Zwischen Sinn und Sicherheit: Worauf die unterschiedlichen Generationen bei der Jobsuche achten
Das Zusammenspiel von – wie derzeit gegeben – gleichzeitig bis zu fünf Alterskohorten in Unternehmen kann zu einer echten Herausforderung werden. Konflikte, wie sie sich etwa unter dem Schlagwort „Okay, Boomer!“ subsummieren lassen, müssen abgebaut werden. Arbeitgeber*innen sollten die Angestellten dabei unterstützen – und ihre Recruitingstrategie anpassen.
Generationenwechsel: erfolgreiche Zusammenarbeit der Generationen am Arbeitsplatz
Im Laufe der Jahrzehnte haben verschiedene Generationen ihre Spuren in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Jede von ihnen bringt eigene Prägungen, Werte und Erwartungen mit. Diese ergeben sich aus Sozialisation und Lebensumständen. Die unterschiedlichen Wertegerüste resultieren zusätzlich stark aus variierenden Erwartungen an den Arbeitsmarkt.
Speziell mit Blick auf die sogenannte Gen Z gilt es für Betriebe, schon heute die nötigen Weichen zu stellen. Zukunftsforscher Tristan Horx meint: Die „Gen Z ist die am besten ausgebildete und weiblichste Generation, die wir je am Arbeitsmarkt hatten.“ (Trend, 2021). Mit Blick auf eine in vielerlei Hinsicht unsichere Zukunft sieht er bei dieser Generation zugleich allerdings ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis.
Gen Z ist die am besten ausgebildete und weiblichste Generation, die wir je am Arbeitsmarkt hatten.Tristan Horx
Das amerikanische Magazin Forbes (2022) schreibt, „dass es für Arbeitgeber*innen an der Zeit ist, Rekrutierungsstrategien und vielleicht sogar Unternehmensziele zu überarbeiten“ und an die Ansprüche der jüngeren Generationen anzupassen. Ein übereilter Wandel auf der anderen Seite dürfte jedoch auch die älteren Generationen abschrecken. Hier sollte das richtige Gleichgewicht gefunden werden. Es ist daher essenziell, den Austausch zwischen den Generationen im Unternehmen zu fördern. Gelingt das, profitieren die Vertreter*innen aller Generationen davon.
Weiterhin angespannte Situation für Arbeitgeber*innen
Aus Sicht von Arbeitgeber*innen ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt weiterhin angespannt. Lichtstreif am Horizont ist die Gen Z: Die letzten Jahre durch die Corona-Pandemie vielfach ausgebremst, ist diese Generation nun bereit, einige Lücken zu füllen. Doch ihre Ansprüche an die Arbeitgeber*innen sind etwa mit Blick auf reduzierte Arbeitszeiten groß. Ältere Bewerber*innen, für die Arbeit noch einen höheren Stellenwert im Leben einnahm, sind für die Unternehmen auch aus diesem Grund wertvoll. Eine altersdiverse Recruitingstrategie mit altersunabhängiger Ansprache auf möglichst vielen Kanälen ist daher entscheidend. Denn auch Babyboomer sind schließlich im Internet unterwegs – und die Gen Z liest hin und wieder durchaus noch Printmedien.
Vier wichtige Arbeitsmarktrends für das Jahr 2023
1. Bindung von Mitarbeiter*innen gewinnt an Bedeutung
Die Bindung von Mitarbeiter*innen rückt stärker in den Fokus. Zwar werden auch weiterhin nur die wenigsten Arbeitnehmer*innen ihr gesamtes Erwerbsleben in lediglich einem einzelnen Unternehmen verbringen, doch eine zu starke Fluktuation bremst den Unternehmenserfolg aus. Denn während die Babyboomer und die Generation X noch stark karriereorientiert denken, sind für Millennials und die Gen Z andere Werte bedeutender. Loyalität zum Unternehmen ist für sie nur selten wichtig.
2. Recruiting mit spitz definierten Zielgruppen
Das Recruiting von Mitarbeiter*innen muss angesichts der Herausforderungen, vor denen Personaler*innen stehen, noch effektiver werden. Dafür hat sich die Entwicklung sogenannter Candidate Personas etabliert. Ähnlich wie beim klassischen Marketing werden dabei Wunschkandidat*innen ersonnen. Im nächsten Schritt können datenbasierte, KI-gestützte Tools dabei helfen, die aussichtsreichsten Bewerber*innen einzuladen. Indem sie etwa Lebensläufe automatisch auswerten, helfen solche Lösungen, Kandidat*innen auszuwählen, die der Candidate Persona besonders ähnlich sind.
3. Generationenübergreifendes Active Sourcing wird wichtiger
Mit Blick auf die Chancen des digitalisierten HR-Markts spielt auch Active Sourcing, also die proaktive Ansprache potenzieller Bewerber*innen, eine immer größere Rolle. Das ermöglichen beispielsweise Plattformen wie Xing oder LinkedIn, ohne dass dafür professionelle Headhunter*innen engagiert werden müssen. Im Wettbewerb um die besten Fachkräfte kann es sich zumindest für größere Personalabteilungen lohnen, sich generationenübergreifend aufzustellen, um potenzielle Bewerber*innen auf Augenhöhe anzusprechen.
4. Okay, Boomer: Generationenkonflikte im Unternehmen
Die letzten Vertreter*innen der in den Jahren 1922 bis 1945 geborenen, sogenannten „Traditionalisten“, sind in einigen Unternehmen noch immer in beratender Funktion tätig. Auch viele Babyboomer-Jahrgänge sind weiterhin beruflich aktiv. Zugleich übernehmen die jüngeren Jahrgänge aber immer mehr Verantwortung. Häufig führt das zu Konflikten. Unternehmen wie die Deutsche Telekom setzen daher vermehrt auf Generationenberater*innen, die zwischen den Generationen vermitteln. Letztendlich nützt das nicht nur den Betrieben, sondern vor allem auch den Angestellten, die von den unterschiedlichen Erfahrungen ihrer Kolleg*innen profitieren. Ganz nebenbei wird der Wissenstransfer zwischen den Generationen gefördert.
Zusammenfassung und Ausblick: Generationenberatung als neue Dienstleistung für Unternehmen
Von den letzten Vertreter*innen der „stillen Generation“ über Babyboomer und Gen-X-ler bis hin zu den Millennials sowie der Gen Z: Die unterschiedlichen Generationen am Arbeitsmarkt bringen jeweils eigene Erwartungen und Ansprüche mit.
Für Arbeitgeber*innen entstehen dadurch Herausforderungen. Das Zusammenspiel der verschiedenen Alterskohorten im Unternehmen wird vor allem durch den erheblichen Wertewandel, der die Millennials und die Gen Z prägt, auf die Probe gestellt. Gut ausgebildet, diverser und zukunftsorientierter als ihre Vorgänger*innen stellen insbesondere die Vertreter*innen der Gen Z Unternehmen vor grundsätzliche Fragen.
Während Babyboomer und Generation X noch im Wissen aufwuchsen, dass für sie und ihre Kinder die Zukunft mehr Wohlstand bedeuten würde, verlieren die jüngeren Generationen diesen Glauben. Millennials reagierten darauf vor einigen Jahren noch mit der Suche nach sinnstiftenden Jobs. In der von der Polykrise aus Corona-Pandemie, drohender Klimakatastrophe und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine geprägte Gen Z macht sich im direkten Vergleich dagegen eine gewisse Resignation breit. Statt in der Arbeit Heil und Lebensinhalt zu suchen, nutzen sie ihre momentan starke Verhandlungsposition stattdessen aus, um kürzere Arbeitszeiten durchzusetzen. Sinnstiftende Herzensprojekte gehen sie nicht am Arbeitsplatz, sondern in der Freizeit an.