„Wir wünschen Gesundheit und Erfolg“: Sieben Sätze aus dem Arbeitszeugnis – und was sie wirklich bedeuten
Arbeitszeugnisse müssen wahr sein, dürfen aber nicht negativ klingen. Deshalb muten Formulierungen nett an, bedeuten aber nichts Gutes. Eine Übersetzungshilfe.
Düsseldorf. Arbeitszeugnisse müssen „wahr“ und „wohlwollend“ sein, so will es die Gewerbeordnung. Für Personaler ist das ein schwieriger Spagat: Wie soll ein Mitarbeiter wohlwollend bewertet werden, der nicht überzeugt hat?
Der Ausweg: Geheimcodes im Zeugnis. Die Floskeln mögen zwar positiv klingen – bedeuten in Wahrheit aber nichts Gutes.
„Arbeitnehmer haben einen rechtlichen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis, das im Regelfall mindestens der Note befriedigend entspricht“, sagt Arbeitsrechtler Sebastian Schröder. Umso wichtiger ist es für jene mit schlechteren Beurteilungen, diese auch zu erkennen.
Dieses Wissen ist gerade in der Krise wichtig, denn 2021 ist es so schwierig wie lange nicht, eine neue Stelle zu finden, weil in der Pandemie viel weniger Firmen ausschreiben. Für die wenigen Jobs ist auch das Arbeitszeugnis eine wichtige Grundlage, ob ein Bewerber eingestellt wird – oder eben nicht.
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Was bedeuten Formulierungen wie „stets bemüht“ oder „sein Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten war stets vorbildlich“ wirklich? Für das Handelsblatt hat Jurist Schröder sieben Geheimcodes dechiffriert.
Die Leistungsbeurteilung
Ein Arbeitszeugnis steht jedem Beschäftigten zu, der gekündigt hat oder gehen musste. Es enthält Details zum Werdegang des Mitarbeiters und eine Leistungsbeurteilung. Diese soll klarmachen, welches Fachwissen der Beschäftigte hat und welche Erfolge er vorweisen kann. Nur ist das nicht immer eindeutig:
Beispiel 1 – Was im Arbeitszeugnis steht: „Sie ist mit Fleiß, Ehrlichkeit und Pünktlichkeit an ihre Aufgaben herangegangen.“
Was dieser Satz wirklich heißt: „Ihr fehlte die fachliche Qualifikation.“
Was der Experte sagt: „Bei einem Arbeitszeugnis sollten Beschäftigte nicht nur darauf achten, wie ihre Leistung beurteilt wird, sondern auch welche“, sagt Jurist Schröder, Inhaber der Kanzlei Emplaw in Viersen. Stehen im Zeugnis viele Selbstverständlichkeiten und unwichtige Details, wird dadurch implizit deutlich, dass dem Beschäftigten das eigentliche Fachwissen fehlt.
Beispiel 2 – Was im Arbeitszeugnis steht: „Er erzielte nicht unerhebliche Verkaufserfolge.“
Was dieser Satz wirklich heißt: „Er hat keine wirklichen Erfolge erzielt.“
Was der Experte sagt: „Die doppelte Verneinung legt nahe, dass der Mitarbeiter tatsächlich keine Erfolge hatte“, so Schröder. Vorsicht sei auch bei passiven Formulierungen wie „Er wurde für folgende Tätigkeiten eingesetzt“ geboten. Diese können ebenfalls auf einen weniger engagierten Mitarbeiter hindeuten.
Die Verhaltensbeurteilung
Es kommt nicht nur auf die Leistung an, sondern auch auf den Umgang mit Kollegen und dem Chef. Auch hier gibt es versteckte Zeugniscodes:
Beispiel 3 – Was im Arbeitszeugnis steht: „Sein Verhalten gegenüber Kollegen, Kunden und Vorgesetzten war stets vorbildlich.“
Was dieser Satz wirklich heißt: „Er hatte Probleme mit seinen Vorgesetzten und hat seine eigenen Interessen rücksichtslos durchgesetzt.“
Was der Experte sagt: Klingt wertschätzend, doch in diesem Fall kommt es auf die Reihenfolge an. In Zeugnissen üblich ist die folgende Hierarchiefolge: Vorgesetzter, Mitarbeiter, Kunde, Geschäftspartner, erklärt Schröder. Weicht die notierte Reihenfolge davon ab oder werden gar nur die Kollegen genannt, kann das bedeuten, dass der Mitarbeiter ein Problem mit Autoritäten hat.
Beispiel 4 – Was im Arbeitszeugnis steht: „Durch ihre Geselligkeit trug sie zur Verbesserung des Betriebsklimas bei.“
Was dieser Satz wirklich heißt: „Sie neigte zu übertriebenem Alkoholgenuss.“
Was der Experte sagt: Es gebe nicht zu jeder Formulierung eine richterliche Bewertung, sagt Schröder. Doch ein solcher Satz deutet seinem Verständnis nach auf ein Alkoholproblem des Mitarbeiters hin.
Die Benotung
Nach den Leistungs- und Verhaltensbeurteilungen lässt sich in einer zusammenfassenden Formulierung auf eine Note schließen. Für diesen Abschnitt sind die Codes systematischer zu durchschauen:
Beispiel 5 – Was im Arbeitszeugnis steht: „Er hat unseren Erwartungen im Großen und Ganzen entsprochen.“
Was dieser Satz wirklich heißt: „Seine Leistungen waren mangelhaft.“
Was der Experte sagt: Die Note können Mitarbeiter in der Regel an den verwendeten Formulierungen erkennen, weiß Schröder. Die Wortwahl „im Großen und Ganzen“ heißt unter Personalern: Note Fünf.
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Das sind typische Formulierungen für alle Schulnoten:
Note 1 (sehr gut): „stets zur vollsten Zufriedenheit“
Note 2 (gut): „stets zur vollen Zufriedenheit“
Note 2 bis 3 (vollbefriedigend): „zur vollen Zufriedenheit“
Note 3 (befriedigend): „stets zur Zufriedenheit“
Note 4 (ausreichend): „zur Zufriedenheit“
Note 5 (mangelhaft): „im Großen und Ganzen“ oder „insgesamt“ oder „größtenteils“
Note 6 (ungenügend): „hat sich bemüht“ oder „hat zu unserer Zufriedenheit zu erledigen versucht“
Manche Arbeitgeber haben schon versucht, von diesem Schema abzuweichen – und zwar nach oben:
Beispiel 6 – Was im Arbeitszeugnis steht: „Wenn es eine bessere Note als sehr gut geben würde, würden wir ihn damit beurteilen.“
Was dieser Satz wirklich heißt: „Er war faul und hat nichts geleistet.“
Was der Experte sagt: Wer in einem Zeugnis solche Übertreibungen findet, darf davon ausgehen, dass sein früherer Arbeitgeber das genaue Gegenteil meint. Dagegen können sich Beschäftigte gerichtlich wehren, sagt Experte Schröder. „Spott und Ironie sind im Arbeitszeugnis nicht erlaubt.“
Im konkreten Fall hatte das Landesarbeitsgericht Hamm gesagt, der Ausdruck lege nahe, dass sich die Parteien nicht im Einvernehmen getrennt hätten. Urteil: Das Unternehmen musste die Formulierung ändern.
Die Schlussformel
Die Abschlussformel am Ende der Bewertung zeigt, wie das Arbeitsverhältnis beendet wurde. „Sie verlässt uns im gegenseitigen Einvernehmen“ deutet auf einen Aufhebungsvertrag hin. „Wir trennten uns am …“ legt eine fristlose Kündigung und womöglich Verfehlungen des Mitarbeiters nahe. Und „auf eigenen Wunsch“ heißt, dass der Mitarbeiter selbst gekündigt hat.
Der Beschäftigte hat keinen Anspruch auf die Schlussformel. Fehlt sie, werde es oft als negatives Zeichen gewertet, sagt Schröder. Doch selbst wenn sie aufgeführt ist, kann der Arbeitgeber seinem Ex-Mitarbeiter mit dem letzten Satz noch eins auswischen:
Beispiel 7 – Was im Arbeitszeugnis steht: „Für die Zukunft wünschen wir ihr Gesundheit und Erfolg.“
Was dieser Satz wirklich heißt: „Achtung, die Mitarbeiterin kränkelt und hatte hier keinerlei Erfolg.“
Was der Experte sagt: „Der Wunsch nach Gesundheit und Erfolg ist hier so auszulegen, dass der Arbeitnehmer beides im Unternehmen nicht hatte“, sagt Schröder. Die gegenteilige Aussage hätte der Satz, wenn der frühere Arbeitgeber „weiterhin“ Gesundheit und Erfolg wünscht. Nur ein Wort, doch der Unterschied ist immens.
Was sonst noch wichtig ist
Wer mit diesem Wissen den Eindruck hat, eine schlechte Bewertung bekommen zu haben, kann im ersten Schritt seinen Vorgesetzten darauf ansprechen. „Gerade in kleineren Betrieben ist denkbar, dass die Personaler die Formulierung unwissend gewählt haben“, sagt Schröder.
Bei zerrütteten Verhältnissen bleibt der Gang vors Arbeitsgericht. Wer besser als befriedigend bewertet werden will, muss dafür allerdings Beweise vorbringen – keine einfache Aufgabe. Andererseits müssen Unternehmen für ihre Aussagen im Arbeitszeugnis Anhaltspunkte vorbringen, wenn die Note schlechter als Drei ist.
In manchen Fällen, beobachtet Schröder, würden Unternehmen schon keinen gesteigerten Wert mehr auf die Arbeitszeugnisse legen, weil sie eben oft beschönigt seien. „Wenn ein Personaler eine ganz ehrliche Einschätzung haben will, kann er ja auch seinen Kollegen aus dem anderen Betrieb anrufen.“ Spätestens dann hilft auch die schönste Formulierung im Zeugnis nichts mehr.
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