Warum Großraumbüros zu weniger Kommunikation führen
Großraumbüros sollen eigentlich die Kommunikation und Kooperation im Team fördern. Mittlerweile ist klar: Sie bewirken genau das Gegenteil.
Von****Ethan Bernstein und Ben Waber
Vor ziemlich genau einem Jahr eröffnete Adidas sein neues Vorzeigegebäude in Herzogenaurach. Der Sportartikelhersteller nennt es Arena: Die Architektur gleicht einem Stadion und ist vollkommen auf Begegnung ausgelegt. Offene Räume, Stehtische, Sitznischen – Menschen sollen hier so häufig wie möglich aufeinandertreffen, was, so die Hoffnung, Kreativität und Ideenfindung beflügelt.
Seit über einem Jahrzehnt entwerfen Architekten moderne Bürogebäude nach diesem Muster. Unternehmen stecken viel Mühe in offene Räume, die Interaktionen schaffen und die Zusammenarbeit fördern sollen. Während feste Einzelbüros nach der Corona-Pandemie in vielen Unternehmen infrage gestellt werden, bleibt der Trend zu flexiblen, offenen Büroflächen ungebrochen, verstärkt sich vielerorts sogar.
Die Krux an der Sache: Die Verhaltensweisen, die solche Räume hervorbringen, entsprechen nicht immer den Erwartungen der Designer und den Wünschen der Manager. An etlichen Arbeitsplätzen, die wir bei Forschungsprojekten oder Beratungsaufträgen untersuchten, haben diese Strukturen sogar zu weniger – oder zumindest weniger sinnvollen – Interaktionen geführt. Das sollten Managerinnen und Manager im Auge haben, wenn sie planen, wie sie Arbeitsplätze neu gestalten.
Mit modernen Wearables und durch Erfassung von Daten über sämtliche elektronischen Mitarbeiterinteraktionen haben wir (zusammen mit Stephen Turban, der derzeit an der Fulbright University in Vietnam tätig ist) die persönlichen und digitalen Interaktionen in den Zentralen von zwei "Fortune"-500-Unternehmen verfolgt, bevor und nachdem diese Firmen von Einzel- auf Großraumbüros umstiegen. Wir wählten die repräsentativsten Arbeitsplätze aus, die wir finden konnten. Wir warteten, bis die Mitarbeiter sich in ihren neuen Räumen eingelebt hatten, und begannen, ihre Interaktionen erst dann zu verfolgen. Um der Genauigkeit willen variierten wir auch die Zeiträume, in denen wir sie erfassten.
Beim ersten Unternehmen sammelten wir in der Zeit vor der Umgestaltung der Büroräume drei Wochen lang Daten und fingen damit einen Monat vor dem Umzug an. Rund zwei Monate nach dem Umstieg auf Großraumbüros trugen wir wiederum drei Wochen lang Daten zusammen. Beim zweiten Unternehmen sammelten wir acht Wochen vor und acht Wochen nach der Neugestaltung Daten, und zwar innerhalb eines Zeitfensters von drei Monaten vor und rund zwei Monaten nach dem Umzug. Wir passten unsere Datenerhebungszeiträume an die saisonalen Konjunkturzyklen an, um auch wirklich identische Vergleichsbedingungen zu schaffen – zum Beispiel sammelten wir immer in den gleichen Wochen des jeweiligen Quartals Daten.
Nach der Einrichtung der Großraumbüros ging die Zahl der persönlichen Kontakte um 70 Prozent zurück.
Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Anzahl persönlicher Kontakte um ungefähr 70 Prozent zurückging, nachdem die Unternehmen auf Großraumbüros umgestiegen waren, während die Zahl der elektronischen Interaktionen zunahm. Wie kommt das?
Schon im 18. Jahrhundert wusste der französische Philosoph Denis Diderot eine Antwort auf diese Frage: Er riet Schauspielern, sich "am Vorderrand der Bühne eine große Wand vorzustellen, die sie vom Publikum trennt, und sich genau so zu verhalten, als wäre der Vorhang nie aufgegangen". Diderot bezeichnete diese imaginäre Trennwand als vierte Wand. Sie sorgt dafür, dass die Schauspieler nicht vom Publikum abgelenkt werden, und gibt ihnen die Möglichkeit, Dinge auszublenden, die sie nicht unter Kontrolle haben (die Zuschauer), und sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, was sie unter Kontrolle haben (nämlich die Szene, die sie gerade spielen). So wie ein Basketballspieler den Ball in den Korb wirft, ohne die jubelnden (oder pfeifenden) Fans dahinter wirklich wahrzunehmen. Eine solche vierte Wand schafft die Intimität dessen, was manche Menschen als öffentliche Einsamkeit bezeichnen. Je größer das Publikum, umso wichtiger ist sie.
Auch Menschen in Großraumbüros schaffen sich eine solche vierte Wand, und ihre Kollegen respektieren dies. Wenn jemand konzentriert arbeitet, unterbricht man diese Person nicht dabei. Wenn jemand ein Gespräch anfängt und ein Kollege ihm daraufhin einen ärgerlichen Blick zuwirft, wird er das kein zweites Mal tun. Vor allem in offenen Bürolandschaften breiten sich solche Normen rund um die vierte Wand schnell aus.
Eine weitere Erkenntnis aus unseren und anderen wissenschaftlichen Untersuchungen ist, dass der Standort der Teammitglieder großen Einfluss auf ihre physischen und digitalen Interaktionen hat. Im Allgemeinen gilt: Je weiter Menschen voneinander entfernt sind, umso weniger kommunizieren sie miteinander. Das haben Forschungsarbeiten im MIT Media Lab eindeutig gezeigt, an denen Ben Waber, Co-Autor dieses Beitrags, mitwirkte.
Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Personen auf einem Firmencampus physisch oder digital miteinander interagieren, verhält sich direkt proportional zum Abstand zwischen ihren Schreibtischen. Oder allgemeiner ausgedrückt: Eine der robustesten soziologischen Erkenntnisse (von der man bereits ausgegangen war, als man noch lange nicht die nötigen Technologien besaß, um sie anhand von Daten zu beweisen) besteht darin, dass physische oder psychische Nähe ein Prädiktor für soziale Interaktionen ist.
Der beste Beweis dafür ist eine Studie in der Zentrale eines großen Konsumgüterherstellers, durchgeführt von der Beratungsfirma Humanyze, die Ben Waber leitet, Co-Autor dieses Artikels. Dazu wurde eine Software zur Mitarbeiteranalyse genutzt, die Unternehmen einen besseren Einblick in die Interaktionen ihrer Teams vermitteln soll. Die Studie zeigte, dass Mitarbeiter eines Teams sechsmal häufiger miteinander in Kontakt kommen, wenn sie auf derselben Etage untergebracht sind. Kollegen aus verschiedenen Teams interagieren neunmal häufiger, wenn ihre Büros sich auf der derselben Etage befinden.
Eine Studie, die wir auf dem Hauptcampus eines "Fortune"-500-Einzelhändlers mit über zwölf Firmengebäuden durchgeführt haben, ergab, dass nur 10 Prozent der gesamten Kommunikation auf Mitarbeiter entfielen, deren Schreibtische weiter als 500 Meter auseinanderstanden. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Zusammenarbeit verschlechtert, wenn Mitarbeiter in benachbarten Gebäuden untergebracht werden. Um die Häufigkeit von Interaktionen zu erhöhen, sollten Menschen im selben Gebäude arbeiten, idealerweise sogar auf dem selben Stockwerk.
Die Arbeit im Homeoffice ist zweifellos kostengünstig, hemmt die Zusammenarbeit (selbst über digitale Kanäle) jedoch ganz erheblich. Recherchen, die wir von 2008 bis 2012 in einem großen Technologieunternehmen durchführten, haben ergeben, dass Mitarbeiter im Homeoffice um fast 80 Prozent weniger über ihre Aufgaben kommunizierten als Teammitglieder, die in räumlicher Nähe zueinander untergebracht waren. Bei 17 Prozent der Projekte tauschten sie sich überhaupt nicht miteinander aus. Das Fazit liegt auf der Hand: Wenn Mitglieder eines Teams interagieren müssen, um Projektmeilensteine zu erreichen, sollten sie nicht von zu Hause aus arbeiten. Ob sich dies langfristig durch die Erfahrungen in der Corona-Krise verändern wird, bleibt abzuwarten.
Seit wir regelmäßig wissenschaftliche Artikel über unsere Analyse von Büroräumen veröffentlichen, werden wir immer wieder um weitere Details gebeten. Manche Menschen scheinen zu glauben, dass Blaupausen das Rätsel guter Zusammenarbeit lösen können. Architekten, Immobilienverwalter und Hersteller von Bürosystemen bestärken sie in dieser Überzeugung, indem sie aus Daten von Mitarbeiterbefragungen und der bisherigen Nutzung von Büroräumen individuelle Bedürfnisse abzuleiten versuchen. Sie schaffen "flexible", "agile" und "aktivitätsbezogene" Räumlichkeiten, damit Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze ganz nach ihren Wünschen gestalten können.
Mitarbeiter, deren Tische mehr als 500 Meter voneinander entfernt standen, kommunizierten selten.
Aber Zusammenarbeit ist ein Teamsport. In Büros, die individuellen Präferenzen einen zu hohen Stellenwert einräumen, wird es wahrscheinlich nicht so gut gelingen, das Team (oder mehrere Teams) in ihrer Zusammenarbeit zu unterstützen. Hybridmodelle, die sowohl Arbeitsplätze im Großraum als auch geschlossene Büroräume anbieten, sind somit kein Allheilmittel. Wenn Sie Ihren Mitarbeitern die Möglichkeit geben, die Räumlichkeiten zu wählen, die ihren individuellen Bedürfnissen am stärksten entsprechen, können Sie sie ebenso gut im Homeoffice arbeiten lassen.
Führungskräfte müssen entscheiden, welche kollektiven Verhaltensweisen sie fördern oder vermeiden wollen und wie sie dabei am besten vorgehen. Sie sollten sich nicht nur auf das Design und die Technologien konzentrieren, sondern sich auch mit der Gestaltung von Aufgaben und Funktionen und der gesamten Unternehmenskultur befassen.
Wenn es für ein Unternehmen oberste Priorität hat, die Immobilienkosten möglichst gering zu halten, sollten Führungskräfte das offen und ehrlich eingestehen – und zwar sowohl sich selbst als auch ihren Mitarbeitern. Die meisten Büroräume werden nicht umgestaltet, um die Zusammenarbeit in der Organisation zu fördern. Häufig geht es dabei um ein anderes Ziel, wie der Immobilienmanager eines US-Großunternehmens es uns beschrieb: "Die Unternehmensleitung hat mir den Auftrag erteilt, unsere Zentrale so umzustrukturieren, dass wir weitere 1000 Mitarbeiter darin unterbringen können."
Mittlerweile sind Unternehmen sehr gut darin geworden, immer mehr Menschen in engeren Räumen einzuquartieren. Das muss nicht schlecht sein: Sie reinvestieren die dadurch erzielten Einsparungen oft in andere wichtige Dinge. Doch wenn das Ziel Ihres Unternehmens darin besteht, die Zusammenarbeit zu stärken, müssen Sie die richtigen Interaktionen fördern und ineffektive Interaktionen so weit wie möglich reduzieren. Und Sie müssen die Vor- und Nachteile solcher Maßnahmen sehr genau abwägen. Das bedeutet, dass Sie die vorherrschenden Interaktionsmuster verstehen müssen und überlegen sollten, was Sie daran verändern möchten.
Wissenschaftler des MIT fanden heraus, dass in Fällen, wo der innere Zusammenhalt von Teams wichtiger für die Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit war als der Kontakt zwischen unterschiedlichen Teams, der Austausch zwischen Teams der Leistung sogar schadete. Sie untersuchten dafür die Kommunikation bei einer großen deutschen Bank anhand von Sensoren und digitalen Daten. Also siedelten sie Teams in separate Räume um. Und nachdem ein großes Energieunternehmen mit Humanyze-Technologie die Interaktionen seiner Mitarbeiter aufzeichnete, verstärkten sie die Kommunikation zwischen Abteilungen, deren Prozesse stark davon abhingen. Gleichzeitig reduzierten sie den Austausch zwischen anderen Abteilungen, indem sie einige Mitarbeiter in einem neuen Gebäude und andere außerhalb des Betriebsgeländes unterbrachten.
Wenn Menschen längere Zeitfenster für ununterbrochene konzentrierte Arbeit brauchen, kosten Ablenkungen viel Geld. In solchen Fällen kann es kontraproduktiv sein, mehr Kooperationsmöglichkeiten zu schaffen: Das steigert die Kosten, ohne einen entsprechenden Nutzen zu bringen.
Um herauszufinden, in welcher Arbeitsplatzumgebung welche Gruppen am besten arbeiten, sind Experimente die optimale Möglichkeit. Das bedeutet: Daten über Interaktionen sammeln und analysieren, eine Hypothese entwickeln, wie es besser gehen könnte, und diese Hypothese dann gegen eine Kontrollgruppe testen. Diesen Weg ging Mori Building, eines der größten japanischen Immobilienunternehmen. Anfang 2016 wollte das Unternehmen die Zusammenarbeit zwischen seinen Teams in der Konzernzentrale produktiver gestalten. Trotz der offenen Büroarchitektur stellte Mori dank tragbarer Sensoren, die den persönlichen Austausch maßen, fest, dass Mitarbeiter fast ausschließlich mit ihren eigenen Teamkollegen kommunizierten. Normalerweise blieben sie in den für ihr Team vorgesehenen Sitzecken und nutzten nur selten die offenen Bereiche (die rund 20 Prozent der Fläche ausmachten).
Also wagte die Abteilung für Bürogestaltung ein Experiment, um herauszufinden, ob man die Anatomie der Zusammenarbeit durch architektonische Veränderungen beeinflussen könnte. Sie wählte dafür eine Etage aus, in der jedes Team (Inneneinrichtung, Immobilienberatung, Vertrieb und so weiter) über einen eigenen Bereich verfügte. Einen Teil der Etage (die Kontrollgruppe) beließ man so, wie er war; der andere wurde in ein Großraumbüro umgewandelt, in dem jeder sich hinsetzen durfte, wo er wollte. Mori verglich die persönlichen Interaktionen in diesen beiden Konfigurationen miteinander und kam zu einem eindeutigen Ergebnis. Zwar nahmen die Interaktionen zwischen den Teams zu, doch die Häufigkeit von Kontakten innerhalb der Teams ging drastisch zurück: Die Teammitglieder brachten 1,26-mal so viel Zeit ihres Arbeitstags damit zu, allein zu arbeiten.
Anfangs war Mori mit diesen Ergebnissen ganz zufrieden. Die Zunahme teamübergreifender Interaktionen bedeutete, dass die Mitarbeiter sich direkt an Kollegen aus anderen Teams wandten, um Probleme zu lösen und Aufgaben zu erledigen – unter Umgehung von Vorgesetzten, die sich den untersuchten Daten zufolge als "Kommunikationsflaschenhälse" erwiesen hatten. Und obwohl dies eine unbeabsichtigte Konsequenz war, verbrachten die Mitarbeiter deshalb mehr Zeit mit Einzelarbeit, weil in dem Unternehmen immer weniger Meetings stattfanden, die 30 Minuten oder länger dauerten. (Die Mitarbeiter gingen einfach aufeinander zu, wenn es etwas zu besprechen gab.)
Allerdings hatte diese Entwicklung auch einen Haken: Wie sich herausstellte, waren die Vorgesetzten nicht nur Flaschenhälse für die Kommunikation, sondern auch Garanten für eine hohe Arbeitsqualität. Durch ihre Umgehung entstanden Probleme bei den nachgelagerten Arbeitsabläufen: Innerhalb von sechs Monaten war die Produktivität gesunken und die Anzahl der Kundenbeschwerden gestiegen. Und obwohl die Verkürzung der Meetingzeiten auf den ersten Blick von Vorteil zu sein schien, zeigte sich im Nachhinein: Die Mitarbeiter, die dadurch mehr Zeit gewonnen hatten, um allein vor sich hin zu werkeln, hätten offenbar bessere und effizientere Arbeit geleistet, wenn sie an mehr Besprechungen teilgenommen und dort entsprechende Unterweisung erhalten hätten. Die Vorgesetzten, die diese Meetings gebraucht hätten, um für einen planmäßigen, systematischen Umgang mit offenen Fragen und Problemen zu sorgen, fühlten sich jetzt dadurch belastet, dass ihre Mitarbeiter nach Lust und Laune bei ihnen vorbeikamen (bis ihnen schließlich nichts anderes mehr übrig blieb, als sich unten im Café zu verstecken). Letztendlich ging Mori dann doch wieder zu seinen ursprünglichen festen Sitzecken je Team über und reduzierte die Anzahl der offenen Sitzbereiche.
Anhand ähnlicher Experimente stellte ein großes Softwareunternehmen fest, dass 90 Prozent der persönlichen Interaktionen an den Schreibtischen der Mitarbeiter und nur 3 Prozent in gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten stattfanden. (Der Rest der Kommunikation entfiel auf Konferenzräume.) Eigentlich hatte dieses Unternehmen vorgehabt, auf eine offene Bürolandschaft umzusteigen, um die Häufigkeit von Interaktionen zwischen den Teams zu erhöhen. Dank der Experimente erkannte das Führungsteam, dass eine solche Umstellung die Zusammenarbeit stark beeinträchtigen würde, und gab seinen Plan wieder auf.
Wer die Zusammenarbeit optimieren will, muss nicht unbedingt alles radikal umgestalten. Auch mit kleineren Veränderungen kann man etwas bewirken, und es lohnt sich, diese potenziellen Einflüsse zu testen. Inzwischen sammelt Mori Daten darüber, wie groß die Tische in seiner Konzernzentrale sein sollen. Erstes Fazit: Große Tische, die in vielen neuen Bürodesigns anstelle von Einzeltischen vorgesehen sind, fördern vertrauliche Gespräche ungefähr so gut wie ein großer Esszimmertisch – nämlich überhaupt nicht. Ein Produktionsunternehmen stellte fest, dass bereits kleine Veränderungen am Mobiliar großen Einfluss haben können. In den Hauptarbeitsbereichen der Unternehmenszentrale gab es zwei verschiedene Arten von Besprechungsräumen: völlig offene Räume und Bereiche, die auf zwei Seiten von beweglichen Whiteboard-Barrieren eingefasst waren. In den Konferenzräumen mit Whiteboards fanden rund 50 Prozent mehr Interaktionen statt. Es war für das Unternehmen ein Leichtes, weitere Whiteboards aufzustellen.
In Konferenzräumen mit Whiteboards fanden rund 50 Prozent mehr Interaktionen statt.
Manchmal besteht die beste Lösung auch gar nicht in einer Änderung physischer Designs oder Bauelemente. Experimente bei Mori haben gezeigt, dass man mit Events, die bewusst auf Interaktionen zwischen bestimmten Mitarbeitern und Teams ausgerichtet sind, einen viel gezielteren Einfluss auf die Interaktionsmuster ausüben kann als durch Veränderungen an den Büroräumen. Das können interne Workshops, Hackathons oder sogar Grillabende sein, solange man die daraus entstehenden Interaktionen mit Sensoren misst, um zu zeigen, ob dadurch die gewünschten Muster entstehen.
Um das Onboarding neuer Mitarbeiter in ihrer ersten Arbeitswoche zu erleichtern, stellt ein mittelständisches Technologieunternehmen beispielsweise eine Dose Kekse auf ihren Schreibtisch und hängt in der Lobby einen Gebäudeplan mit den Standorten der Keksdosen auf. Die anderen Mitarbeiter sollen so zum Vorbeikommen animiert werden. Humanyze hat festgestellt, dass der Standort seiner Kaffeemaschinen die Mitarbeiterinteraktionen stark beeinflusst. Wenn ein Team sich auf seine interne Zusammenarbeit konzentrieren muss, platziert das Unternehmen eine Kaffeemaschine im Mittelpunkt von dessen Arbeitsbereich. Wenn zwei Teams zusammenarbeiten müssen, wird die Maschine zwischen ihnen aufgestellt.
Mit solchen "Softwaremethoden" zur Verbesserung der Zusammenarbeit kann man eine Menge bewirken, und sie kosten kaum etwas. Sie erfordern nur ein bisschen mehr Kooperation zwischen Gebäudeverantwortlichen, der Personalabteilung und den Nutzern der Räumlichkeiten. In Unternehmen, denen dies gelingt, ist häufig ein Manager – zum Beispiel der Personalchef oder Chief Administrative Officer – sowohl für die Personalabteilung als auch für die Gestaltung der Büroräume zuständig.
Die eine optimale physische oder digitale Arbeitsplatzarchitektur für alle wird es niemals geben. Das liegt daran, dass mehr Mitarbeiterinteraktionen nicht unbedingt besser sind, weniger aber auch nicht. Das Ziel sollte darin bestehen, die richtigen Menschen zur richtigen Zeit miteinander interagieren zu lassen.
Viele verbreitete Vorstellungen von Büroarchitektur und Zusammenarbeit sind veraltet oder falsch. Obwohl Großraumbüros zu persönlichen Kontakten anspornen sollen, bieten sie den Mitarbeitern gleichzeitig die Möglichkeit, für sich zu bleiben. Die "zufälligen Zusammentreffen" zwischen Kollegen, die durch offene Büros und frei nutzbare Flächen begünstigt werden, können kontraproduktiv sein. In vielen Fällen führt die durch eine Open-Office-Landschaft oder einen digitalen Kanal entstehende "Kopräsenz" nicht zu einer produktiven Zusammenarbeit. 
© HBP 2020
Die Autoren
Ethan Bernstein ist Associate Professor für Betriebswirtschaftslehre in der Abteilung für Organizational Behavior an der Harvard Business School. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Analyse des Verhaltens und der Zusammenarbeit von Mitarbeitern am Arbeitsplatz.
Ben Waber ist Gastwissenschaftler am MIT Media Lab und CEO von Humanyze, einem Hersteller von Software für die Mitarbeiteranalyse. Er ist Autor von "People Analytics: How Social Sensing Technology Will Transform Business and What It Tells Us About the New World of Work" (FT Press 2013).
Der vorliegende Artikel beruht auf dem Text "The Truth About Open Offices" von Bernstein und Waber in der November/Dezember-Ausgabe 2019 der Harvard Business Review.
Kompakt
**Der Kontext.**Viele Unternehmen setzen auf Großraumbüros, um die Zusammenarbeit ihrer Mitarbeiter zu fördern. Forscher haben mittels Wearables und Daten Bewegungsmuster und Interaktionen erfasst. Das Ergebnis: In Großraumbüros wird weniger kommuniziert als zum Beispiel in Firmen mit Einzelbüros. Zudem ist der Austausch wenig produktiv.
**Die Ursache.**Mitarbeiter entwickeln in Großraumbüros die Fähigkeit, andere auszublenden, um ungestört zu arbeiten. Der Standort einzelner Teammitglieder hat einen großen Einfluss. Je weiter Menschen voneinander entfernt sitzen, umso weniger kommunizieren sie miteinander.
**Die Lösung.**Es gibt keine Büroarchitektur, die für alle passt. Experimente helfen herauszufinden, in welcher Arbeitsumgebung welche Gruppen am besten zusammenarbeiten. Firmen sollten Interaktionen datengestützt auswerten und Hypothesen testen. Das Ziel sollte darin bestehen, die richtigen Menschen zur richtigen Zeit miteinander interagieren zu lassen.
Dieser Artikel erschien in der September-Ausgabe 2020 des Harvard Business managers.
