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Dank dieser Vorbereitung wurde ich CEO

Von****Juan Ramón Alaix

Im Grunde hatte ich niemals vor, CEO eines börsennotierten Unternehmens in den USA zu werden. Ich bin gebürtiger Spanier und habe auch die ersten Jahrzehnte meines Berufslebens dort verbracht. Ursprünglich hatte ich mich auf Finanzen spezialisiert: Ich arbeitete als Wirtschaftsprüfer und Controller, erst bei einer Bank, später bei Texas Instruments und bei Polaroid. Dann aber beschloss ich, mich nicht mehr auf Finanzen zu beschränken und ins allgemeine Management zu gehen. Ich wollte eine Sparte in einem großen Konzern leiten.

Zunächst zog es mich in die Pharmaindustrie. Erst arbeitete ich beim Pharmaunternehmen Rhône-Poulenc Rorer (das später durch Fusion zu einem Teil von Sanofi-Aventis wurde), wo ich als Leiter des dortigen Betriebs nach Belgien geschickt wurde. Dann wechselte ich als Spanien-Chef zum schwedischen Pharmazie- und Biotechunternehmen Pharmacia. Als dieses 2003 von Pfizer übernommen wurde, bat man mich, in die US-Zentrale zu wechseln, wo ich als President die Verantwortung für einen großen Teil Europas übernahm, der von Portugal bis Russland reichte.

Ich fand Gefallen an der Vielfalt dieser Managementaufgaben. In meiner ersten Position bei Pfizer lernte ich, ein Großunternehmen zu steuern und die Chancen in meiner Region zu ergreifen. Außerdem sammelte ich hinlänglich Erfahrung darin, wie man einen hochkomplexen Geschäftsbetrieb kulturübergreifend leitet.

2006 bot mir Pfizer die Leitung seiner Sparte Tiergesundheit an. Für mich war das eine hervorragende Gelegenheit, eine internationalere Rolle zu übernehmen und meine Zuständigkeit auf Felder wie Forschung und Entwicklung, Geschäftsentwicklung und die Vermarktung neuer Produkte auszuweiten.

Damals konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass mich dies einmal in die Position eines CEOs führen würde. Fünf Jahre später aber suchte Pfizer im Rahmen einer Strategieüberprüfung nach neuen Möglichkeiten, Wert für Aktionäre zu schaffen. Eine der Optionen bestand darin, das Geschäft mit Tiermedikamenten als Spin-off an die Börse zu bringen. Der CEO von Pfizer sagte mir, dass ein solcher Börsengang wahrscheinlich sei – und dass ich in diesem Fall CEO des neuen Unternehmens werden solle.

Wir sprachen darüber, wie sehr sich dieser Job von meinen bisherigen unterscheiden würde. Dass ich eine Geschäftssparte führen konnte, hatte ich schon bewiesen – das hieß aber nicht zwangsläufig, dass ich mich auch zum CEO eignete. Die dafür notwendigen Fähigkeiten würde ich erst noch entwickeln müssen. Für den Börsengang veranschlagten wir 18 bis 24 Monate. Mit dem Pfizer-CEO einigte ich mich darauf, ihm in diesem entscheidenden Zeitraum zu beweisen, dass ich das neue Unternehmen führen kann.

Als Manager hatte ich bereits reichlich Erfahrung im Aufbau von Teams und beim Umgang mit Mitarbeitern und Kunden gesammelt. Als CEO aber musste ich zusätzlich unsere Strategie der gesamten Außenwelt kommunizieren, darunter Medien, Analysten und Anleger. Mitarbeiter und Kunden wissen von sich aus schon sehr viel über das Geschäft, andere Zielgruppen aber vielleicht gar nichts. In den Monaten vor dem Börsengang würde es deshalb sehr auf das externe Kommunikationsgeschick ankommen, das ein CEO nun einmal braucht. Auf unserer Roadshow sollte ich Analysten und potenziellen Anlegern die Unternehmensstory nahebringen. Wie unsere Strategie bei diesem Publikum ankam, würde die Bewertung unserer Aktie unmittelbar beeinflussen.

Für das neue Unternehmen hatten wir den Namen Zoetis gewählt. (Der Name ist abgeleitet vom englischen Wort "zoetic" – das Leben betreffend – und wird "So-EH-tis" ausgesprochen – Anm. d. Red.) Um mich auf meine Aufgaben vorzubereiten, begann ich ein intensives Trainingsprogramm, das fast 18 Monate dauerte. Ich glaube fest an den Nutzen guter Vorbereitung und Schulungen, unabhängig davon, an welchem Punkt seiner Karriere jemand steht oder wie weit er bereits im Unternehmen aufgestiegen ist. Dass ich zum Zeitpunkt des Börsengangs das gute Gefühl hatte, meiner Aufgabe gewachsen zu sein, verdanke ich vor allem diesem Prozess intensiver Vorbereitung.

Seinen Anfang nahm dieser Prozess in der Personalabteilung, mit der ich meinen Entwicklungsplan aufstellte. Als Erstes befanden wir, dass ich von einem Mentoring durch einen erfahrenen externen CEO profitieren würde. Ein Unternehmen namens Merryck, das Mentoringbeziehungen vermittelt, ließ mich verschiedene Tests und Prüfungen absolvieren, um Lücken in meinen Kompetenzen zu finden. Wir einigten uns darauf, dass es beim Mentoring nicht um eine Änderung meines Führungsstils gehen sollte, denn der hatte sich als erfolgreich erwiesen. Auch meine allgemeinen Managementfähigkeiten sollten nicht im Zentrum stehen. Stattdessen suchten wir nach speziellen Aspekten des CEO-Jobs, bei denen es mir noch an den nötigen Erfahrungen oder Kenntnissen fehlte.

Merryck schlug mehrere Kandidaten als Mentoren vor, und ich entschied mich für den ehemaligen CEO eines großen europäischen Unternehmens. Seine Erfahrung sollte jene Gespräche ergänzen, die ich während der Vorbereitungszeit mit den CEOs anderer US-Unternehmen führen wollte.

Zu Anfang zogen mein Mentor und ich uns für zwei Tage zurück und diskutierten all die Punkte, in denen sich die Tätigkeit als CEOs von der Führung einer Geschäftssparte unterscheidet. Wir sprachen über die verschiedenen Stakeholder und ihren Einfluss auf den künftigen Erfolg von Zoetis. Dann überlegten wir, wie ich mit jeder dieser Gruppen optimal kommunizieren könnte. Nach dieser Klausur sprachen wir meist mindestens einmal im Monat miteinander. Mal trafen wir uns persönlich, wenn ich in Europa oder mein Mentor in den USA war, mal unterhielten wir uns am Telefon. Üblicherweise tauschten wir uns so über mehrere Stunden pro Monat aus.

Bei diesen Gesprächen hatte ich kein großes Aha-Erlebnis, trotzdem fand ich sie ausgesprochen wertvoll. Immerhin leitete ich zu dieser Zeit noch meinen alten Bereich und plante auch schon die Struktur des neuen Unternehmens nach dem Börsengang. Nach der Abspaltung von Pfizer würden wir eigene Zentralbereiche, ein eigenes Führungsmodell, eine eigene Unternehmenskultur und vieles mehr brauchen. Bei so viel Arbeit mit meiner alten Aufgabe und der Planung des Börsengangs hätte ich leicht die Vorbereitung für meinen neuen CEO-Posten vernachlässigen können, weil ich einfach zu beschäftigt war. Doch die regelmäßigen Verabredungen mit meinem Mentor haben das verhindert.

Wertvoll für mich war es zudem, einen Außenstehenden zu haben, der sich meine Sorgen anhörte und mir zeigte, dass man Probleme auch anders angehen kann. Als Führungskraft verbringen Sie die meiste Zeit mit Kollegen und Mitarbeitern und verpassen es dadurch, die eigenen Handlungen durch eine unabhängige Meinung infrage zu stellen. Mein Mentor sprach Themen an, über die ich noch gar nicht nachgedacht hatte. Häufig stellte er Fragen und forderte mich auf, genau zu überlegen, welche Möglichkeiten ich hätte. Diese strukturierten Gespräche zwangen mich zu einer sorgfältigen Analyse, damit ich seine Fragen überhaupt beantworten konnte.

Die zweite Person, die eine wichtige Rolle in meiner Vorbereitung spielte, war ein Kommunikationsexperte, den mir unser Team der internen Öffentlichkeitsarbeit empfohlen hatte. Wir sprachen lange darüber, welche unterschiedlichen Kommunikationsformen – mit denen ich meist wenig Erfahrung hatte – ein CEO beherrschen muss: Er sollte sowohl in Fernseh- als auch in Zeitungsinterviews eine gute Figur machen. Er sollte in der Lage sein, eine makellose Grundsatzrede zu halten, mit einer kleinen Gruppe zu diskutieren oder im Vieraugengespräch mit einem wichtigen Einzelanleger. Und er sollte sowohl den vorbereiteten Teil als auch die freie Fragerunde in Telefonkonferenzen zur Geschäftsentwicklung beherrschen, womit ich nie zuvor zu tun gehabt hatte.

Es war harte Arbeit. Letztlich beschäftigte ich sogar zwei Trainer während meiner Vorbereitungszeit, von denen einer eine Zeit lang zu meinem Team gehörte. Er beobachtete mich bei Treffen im kleinen Kreis und auch bei Großereignissen wie Betriebsversammlungen und gab mir jede Menge Feedback.

Bei unserer Zusammenarbeit ging es nicht nur um Präsentationsstile. Wir nahmen auch einen Feinschliff an der Botschaft vor, die ich vermitteln wollte, damit Außenstehende unsere Strategie als Tiergesundheitsunternehmen verstanden. Eine der besonderen Herausforderungen als Spin-off bestand darin, dass die auf Pfizer spezialisierten Analysten und die Investoren mit Pfizer-Aktien im Portfolio über das Geschäft mit Arzneimitteln für Menschen schon eine Menge wussten. Für Tiergesundheit dagegen hatten sie sich bislang kaum interessiert. Ich musste zeigen, dass sich diese Geschäftsfelder deutlich unterscheiden. So werden in der Humanmedizin die meisten Medikamente von Krankenversicherungen bezahlt, die großen Einfluss auf Preisgestaltung und die Höhe von Erstattungen haben. Bei Tieren dagegen sind Veterinäre und Züchter unsere Kunden – und die zahlen selbst für unsere Produkte.

Auch die Bedeutung von Generika ist in beiden Geschäftsfeldern sehr unterschiedlich. In der Humanmedizin kann der Umsatz eines Medikaments schon im ersten Jahr nach Ende des Patentschutzes um 90 Prozent einbrechen. Verantwortlich dafür ist der Einfluss der zahlenden Dritten. In der Tiermedizin aber sorgt Kundenloyalität für geringeren Preisdruck, sodass die Wirkung von Generika weniger massiv ist. Dadurch müssen Tiermedizinhersteller nicht ständig in Forschung und Entwicklung für neue Produkte investieren, sondern können den Großteil ihres Forschungsbudgets für Programme einsetzen, mit denen sich die Nutzbarkeit des aktuellen Medikamentenportfolios verlängern lässt. Forschungsinvestitionen sind daher kosteneffizient, nachhaltig und relativ gut planbar, was Anleger sehr schätzen. Aus diesen und anderen Unterschieden ergibt sich eine komplexe Botschaft. Meine Aufgabe war es, sie bei einer Roadshow wirksam zu verbreiten.

Die Trainer brachten mir spezielle Techniken bei, die ich inzwischen regelmäßig einsetze, etwa nonverbale Kommunikation, einfache Darstellung schwieriger Themen und den Umgang mit unterschiedlichen Sprechtempi. Während der Trainings wurden alle meine Präsentationen gefilmt; die Aufzeichnungen schauten wir uns gemeinsam an und arbeiteten weiter an Verbesserungen.

Wenn sie ein bestimmtes Alter er-reicht haben, sind viele Menschen nicht mehr so offen für Weiterbildungen. Für mich gilt das nicht – ich nehme sie gern an. Kommunikationstrainings hatte ich schon früher absolviert, doch die Vorbereitung auf den Börsengang war weitaus intensiver. So habe ich vor meinem ersten TV-Interview vermutlich mehr als acht Stunden mit Proben verbracht. Denn ich glaube, dass der Schlüssel zu erfolgreicher Kommunikation in guter Vorbereitung liegt. Bevor ich meine erste Roadshow-Präsentation vor Anlegern hielt, probte ich sie mindestens 40-mal.

Der Prozess der Abspaltung von einem größeren Unternehmen ist eher ungewöhnlich. Während der Schulung traf ich vier oder fünf CEOs, die so etwas schon einmal durchgemacht hatten. Von ihnen habe ich vor allem eines gelernt: Es kann recht schwierig werden, die Beziehung zum Mutterunternehmen neu zu gestalten. In den meisten Fällen bleibt es als Zulieferer, Aktionär, Kunde oder über ein Dienstleistungsabkommen involviert. Auch wenn Mutter- und Tochterunternehmen schon lange zusammenarbeiten, werden sich ihr Verhältnis zueinander und ihre Prioritäten verändern. Mit diesem Thema hatte ich nicht gerechnet, doch die erfahrenen CEOs lagen mit ihrem Hinweis völlig richtig.

Das letzte Puzzlestück meiner Vorbereitung bestand darin zu lernen, wie man mit einem Board umgeht. Lange vor dem Börsengang richtete Pfizer für Zoetis einen internen Board ein, mit dem ich mich jeden Monat traf. Zu seinen Mitgliedern zählten der CEO, der Finanzchef und weitere Spitzenmanager von Pfizer. Sie berichteten mir von ihren Erfahrungen in solchen Gremien und was sie dabei gelernt hatten.

Bis zum Börsengang im Februar 2013 hatten wir mit unserer Roadshow und Anlegerkommunikation eine hohe Erwartungshaltung und große Nachfrage nach Informationen über Zoetis geschaffen. Am ersten Handelstag war ich in der CNBC-Wirtschaftssendung "Squawk Box" zu sehen und gab mehrere Interviews für andere TV-Sender und Zeitungen. Ich fühlte mich gut vorbereitet, und alles lief glatt.

Der Börsengang und der Abspaltungsprozess haben für Pfizer und seine Aktionäre mehr als 17 Milliarden Dollar an Wert geschaffen, sodass der zeitliche und finanzielle Aufwand mehr als gerechtfertigt war. Im ersten vollen Geschäftsjahr übertraf Zoetis die selbst gesteckten Ziele und schaffte es, die komplexe Abspaltung von Pfizer ebenso im Griff zu behalten wie den Aufbau einer eigenen Infrastruktur. Auch für unsere Kunden schufen wir weiterhin Wert, indem wir den Markt mit Innovationen bedienten und ihn mit unseren Produkten zuverlässig versorgten.

Jede Führungspersönlichkeit hat ihr eigenes Erfolgsrezept. Für mich kommt es in erster Linie auf eine gute Vorbereitung an. Ich glaube sogar an übertriebene Vorbereitung, auch wenn sie viel Zeit kostet. Ein Teil davon ist die Haltung, bescheiden genug zu sein, um Feedback anzunehmen. Bislang hat es sich für mich noch immer ausgezahlt, mich ausführlich auf eine Herausforderung vorzubereiten und offen für Coaching zu sein.

Von Juan Ramón Alaix

Der Autor

Juan Ramón Alaix ist CEO von Zoetis, dem weltgrößten Hersteller von Tierarzneien und Tierimpfstoffen. Bis zu seiner Abspaltung 2013 war das Unternehmen eine Sparte des US-Pharmakonzerns Pfizer.

Profil

Das Unternehmen

Die Anfänge von Zoetis liegen im Jahr 1952, als der US-Pharmakonzern Pfizer eine Tiergesundheitssparte etablierte. Seit der Abspaltung vom Mutterkonzern 2013 beschäftigt das Unternehmen rund 9000 Mitarbeiter an 25 Standorten, darunter 1000 in Forschung und Entwicklung. Das Produktportfolio von Zoetis umfasst mehr als 300 Tierarzneien und Impfstoffe für Rinder, Schweine, Geflügel, Schafe, Fische, Hunde, Katzen und Pferde.

Der CEO

Nach seinem Wirtschaftsstudium in Madrid startete Juan Ramón Alaix seine Karriere im Finanzwesen, bevor er in die Pharmabranche und ins General Management wechselte. 2003 wurde er mit dem Pharmakonzern Pharmacia von Pfizer übernommen. Dort leitete er ab 2006 die Tiergesundheitssparte "Animal Health", die sich 2013 vom Mutterkonzern abspaltete. Heute sieht Alaix seine Hauptaufgabe darin, dem Unternehmen in der Ära nach Pfizer eine neue Identität und Kultur zu verschaffen. Unter den acht Executive Vice Presidents von Zoetis sind vier Frauen.

© HBP 2018

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