Foto: Alfons Schweiggert, München

Zwischen Gerüchten und Wahrheit: Geheimnisse um die Geburt König Ludwigs II. von Bayern

Vor 180 Jahren, am 25. August 1845, wurde König Ludwig II. geboren. Das Interview mit Alfons Schweiggert zeigt, dass seine Geburt bis heute - wie vieles andere in seinem Leben - ebenfalls von mysteriösen Ereignissen umgeben ist: Wer war Ludwigs II. wahrer Vater? Hieß Ludwig wirklich Ludwig oder zunächst anders? Wann war er erstmals vom Tod bedroht?

Interview mit Alfons Schweiggert

Herr Schweiggert, wann kam Ludwig II. zu Welt? Am 23., 24. oder 25. August 1845?

 Im Frühjahr 1843 war es bereits zu einer Fehlgeburt gekommen. Ende 1845 wurde Königin Marie erneut schwanger. Von Sonntag auf Montag, am 25. August 1845, kam Ludwig nach 20-stündigen Wehen im Grünen Salon im ersten Stock des linken Flügels von Schloss Nymphenburg zur Welt. „Die Geburt“, so notierte der königliche Leibarzt Prof. Dr. von Gietl, "war eine schwierige - langsame. Die ersten Wehen begannen morgens 6.00 Uhr und die Geburt erfolgte nach Mitternacht um zwölfeinviertel Uhr.“ Die meisten anderen Quellen geben als genauen Zeitpunkt der Geburt 28 Minuten nach Mitternacht an. Der Großvater König Ludwig I., so hieß es, habe am 24. August fortwährend auf seine Uhr gesehen. Er befürchtete, dass sein Enkel schon am 24. zur Welt käme. Je weiter sich der Zeiger auf Mitternacht zubewegt habe, desto größere Zufriedenheit habe er ausgestrahlt. Als die Geburt des Kindes schließlich am 25. August kurz nach Mitternacht erfolgte, sei die Freude besonders auch bei ihm übermächtig gewesen. Denn die Niederkunft geschah in derselben Nacht, ja zur selben Stunde, in der er selbst vor 59 Jahren, 1786, zur Welt gekommen war. Außerdem hieß er Ludwig. Er konnte deshalb an diesem Tag, dem Ludwigstag, gleichzeitig seinen Geburts- und Namenstag feiern. Der 25. August ist demnach ein fünffacher Festtag, an dem zwei Geburtstage, zwei Namenstage und das Fest des Heiligen Ludwig gefeiert werden konnten. Bald gelangte diesbezüglich jedoch ein Gerücht in Umlauf, nach dem das Kind angeblich bereits am 23. August zur Welt gekommen sein soll. Zwei Tage, so hieß es, habe man die Geburt jedoch streng geheim gehalten, da das Kind auf alle Fälle am Ludwigstag das Licht der Welt erblicken sollte, um seinem königlichen Großvater, eine Freude zu machen. So war bereits Ludwigs Geburt von einem Geheimnis umgeben.

Hieß Ludwig bei der Geburt wirklich Ludwig?

Natürlich Ludwig!!! Nein, für das neugeborene Kind war zunächst der Name „Otto Friedrich Wilhelm Ludwig“ vorgesehen, um alle bedeutenden bayerischen und preußischen Vorfahren zur Geltung kommen zu lassen. Doch der königliche Großvater überzeugte die Eltern schließlich, nachdem das Kind einige Tage lang Otto geheißen hatte, dass der Name Ludwig passender sei, da das Kind doch am Tag des heiligen Ludwig und an seinem, des Großvaters Geburts- und Namenstag, zur Welt gekommen sei. Obwohl der Name Otto sogar noch auf der Taufmedaille eingeprägt war, wurde schließlich der letzte Name in der Reihe vorgezogen und das Kind zu Ludwig umbenannt. Erst sein drei Jahre später geborener Bruder sollte dann Otto als Rufnamen erhalten.

Wer gilt als der offizielle Vater Ludwigs II.?

Als offizieller leiblicher Vater gilt bis heute König Maximilian II. Jahre später rätselte man jedoch, ob Ludwig wirklich der Sohn seines ganz anders aussehenden Vaters war. Max II. soll an einer Geschlechtskrankheit, eventuell Syphilis gelitten haben, die er sich in seiner Jugend 1835 auf einer Kavaliersreise in Budapest zugezogen haben könnte und weshalb er unfruchtbar geworden sei. Beweise gibt es allerdings nicht dafür. Auch Ludwig II. kannte die Gerüchte. Wie Philipp zu Eulenburg berichtet, soll er später seiner Mutter den Vorwurf gemacht haben, “ihn nicht aus der Ehe mit König Max empfangen zu haben” In keinem der Ludwig-Schlösser findet man ein Bild seiner Eltern. Da Max II., wie es heißt, vermutlich also keine Kinder habe zeugen können, war der Fortbestand der königlichen Linie gefährdet, was um jeden Preis verhindert werden musste. Und dies habe dann zu einem initiierten Seitensprung von Königin Marie Friederike von Preußen geführt, aus dem Ludwig II. hervorging. Seither kommen außer König Max II. drei inoffizielle Kandidaten aus dem Umfeld der königlichen Familie als Ludwigs II. mögliche Erzeuger in Frage.

Wer gilt als erster inoffizieller Vater Ludwigs II.?

Der älteste Jugendfreund König Max II. war der Historiker und Ministerialrat Wilhelm von Dönniges (1814-1872), der mit Max II. ein lustiges Studentenleben in Göttingen geführt und mit ihm deftige „Kavalierstouren“ unternommen hatte. Er wurde von Max als „Nordlicht“ sehr geschätzt. Seit 1848 erhielt Dönniges monatliche Zahlungen von 1000 Gulden. „An H.R. Doenniges für geheime Zwecke“ so steht es in den Akten. Waren das womöglich Zahlungen für Dönniges Vaterschaftsdienste? Sprang der im Alter von 31 Jahren für Max II. als Erzeuger Ludwigs II. ein? Eine Ähnlichkeit mit der Physiognomie Ludwigs II. ist allerdings nicht feststellbar.  

Wer gilt als zweiter inoffizieller Vater Ludwigs II.?  

Nach Aussage von Karl Bosl, dem ehemaligen Lehrstuhlinhaber für Bayerische Geschichte, sei vermutlich Ludwig Samson Arthur von und zu der Tann-Rathsamhausen (1815–1881) in die Presche gesprungen und damit der wirkliche Vater Ludwigs II. gworden. Er war der Adjutant und enge Vertraute von König Max II. zu dessen Kronprinzenzeit. Der Ludwig Biograph Egon Caesar Conte Corti wusste, dass von der Tann eine „lange und innige Freundschaft bis zum Tod“ mit Max II. verband. Da Max II. angeblich zeugungsunfähig gewesen sei, habe ihn der 30jährige von der Tann als Erzeuger vertreten, eine Prozedur, die Königin Marie – wodurch auch immer betäubt – über sich ergehen habe lassen. An europäischen Königshäusern waren, wenn kein Thronfolger gezeugt werden konnte, solche Praktiken durchaus üblich. Von der Tann ähnelt hinsichtlich seine Wangenpartei und vor allem seiner ungewöhnlichen Körpergröße von 1,91 m Ludwig II. am meisten.  

Wer gilt als dritter inoffizieller Vater Ludwigs II.?

Es wurde aber auch das Gerücht verbreitet, wonach italienische Kammerdiener von Max II. Guiseppe Tambosi (1794–1872), der Vater Ludwigs II. gewesen sei. Man sprach immer wieder davon, Ludwig II. sei “dem Tambosi sei Bua“ gewesen. Max II. habe über Guiseppe zu Klenze gesagt: „Ich weiß sehr wohl, daß Tambosi der schlechteste Kerl in meinem Staate ist, aber ich kann ihn gar zu gut gebrauchen.“ Tambosi war zum Zeitpunkt der Zeugung allerdings bereits 50 Jahre alt. Aber Ludwigs II. südländisches Aussehen spräche für dieses Gerücht. Eine besondere Ähnlichkeit mit Ludwigs II. weist Leopoldine Tambosi auf. Guiseppe Tambosis Bruder Luigi leitete damals übrigens das Café am Odeonsplatz und Guiseppe erhielt später, was höchst ungewöhnlich war, den goldenen Verdienstorden.

Wer ist nun der wirkliche Vater Ludwigs II.?

Die Wahrheit ließe sich, so mutmaßt man, nur durch einen postmortalen Gentest herausfinden, was von den Wittelsbachern allerdings ebenso abgelehnt wird wie die Öffnung des Sarges Ludwigs II. zur Klärung von dessen Todesart. Außerdem stehen die meisten der vermuteten Väter für eine derartige Untersuchung auch gar nicht mehr zur Verfügung. Deshalb gilt bis heute König Maximilian II von Bayern als der Vater Ludwigs II.

Wann war Ludwig erstmals vom Tod bedroht?

Gleich nach Ludwigs Geburt war sein Leben das erste Mal ernsthaft bedroht. Ludwig wurde nicht von Königin Marie gestillt, sondern von einer Amme, einer “gesunden, übergewichtigen” Bäuerin aus Miesbach, in deren Obhut das Kind bis zum achten Monat prächtig gedieh. Da erkrankte im April 1846 die Amme an einem „heftigen Fieber mit Gehirnerscheinungen“, vermutlich an Meningitis, woran sie kurz darauf starb. Die Eltern waren nicht im München, sondern schon im Februar 1846 nach Berlin gereist, wo Ludwigs II. Großmutter erkrankt war. Da in Berlin zu dieser Zeit die Masern grassierten, hatten die Eltern ihr Baby wegen der Seuchengefahr in München zurückgelassen. Nach dem Tod der Amme musste Ludwig abgestillt werden, worauf er im März/April 1846 sichtlich verfiel und in der Folge lebensbedrohlich erkrankte. Einige Monate litt er an Krämpfen und Fieberschüben und rang mit dem Tod. Er überstand die Krankheit zum Glück dann aber doch. Königin Marie kehrte erst 5 Monate später aus Berlin zu ihrem Sohn, der nur sehr langsam genas, nach München zurück. Nach seinem Tod im Juni 1886 wurde in Ludwigs Hirn bei der Obduktion eine überstandene Hirnhautentzündung festgestellt. Er könnte sich also bereits im April 1846 auch mit Meningitis infiziert haben.  

Weiterführende Informationen

  • König Ludwig II.: Seine Flügeladjutanten, Bodyguards und Geheimdienste

  • Alfons Schweiggert und Sepp Schleicher: König Ludwig II. Flügeladjutanten, Bodyguards, Geheimdienste. Der phantastische Briefschatz des Carl Theodor von Sauer. Regenstauf 2025.

  • Alfons Schweiggert: „Geht achtsam um mit Umwelt, Natur und Wohnraum! Aber vergesst auch nicht die Kultur!“. Vorläufer von SDG 11 im 19. und frühen 20. Jahrhundert. In: Zukunft Stadt: Die globale und lokale Bedeutung von SDG 11. Wie die sozialökologische Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft gelingen kann. Handlungsempfehlungen – Chancen – Entwicklungen. Hg. Von Alexandra Hildebrandt, Matthias Krieger und Peter Bachmann. Buchreihe SDG - Forschung, Konzepte, Lösungsansätze zur Nachhaltigkeit. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2025.

Weitere Publikationen über Ludwig II. von Alfons Schweiggert

  •  Die große König-Ludwig-II.-Glocke auf der Maxhöhe in Berg am Starnberger See. Berg 2001

  • Edgar Allan Poe und König Ludwig II. Anatomie einer Geistes-freundschaft. St. Ottilien 2008

  • König Ludwig II. – Deine Treuen. Bayerns König Ludwig II. –Vereine und –Verehrer. St. Ottilien 2011

  • Schweiggert, Alfons/Adami, Erich: Ludwig II. Die letzten Tage des Königs von Bayern. München 2014

  • Der Mann, der mit Ludwig II. starb. Dr. Bernhard von Gudden, der Gutachter des bayerischen Königs. Husum 2014 Bayerns unglücklichster König. Otto I. der Bruder Ludwigs II. München 2016

  • Ludwig II. und die Frauen. München, 2016 Ludwig II. Ein König zwischen Gerücht und Wahrheit, München 2011

  • Ludwig II. und sein Paradies am Starnberger See. Schloss Berg – Possenhofen – Roseninsel, München 2017 Der Ludwig II.-Prozess. Die Schuldigen an der Königskatastrophe, München 2022

 

 

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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