Hintergrund: Ausschnitt Buchcover: Meinolf Protte und Ulrich Vogt: Goethe-Bilder auf … (2016) - Olaf Schulze

„Zwischen uns sei Wahrheit“: Prägende Zeiten für bare Münze

In einer Welt, in der alles immer schneller, unüberschaubarer und anonymer wird, wächst die Sehnsucht nach einer intakten analogen Welt und das Bedürfnis nach Greifbarem und Werthaltigem. Dazu gehören auch Münzen. In vergangenen Jahrhunderten waren sie auch authentische Quellen des Wissens, die der Erforschung der Vergangenheit dienten. Die glänzenden Edelmetalle wurden sehr geschätzt und galten als stabile Werte. Deshalb wurden sie zu begehrten Sammelobjekten. Der „Erinnerungssammler“ Olaf Schulze verbindet mit ihnen „prägende Zeiten“ und unvergessliche Geschichten.

Ich bin kein echter Numismatiker, aber ich sammle Münzen, weil ich damit Erinnerungen verbinde: Entweder wo ich gewesen bin, von wem und aus welchem Anlass ich sie erhalten habe, oder welche Persönlichkeit oder Anlass mit einer Münze geehrt werden soll. Und am langen Ende ist eine gute Münze oft auch ein Zahlungsmittel gewesen. Da wundert es mich überhaupt nicht, dass noch ca. 12 Mrd. DM im Umlauf sind und nicht in Euro eingetauscht wurde. Und so eine Münze, Silber, Legierung, wiegt schwer und verkörpert auch eine innere Wertigkeit. Für mich ist die Geschichte der Abbildung und Prägung - und meine Geschichte - das, was ich mit meinen Münzen verbinde.

Als meine Eltern uns früher in Erfurt besuchten, brachten sie für ihre Enkel immer eine Münze (in der Regel fünf oder zehn DM-Münzen) mit. Leider hat das Leben hier nicht dafür gesorgt, dass sie alle vier meiner Kinder erleben konnten, aber die mittlerweile erwachsenen Kinder schmunzeln und können fast vorhersagen, zu welchen Anlässen ich „ihre“ Münzen hervorzaubere. Diese werden nicht mit anderen vermischt - sie sind ideelles Erbgut, und jede hat eine Geschichte, wobei ich nicht weiß, ob es meine Geschichte oder die der Münzen ist.

Zur Währungsunion am 1. Juli 1990 war ich zwar nicht in der Lage, mit meiner Frau die 2 x 4.000 DDR-Mark in D-Mark zu wechseln (dazu hat unser Studenten- Vermögen nicht gereicht), aber einige DDR-Münzen haben es in die neue Zeit geschafft, vor allem die Weimarer Reihe: Goethe, Schiller, Thälmann - jeweils 20 DDR-Mark und eine 10 DDR-Mark-Münze mit dem Buchenwald Denkmal von Fritz Cremer. Daran wurde ich erst am 25. Januar.2025 wieder erinnert, als ich mit meinem besten Freund nicht nur Weimar besuchte, sondern auf dem Weg nach Erfurt hoch über den Ettersberg zur Gedenkstätte Buchenwald fuhr. Das war wieder so eindringlich, die Allee der Nationen entlangzugehen, dann die vielen Stufen hoch, am Buchenwald-Denkmal zu verharren, und dann zufällig durch den mächtigen Glockenschlag zur vollen Stunde gerüttelt zu werden. Das ist so ergreifend und übermächtig – und das verbinde ich auch mit Münzen: Lebensmaximen und Lebensweisheiten zu erhalten.

Von den Eltern habe ich die Ein-Rubel Münze (1980), den Olympia- Rubel, übernommen, der in deren Anbauwand hinter Glas lag: nur angucken, nicht anfassen. Das bleibt ein Symbol für die Olympiade, und sofort springe ich auf den zweiten Olympiasieg im Marathon und den unvergesslichen Kommentar von Heinz Florian Oertel: „Werdende Väter, nennen Sie Ihre Neuankömmlinge Waldemar.“ Waldemar Cierpinski wurde zum zweiten Male Olympiasieger, wohnte in Halle/Saale in der gleichen Straße wie ich und kam abends vom Training zurückgerannt. Ich versuchte ihn in den engen Straßen im Neubaugebiet Halle/Süd mit meiner Simson, Rufname „Meteor“, abzuhängen, aber zu viele parkende Autos, rechts vor links - er war schneller!

… und als solcher besitze ich (fast) alle modernen Münzen mit seiner Prägung- immer auch der typische Kopf. Hier ist es die Verbundenheit mit seiner Persönlichkeit, seinem Werk und mit Weimar und Thüringen das, was mich zum Sammler macht. Der Dichter und Denker war eine herausragende Persönlichkeit damals in Sachsen-Weimar. Im Laufe der Zeit wurde sein Motiv oft für die Prägung auf verschiedenen Münzen und Zahlungsmitteln in Deutschland genutzt, egal welcher Zeit und Regierungsform. Solche Münzen unterstreichen die Wertschätzung für Goethe, unsere besondere Verbundenheit mit ihm und seine herausragende Bedeutung für die Heimat, für Deutschland und die Welt, für unsere gemeinsamen Werte und Traditionen - auch und gerade in der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart. Dabei hat jede Münze wiederum eine eigene Geschichte, die für Anekdoten und Weisheiten herreicht. Denn die Münzen werden in der Regel auch wieder durch besondere Künstler entworfen!

1932 wurde der 100. Todestag des Dichters für eine kurze Prägezeit auf einer 3-Reichsmark- Silbermünze der Weimarer Republik bedacht. Die Vorderseite zeigt Goethe im Seitenprofil, nach rechts blickend, also die linke Seite eines Kopfes. Der Verlust großer Mengen der Ursprungsauflage von 400.000 Stück durch die Wirren des zweiten Weltkriegs und Einschmelzungen in der folgenden Zeit haben die Anzahl verfügbarer Münz-Exemplare drastisch reduziert. In solch ein Sammler-Exemplar muss man richtig investieren. Das Motiv entspricht einer Kreidezeichnung des Porzellanmalers Ludwig Sebbers aus dem Jahre 1826. Dieser hatte während eines Zwischenaufenthaltes auf dem Weg von München nach Braunschweig den 76-jährigen Goethe besucht und ein Porträt für eine Tasse und ein Profilbild in Kreide gefertigt. Goethe saß Friedrich Julius Ludwig Sebbers wohl zwanzig Mal Modell und äußerte sich lobend über das Ergebnis: Er hat sich dabei aber keinen Strich, keinen Punkt aus dem Gedächtnis willkürlich erlaubt, so dass ein sehr ähnliches und zeitgenössisches Bild entstanden ist.

Etwas Besonderes ist die Randinschrift der 3-Reichsmark Münze "ALLEN GEWALTEN ZUM TRUTZ SICH ERHALTEN". Hierbei handelt es sich um die Schlusszeilen aus Goethes Gedicht „Feiger Gedanken“, welches vielfach vertont wurde: „Feiger Gedanken bängliches Schwanken, / weibisches Zagen, ängstliches Klagen / wendet kein Elend, macht dich nicht frei. // Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten, / nimmer sich beugen, kräftig sich zeigen, / rufet die Arme der Götter herbei!“ Es passte in die damalige Zeit, vor Ende der Weimarer Republik, und würde heute wohl wieder sehr passend sein. Eigentlich wäre sowieso eine Münzprägung für 2025 angesagt, denn vor 250 Jahren traf Goethe in Weimar ein, und blieb ein Leben lang!

1969 erfolgte in der DDR aus Anlass seines 220. Geburtstages eine 20 DDR-Mark- Sondermünzprägung - ebenfalls mit dem Seitenprofil des Kopfes von Goethe, wieder nach rechts blickend. Somit ist - ebenso wie auf der 3- Reichsmark-Münze - seine linke Kopfhälfte auf der 33 mm Umfang und 20,9 g Gewicht messenden 20-DDR-Mark-Münze abgebildet. Immerhin wurden 53.222 Sondermünzen geprägt. Drei Jahre später wurde auch eine 20 DDR-Mark-Münze von Schiller geprägt - mit dem Kopf nach links schauend, so dass die rechte Kopfhälfte abgebildet ist. So könnten beide Klassiker im Zwiegespräch nebeneinandergelegt werden! Ein wenig erinnert dies an die Kopfstellung auf dem Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar des Dresdner Bildhauers Ernst Rietschel. Schiller schaut tendenziell nach links, und Goethe nach rechts.

Von 1964 bis 1990 war Goethe in zwei verschiedenen Varianten auf dem 20-DDR-Mark-Schein zu sehen und ging somit täglich von Hand zu Hand. Es war zwar keine Münze, aber ein Schnelldreher, zunächst in braunen Scheinen, im Alltag. Da war es nur folgerichtig, dass sein Freund Friedrich Schiller auf der Vorderseite des 10-DDR- Mark-Scheins aufgedruckt war. 1971 wurden neue Banknoten emittiert. Goethe war nach wie vor auf der Vorderseite des grünen 20- DDR-Mark-Scheins aufgedruckt, leicht nach rechts schauend. Das Deutsche Nationaltheater Weimar auf der 1964er Rückseite wich dem Abbild einer Schule mit herausrennenden und die Stufen im Schnellschritt nehmenden Schüler. Schiller musste als Portrait auf dem 10-DDR- Mark-Schein fortan Clara Zetkin weichen. Aber Goethe blieb wie ein Felsen bis zur deutschen Währungsunion mit Ablauf des 30.06.1990 erhalten.

1976 tauchten in der DDR beschmierte Exemplare der 20-DDR-Mark-Scheine auf, auf denen der ehrwürdige Goethe-Kopf mit Strichen zur Hitler-Fratze verunstaltet worden ist. Das waren mehr als 29.000 Geldscheine mit einem politisch vulgär und abträglich gekennzeichneten Goethe, die natürlich sofort aus dem Verkehr gezogen wurden. Das mit der Strafsache beauftragte Ministerium für Staatsicherheit hatte die Geldscheine im Operativvorgang "Note" eingesammelt und dann bei der Staatsbank, Abt. Emission, vernichten lassen. Der oder höchstwahrscheinlich die Täter wurden nie ermittelt. Dabei ist dann ein zweiter Kriminalfall entstanden: Der Oberstleutnant der Staatsicherheit, der diesen Vorgang bearbeitete und die Geldscheine persönlich bei der Staatsbank nach Einsammlung gegen saubere neue Goethe-Scheine umtauschte, hat die sage und schreibe 581.960 DDR-Mark unterschlagen. Diesem Herrn ist man aber auf die Schliche gekommen, und es endete nicht gut für ihn in der JVA.

1982 wurde zu Goethes 150. Todestag eine Fünf-DM- Münze herausgegeben. Auf der Vorderseite schaut ein jugendlicher Goethe nach links, die rechte Kopfhälfte ist abgebildet, die Inschrift ist „Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832“, die Rückseite ist mit dem Bundesadler, Bundesrepublik Deutschland und „Deutsche 5 Mark“ geprägt. Interessant ist die Randinschrift mit einem Ausspruch aus Goethes Iphigenie auf Tauris:“ZWISCHEN UNS SEI WAHRHEIT": „Orest: / Ich kann nicht leiden, daß du große Seele / Mit einem falschen Wort betrogen werdest./ Ein lügenhaft Gewebe knüpf‘ ein Fremder / Dem Fremden, sinnreich und der List gewohnt, / Zur Falle vor die Füße; zwischen uns Sei Wahrheit!“

Es ist ein edles Bekenntnis und die nachhaltige Aufforderung zu Wahrheit, Offenheit und Ehrlichkeit. Bei Geld denkt man irgendwann auch an Korruption, bei dieser Goethe-Münze an das Gegenteil.

Im gleichen Jahr wurde ebenfalls zum 150. Todestag von Johann Wolfgang von Goethe eine 5-DDR-Mark-Münze mit Goethes Gartenhaus in Weimar geprägt. Goethe erhielt von seinem Freund und Förderer Herzog Karl August von Sachsen-Weimar (1757–1828) das Gartenhaus geschenkt, welches auf der Gedächtnismünze abgebildet ist. In dem Gartenhaus entstand u.a. das Werk „Iphigenie auf Tauris“. Und das Gartenhaus steht natürlich immer noch und ist im Ilm-Park in Weimar herrlich anzusehen. Zuletzt erfolgte 1999 eine Goethe-Münzprägung, als Weimar Kulturhauptstadt Europas war und der 250. Geburtstag Goethes begangen wurde.

Dann wäre auch eine Karl-Marx-Münze fällig. Zur Kulturhauptstadt Europas erhielt Chemnitz wenigstens seine 20-Euro-Silbermünze, und auf 10 Uhr ist der Karl-Marx-Kopf zu sehen – weil er zu Chemnitz gehört wie Karl Marx als Soziologe zu Deutschland. Die 1999er 10-DM-Silbermünze "Europäische Kulturhauptstadt Weimar stammt von dem Künstler Frantisek Chochola aus Hamburg und wurde als Münze des Jahres 1999 geehrt, der noch zahlreiche weitere 10-DM- bzw. 10-Euro-Gedenkmünzen folgten, u.a. 2008 die von ihm gestaltete Deutsche Zehn-Euro-Silbergedenkmünze „125. Geburtstag des Schriftstellers Franz Kafka“.

Die Vorderseite der 10- DM-Münze kombiniert ein Porträt Goethes, nach links schauend, mit einer Auflistung weiterer berühmter Persönlichkeiten Weimars als Inschrift: Cranach, Schiller, Herder, Wieland, Hoffmann von Fallersleben, Andersen, Bach, Liszt, Strauß, Gropius, Van de Velde, Kandinsky und Klee. Da fehlt fast nur noch Caspar David Friedrich, dem derzeit bis März 2025 die Ausstellung im Schiller-Haus „Caspar David Friedrich: Goethe und die Romantik in Weimar“ gewidmet ist. Goethe hat viele Künstler, Dichter und Denker seiner Zeit zusammengebracht! Die Randinschrift der Münze zitiert aus der 5. Strophe des „Deutscher Parnaß“ von Goethe: "WIRKE GUT SO WIRKST DU LÄNGER // Auf, Ihr Brüder! / Ehr die Lieder! / Sie sind gleich den guten Taten. / Wer kann besser als der Sänger / Dem verirrten Freunde raten? / Wirke gut, so wirkst du länger, / Als es Menschen sonst vermögen.“

2023 wurde das literarische Werk Goethes, der „Faust“, Gegenstand einer 100-Euro-Goldmünze, die wiederum Teil einer Serie deutscher Literatur-Münzen ist. Der Entwurf der Münze wurde von dem Graveur Michael Otto, Rodenbach, erstellt. Die Bildseite zeigt die Köpfe der beiden Protagonisten Mephisto und Faust. Das zentrale Motiv der Feder verbindet das Thema des literarischen Schreibens mit dem für den „Faust“ charakteristischen Teufelspakt. Leider passte auf den Münz-Rand der 28 mm Durchmesser-Goldmünze außer einer Riffelung keine Gravur, aber bei Faust wünsche ich mir immer: „…dass ich erkenne was die Welt, im Innersten zusammen hält“.

Leider nicht, obwohl seine Werke eine humanistische und völkerverbindende Werte- Botschaft vermitteln. Wer denkt da nicht sogleich an den „West-östlichen Divan“.

Natürlich hat es Goethe auch auf viele Ehrenmünzen und Gedenkmünzen geschafft, die keine Zahlungsmittel sind. Ich lege mich fest: 2032 zum 200. Todestag Goethes wird es mindestens eine Euro–Silbermünzprägung geben - trotz und auch wegen des schnellen Fortschreitens der bargeldlosen Zahlungen. Denn eine (Goethe-) Münze ist und bleibt etwas Besonderes, gemacht für die Ewigkeit. Wenn ich mir eine Randinschrift wünschen könnte: „Mehr Licht!“

Dr. Alexandra Hildebrandt schreibt über Wirtschaft & Management, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Internet & Technologie

Als Publizistin, Herausgeberin, Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin widme ich mich den Kernthemen Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Beim Verlag SpringerGabler habe ich die CSR-Bände zu Digitalisierung, Energiewirtschaft und Sportmanagement herausgegeben sowie "Klimawandel in der Wirtschaft".

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