das hat der Stanford-Ökonom Nicholas Bloom in einer groß angelegten Studie untersucht.
Sechs Monate lang begleitete er mit seinem Team mehr als 1600 Beschäftigte eines chinesischen Online-Reisebüros. Die Arbeitsbedingungen waren laut den Studienautoren denen in europäischen und nordamerikanischen Unternehmen ähnlich. So arbeiteten die Beschäftigten etwa im Durchschnitt 8,6 Stunden am Tag. Für das Experiment wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt: Ein Teil musste fünf Tage pro Woche ins Büro, die anderen durften zwei Tage von zu Hause aus arbeiten. Diese drei Erkenntnisse gewannen Bloom und sein Team:
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1. Solange die Mitarbeiter an drei Tagen im Büro sind, bleiben die Karrierechancen gleich
Oft heißt es: Wer im Büro physisch anwesend ist, fällt auch mehr auf. Und klettert somit schneller die Karriereleiter nach oben. Was Blooms Forschung jedoch zeigt: Hybrides Arbeiten hat keine negativen Folgen für die Jobaussichten. Im zweijährigen Kontrollzeitraum nach dem Experiment konnte der Ökonom bei Tests keine Unterschiede bei den Beförderungsquoten der beiden Gruppen feststellen. Und auch auf die Leistungsbeurteilung wirkten sich die zwei Tage Homeoffice nicht aus.
Drei Tage pro Woche im Büro, sagt Bloom, reichen aus, um Kontakte zu pflegen und an wichtigen Schulungen oder Meetings teilzunehmen. Wenn die Mitarbeiter an den beiden anderen Tagen von einem anderen Ort aus ihre Arbeit erledigen, macht das nichts aus.
Anders sieht es aus, wenn man komplett remote arbeitet. Bloom verweist auf eine Studie aus dem Jahr 2015, bei der die Probanden vier Tage pro Woche zu Hause blieben und nur an einem selbst gewählten Tag ins Büro kamen. Hier lag die Beförderungsquote deutlich niedriger als bei denjenigen, die ausschließlich im Büro arbeiteten.
Vor allem beim Berufseinstieg sei zu viel Homeoffice karrierehinderlich: „Ich rate meinen Studenten in Stanford, in den ersten Jahren mindestens drei Tage pro Woche ins Büro zu gehen“, sagt Bloom. Habe man erst einmal gute Kontakte geknüpft und sich sichtbar gemacht, könne man später dann auch öfter im Homeoffice arbeiten. „Jemand, der seit 20 Jahren in einer Position arbeitet, braucht weniger Mentoring und Betreuung und kann problemlos ein paar Tage mehr zu Hause bleiben und dort seinen Job machen.“
2. Die Produktivität sinkt nicht
In der Diskussion ums Arbeiten im Homeoffice kommt immer wieder die Frage nach der Produktivität auf. Kritiker argumentieren oft, dass Mitarbeiter im Homeoffice in der Arbeitszeit private Dinge erledigen – was zur Folge hat, dass sie weniger produktiv sind. Doch auch diese These konnte Bloom in seiner Studie widerlegen.
Wie schon bei den Karrierechancen konnte der Stanford-Ökonom auch hier keinen Unterschied zwischen den beiden untersuchten Gruppen erkennen. Dazu analysierte er zum Beispiel die Menge und Qualität von geschriebenen Computercodes der teilnehmenden Softwareentwickler.
ie Forscher fragten die Teilnehmer vor dem Experiment zudem nach ihren Erwartungen bezüglich der Auswirkungen von hybrider Arbeit auf die Produktivität. Vor allem die knapp 400 teilnehmenden Führungskräfte gingen davon aus, dass die zwei Tage Homeoffice einen negativen Einfluss auf die Produktivität haben. Nach dem Experiment korrigierten sie ihre Aussage jedoch.
Damit die Produktivität konstant bleibt und hybrides Arbeiten keine Auswirkungen auf die Karriere hat, ist es laut Bloom jedoch wichtig, dass bestimmte Rahmenbedingungen eingehalten werden. Denn: Der große Nachteil von Remote Work ist, dass sich Kollegen weniger sehen. Man tauscht sich weniger aus, der persönliche Kontakt leidet. Deshalb sollten die Beschäftigten laut Bloom nicht nur dann ins Büro kommen, wenn es ihnen passtH+ – sondern es sollte in den Teams feste Tage geben, an denen alle da sind.
„Es macht keinen Sinn, den Mitarbeitern zu sagen, sie sollen die Hälfte der Arbeitszeit ins Büro kommen, ohne feste Tage dafür festzulegen“, sagt Bloom. Dann sind am Ende die einen Montag und Dienstag und die anderen Mittwoch und Donnerstag da. „Und man sieht die Kollegen wieder nur in der Videokonferenz.“
3. Hybrides Arbeiten sorgt für weniger Fluktuation
Während Produktivität und Karrierechancen bei beiden Gruppen gleich waren, unterschieden sie sich in einem Punkt deutlich: der Mitarbeiterbindung. So lag die Kündigungsrate bei denjenigen, die die Möglichkeit hatten, hybrid zu arbeiten, 33,3 Prozent niedriger als bei den anderen Teilnehmern. Vor allem Frauen, Beschäftigte ohne Führungsverantwortung und Mitarbeiter mit langen Anfahrtswegen kündigten deutlich seltener durch die Option auf Homeoffice.
Darin sieht Bloom auch einen der größten Vorteile der hybriden Arbeit. Zwar seien die Auswirkungen auf Produktivität und Leistung und damit auf Gewinn und Umsatz gleich null. Da die Beschäftigten jedoch zufriedener sind und seltener kündigen, wenn sie die Möglichkeit haben, einige Tage von zu Hause aus zu arbeiten, sinken die Kosten für die Unternehmen.
Denn: Neue Mitarbeiter zu finden und anzulernen ist teuer. Bleiben Angestellte lange bei einem Arbeitgeber, spart dieser sich hohe Summen. Bis zu 130.000 Euro kostet es Arbeitgeber hierzulande, wenn zum Beispiel ein Job aus dem Finanzwesen wie Buchhalter, Finanzberater oder Controller neu zu besetzen ist, zeigt eine Untersuchung der Jobplattform Stepstone. Ehe dafür ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gefunden ist, vergehen im Schnitt 181 Tage.
Kosten, die sich Arbeitgeber sparen können, wenn die Fluktuation niedrig bleibt. Bloom rät deshalb jedem Unternehmen, sich zu überlegen, ob es hybrides Arbeiten anbietet. Unterm Strich steigert es laut dem Ökonomen die Profitabilität.
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