Zwischen Zollkonflikt und CO2-Zielen: Zulieferer stecken in der Zwickmühle
Auch dieser Wunsch von US-Präsident Donald Trump wird sich nicht erfüllen: dass Unternehmen nach seiner Zolldrohung Werke und Arbeitsplätze in die USA verlagern. Über die Probleme, mit denen Autozulieferer hierzulande in Zeiten politischer Unsicherheit zu kämpfen haben.
Ebenso wie VW, BMW und Mercedes hatten Zulieferer wie Bosch, Continental, ZF und Mahle auf die nordamerikanische Freihandelszone NAFTA gesetzt und Werke in Mexiko und Kanada gebaut. Mahle hat zwar elf Werke in den USA, produziert aber auch vieles in den Nachbarländern. Jetzt bleibt Mahle wie der gesamten Autoindustrie wenig anderes möglich, als die Folgen der rigorosen US-Zollpolitik mit weiteren Kostensenkungen zumindest teilweise abzufedern – und größtenteils an die Kunden weiterzugeben.
Mahle beliefert alle US-Autohersteller einschließlich Tesla. Eine Verlagerung sei so schnell gar nicht möglich, sagt Arnd Franz, Vorsitzender der Geschäftsführung des Autozulieferers Mahle: „Wir brauchen für solche Investitionen viele Jahre, bis sie sich auszahlen – ein Jahr für die Entscheidung, drei Jahre für den Bau, zehn Jahre für den Return on Invest. Und wer weiß bei der aktuellen Situation in den USA schon, was in zwölf Jahren passiert.“ Auch GM, Ford und Stellantis werden die höheren Einkaufspreise an ihre Kunden weitergeben, und die werden weniger Autos kaufen.
Eine Abwärtsspirale – und die deutsche Industrie steckt mittendrin
Für den Motoren- und Thermospezialisten Mahle wären die Zeiten auch ohne Trump schon schwer genug. Denn nach wie vor plant die EU-Kommission de facto ein Verbrennerverbot ab 2035. Auch wenn es dieses Jahr noch einmal überprüft werden soll. Dabei sind Verbrennungsmotoren noch immer ein gutes Geschäft, und sie werden es weltweit wohl noch lange bleiben: „Es gibt außerhalb der EU, auch nicht in China, ein Verbrennerverbot“, sagt Mahle-Chef Franz.
In China wird sogar massiv in den Verbrenner investiert – mithilfe europäischer Unternehmen; Mercedes wird die Vierzylinder des neuen CLA aus China beziehen. Renault hat gemeinsam mit Geely ein Gemeinschaftsunternehmen für Verbrenner gegründet. Mahle beliefert chinesische Hersteller mit Teilen für die dort so beliebten Hybride oder für Elektroautos mit Range Extender. Dort sorgt eine kleiner Verbrenner für den notwendigen Strom, wenn die Batterie leer ist. Das Geschäft mit den chinesischen Autoherstellern wächst zwar, kann aber die Ausfälle bei den westlichen Kunden nicht ersetzen.
80 Prozent der Arbeitsplätze fallen durch das Verbrennerverbot weg.Arnd Franz, Vorsitzender der Geschäftsführung des Autozulieferers Mahle
Nach wie vor arbeiten zwei Drittel der Mahle-Beschäftigen an Komponenten für Verbrennungsmotor: „80 Prozent der Arbeitsplätze in diesem Bereich fallen durch das Verbrennerverbot weg“, so Franz. Ab 2035 hat die EU ein Verbot für Pkw ausgesprochen, die beim Betrieb CO2 emittieren. Damit sind Hybride und Verbrenner nicht mehr zulassungsfähig, selbst wenn sie mit CO2-neutralen Kraftstoffen betrieben werden. Franz: „Gemessen wird leider nur am Auspuff.“ Elektrofahrzeuge, die mit Kohlestrom fahren und damit indirekt durchaus CO2 emittieren, sind per EU-Definition klimaneutral.
„Kurzsichtig und auch dem Klimaschutz nicht nützlich“, nennt der Mahle-Chef dieses Vorgehen. Die Chance, diese absurde Regel noch einmal zu ändern, ist nicht besonders groß: „Die Beharrungskräfte sind hier leider erheblich.“ Zwar hat EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen angekündigt, diese Regelung zu überdenken, aber, so Franz: „Wir haben noch 12 bis 24 Monate Zeit, daran etwas zu ändern. Sonst ist der Zug abgefahren.“ Die Industrie braucht auch an dieser Stelle Planungssicherheit – der Planungshorizont liegt ebenfalls bei zwölf Jahren.
Neben Verbrennerverbot in Europa und den US-Zöllen drücken In Deutschland noch hohe Standortkosten wie Löhne, Steuern, Energie und Bürokratie den Gewinn. Dass es Mahle dennoch gelungen ist, 2024 eine Rendite von 3,6 Prozent (Ebit) einzufahren, ist geradezu ein Wunder.
Hoffen auf die neue Bundesregierung
Ob die neue Bundesregierung bei den Standortkosten viel ändern wird, steht längst nicht fest. „Der Koalitionsvertrag enthält vielversprechende Ansätze zur Entlastung der Wirtschaft. Deutschland zurück in die industrielle Weltspitze zu bringen, ist eine Mammutaufgabe, für die im harten globalen Wettbewerb nicht viel Zeit bleibt“, sagt Franz.
Auch die neue Bundesregierung tritt für Technologieoffenheit ein. Doch die Entscheidung darüber, was künftig als „klimaneutral“ gilt, wird in Brüssel gefällt. Und dort stehen die Zeichen noch immer auf „Elektro“.
Kritiker werfen der Industrie vor, mit dem Schlagwort der Technologieoffenheit den Wandel zur E-Mobilität zumindest verzögern zu wollen. Dabei hat auch Mahle Milliarden in die E-Mobilität investiert – und tut es noch: 630 Millionen Euro hat das Unternehmen allein im vergangenen Jahr für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Franz: „Circa 70 Prozent der Patentanmeldungen betrafen die Elektrifizierung.“ Niemand wird dem Unternehmen also mangelndes Engagement bei der Elektrifizierung nachsagen können.
Der größte Auftrag in der Geschichte des Unternehmens war die Bestellung von Themomodulen für ein Elektrofahrzeug. Solche Systeme werden gebraucht, um in Elektroautos die Temperatur von Innenraum, Batterie und Motor zu regulieren. E-Achsen für schwere Lkw und das Themomanagement für Brennstoffzellen sind genauso im Mahle-Programm wie Wasserstoff-Verbrennungsmotoren. Denn, so Franz: „Die eine Lösung für alle Transportaufgaben, wie es früher der Diesel war, wird es künftig nicht mehr geben.“
Elektrogeschäft nach wie vor in der Verlustzone
Bisher haben sich die hohen Investitionen in die Elektromobilität für Mahle nicht ausgezahlt. Die Abrufzahlen der Autohersteller bleiben unter den Erwartungen des Konzerns mit seinen 67.700 Beschäftigten. Das Elektrogeschäft ist nach wie vor in der Verlustzone. Die Ankündigung der neuen Bundesregierung, den Absatz der Elektroautos wieder mit einer Förderung anzukurbeln, kommt da wie gerufen.
Die Investitionen in die Verteidigung sind für einen Motorenspezialisten zwar ein schönes Zusatzgeschäft – in den Motoren der Leopard-Panzer bewegen sich Mahle-Kolben. Aber das wird den Rückgang der Beschäftigung durch das Verbrennerverbot kaum abfedern. So lebt ein Zulieferer wie Mahle, mit 11,7 Milliarden Euro Umsatz hinter Bosch, Continental und ZF die Nummer vier in Deutschland, in Zeiten großer politischer Unsicherheit. Und das hat nicht nur mit Donald Trump zu tun.
