Angesichts der Corona-Pandemie setzt vernünftiges Denken häufig aus. - Pixabay

Zum wirksamen Umgang mit Krisen und Risiken im 21. Jahrhundert

**Was vor einiger Zeit noch unvorstellbar war, ist inzwischen Realität geworden: Das öffentliche Leben ist fast vollständig zum Erliegen gekommen.**Gefragt ist deshalb eine Könnensgesellschaft, in der das Tun wirksam werden kann. Krisen können bewältigt und Risiken minimiert werden, wenn wir sie frühzeitig erkennen.

Mit dem Corona-Virus hat die Welt eine Vollbremsung gemacht. Plötzlich kommt etwas Unsichtbares auf uns zu und bedroht uns sogar mit dem Tod, was für die meisten nur schwer zu begreifen ist. Der kanadische Mediziner Abdu Sharkawy sagt allerdings, dass die Corona-Panik „gefährlicher als das Virus selbst“ ist. Er habe weniger Angst vor Corona als vor dem Verlust der Vernunft und „die Welle der Angst, die die Gesellschaft in Panik versetzt und dazu bewegt, obszöne Mengen an Vorräten einzulagern, die einen Luftschutzbunker in einer postapokalyptischen Welt füllen könnten.“

Angesichts der Corona-Pandemie setzt vernünftiges Denken häufig aus. Was vor einiger Zeit noch unvorstellbar war, ist inzwischen Realität geworden: Das öffentliche Leben ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Reisebeschränkungen, Versammlungsverbote, Besuchsverbote in Krankenhäusern und Altenheimen schränken das gesellschaftliche Leben für einen Zeitraum ein, dessen Länge heute nicht absehbar ist. Unternehmen können in diesen Zeiten besser agieren, wenn sie Strategien und Methoden für die Organisation in der Krise sowie eine effektive und nachhaltige Krisenkommunikation haben und virtuelle Teams führen können.

Die Corona-Krise zeigt, dass die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Risiken einen Dominoeffekt auslösen können, der auch die Weltwirtschaft schnell zum Kippen bringen kann. Alles hängt mit allem zusammen. Diese Binsenweisheit zeigt sich heute in all ihren Ausprägungen (Zustrom der Flüchtlinge nach Europa, Absturz der Rohstoffpreise, wachsende Terrorgefahr etc.). Jedes Ereignis ist für sich allein schon eine enorme Herausforderung. Doch die Ereignisse stehen nicht isoliert, sondern sind „verbunden über Waren- und Finanzströme, über Währungen und Wechselkurse, über Anleger, die um ihr Geld fürchten, und Schuldner, die ihre Kredite nicht mehr bedienen können“, schrieb Armin Mahler bereits 2016 in seinem Artikel „Die Multikrise“ (Der Spiegel 4/2016), in der er eine Fortsetzung der alten Krise von 2008 sah: „Die Schulden steigen schneller als das Wachstum. Aber mit gewaltigen Risiken: Jeder Schock kann ein neues Beben auslösen.“ Es ist so gefährlich wie bei einem Chemiecocktail. Mit jeder einzelnen Krise lässt sich umgehen, aber zusammen entfalten sie eine gefährliche Wechselwirkung. „Die Gewissheit von heute ist das No-Go von morgen", sagt der Historiker Andreas Rödder.Deshalb ist es wichtig, bereits jetzt "an die Zeit nach dem nächsten Stimmungsumschwung zu denken."

Der Global Risk Report bestätigt, dass es in den Jahren seit seinem Bestehen niemals so viele Risiken gab wie heute. Die Welt wird komplexer, unübersichtlicher und unsicherer, was sich auch in der Nervosität der Märkte zeigt. Die größten Geschäftsrisiken spiegeln das wieder: Gegenüber den Vorjahren sind zwar einige Risiken zurückgegangen (z.B. von Naturkatastrophen und Betriebsunterbrechungen), doch sind dagegen bei den unternehmerischen Risiken die Cyber-Kriminalität und der Fachkräftemangel gestiegen. Neu als Folge globaler Unsicherheiten sind Marktentwicklungen (Volatilität, Wettbewerb, stagnierende Märkte) und makroökonomische Entwicklungen (Sparprogramme, Rohstoffpreise, Deflation, Inflation). Zu ähnlichen Ergebnissen kam bereits 2016 auch der PwC Global CEO Survey: Weltweit sehen zwei Drittel der Top-Manager für die Wachstumsaussichten ihrer Unternehmen mehr Gefahren als noch vor einigen Jahren: In Deutschland wird in diesem Zusammenhang auf Überregulierung, geopolitische Unsicherheit, die Schuldenkrise in der Eurozone und gesellschaftliche Instabilität verwiesen. Sorgen bereitet allen gleichermaßen der Trend, dass Nationen eher auseinanderdriften als weiter zusammenwachsen.

Die Entwicklung zeigt deutliche Bewegungen hin zu

  • souveränen Nationen mit unterschiedlichen Wirtschaftssystemen

  • Rechtsordnungen, Wertesystemen und Nationalbanken statt zu politischen Unionen

  • gemeinsamen Wirtschafts-, Rechts- und Wertesystemen

  • einer starken Weltbank.

Die heutigen Probleme können mit alten Denk- und Organisationsstrukturen, die wortwörtlich nur Scheinsicherheiten „darstellen“, nicht gelöst werden. Risiken lassen sich nicht vermeiden, indem einfach so weitergemacht wird wie bisher. Auch Ökosysteme, Organismen und Unternehmen sind ja bekanntlich dann am überlebensfähigsten, wenn sie eine Kompetenz besonders gut ausgeprägt haben: „Die Fähigkeit, sich auf veränderte Bedingungen einzustellen und Krisen als Chance für Stärkung wahrzunehmen.“ (Kleene/Wöltje/Teucher). Das ist leicht gesagt – zumal viele Topmanager im Krisenmanagement sehr erfahren und gestählt sind. Was es heute unbedingt braucht, ist ein neues Denken, das in der Lage ist, viele Facetten und Perspektiven zu sehen und das große Ganze zu erfassen, aber auch ins Detail zu gehen.

Gefragt ist heute auch eine Könnensgesellschaft, in der das Tun wirksam werden kann. Krisen können bewältigt und Risiken minimiert werden, wenn sie frühzeitig erkannt werden, denn oft „wachsen sie über Jahre im Dunkeln heran, schwelen abseits der Schlagzeilen. Und dann, von heute auf morgen, brechen sie aus: Wie eine Sturmflut, ein Blitzeinschlag, ein Erdbeben.“ Dabei sind sie all das nicht, schreibt Elmar Lenzen, Chefredakteur des Onlinemagazins UmweltDialog: „Sie sind vielmehr extrem vorhersagbar. Man muss nur die Augen aufmachen. So waren z.B. die Buschfeuer in Australien, die Flaute beim Windrad-Ausbau, Rekordzahlen beim Fliegen trotz aller Diskussionen erwartbar. Von den politischen Krisen wie Syrien, Libyen, Mali oder Iran will ich lieber gar nicht reden.“

Dass viele Menschen dennoch bei Krisenereignissen überrascht sind liegt seiner Ansicht nach möglicherweise daran, dass die Zukunft gern „als Verlängerung der Gegenwart“ projiziert wird. Das Morgen ist eine Art „Heute“. Wandel oder gar Disruptionen sind da nicht vorgesehen. „Vor allem nicht, wenn sie unangenehm sind und Veränderungen des eigenen Verhaltens bedeuten. Darum schalten viele so gern in den Verdrängungsmodus. Das Dumme ist nur, dass genau durch dieses Verhalten Krisen unbemerkt heranwachsen“, so Lenzen.

Es braucht auch deshalb Lebenshandwerker, die keine Angst vor Veränderungen haben, die sich nicht über Funktionsmacht definieren, sondern über ihre Gestaltungsmacht, die uns das Selbstbewusstsein gibt, „mit Krisen umgehen zu können, ohne gleich mental aus dem Fenster zu springen“ (Matthias Horx). Vielleicht trennt diese Krise das Wichtige vom Unwichtigen und zeigt uns, worauf es im Leben wirklich ankommt. Krisenzeiten sind immer auch Lernzeiten.

Weiterführende Informationen:

  • Hildebrandt, A.; Neumüller, W (2018).: Visionäre von heute – Gestalter von morgen. Inspirationen und Impulse für Unternehmer. Verlag SpringerGabler: Heidelberg, Berlin.

  • Lenzen, E.: Editorial. UmweltDialog-Newsletter Nr. 01/2020 vom 08.01.2020.

  • Kleene, M.; Wöltje G.; Teucher T. (2016): „Externe Kommunikation und Nachhaltigkeitbericht“. In: N-Kompass-Praxisreihe. NWB Verlag: Herne.

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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