Das sind die zehn teuersten Abfindungs-Irrtümer
Wie hoch ist meine Abfindung bei einer Kündigung? Arbeitsrechtsanwalt Christoph Abeln warnt: Diese zehn Irrtümer können Sie teuer zu stehen kommen.
**Düsseldorf.**Wie schnell große Zahlen doch manchmal klein werden können. Rund 600.000 Euro bot eine große deutsche Bank ihrem Bereichsvorstand, wenn er bei der anstehenden Restrukturierung geräuschlos seinen Posten räumen würde. Als der Manager dann den Aufhebungsvertrag durchblätterte, standen da plötzlich 200.000 Euro weniger.
Auf Nachfrage begründete der Personalchef die niedrigere Abfindung mit der „sofortigen Freistellung, die ja sicher auch in Ihrem Interesse ist“. „Ein mieser Trick“, nennt das der Berliner Arbeitsrechtsanwalt Christoph Abeln, der den Fall betreut hat. Aber: Es ist alles andere als ein Einzelfall.
Eigentlich sind Abfindungsverträge sinnvoll für Arbeitgeber und Beschäftigte, vermeiden sie doch Streit vor Gericht. Und doch entpuppt sich so manches Abfindungspaket bei näherer Betrachtung als Mogelpackung. Da werden Manager vertröstet, Kündigungsfristen übersehen oder Abfindungen mit anderen Ansprüchen vermengt, um das Gesamtpaket schön groß erscheinen zu lassen. Wer sich dann nicht auskennt, verschenkt unter Umständen viel Geld.
Doch worauf genau sollten Fach- und Führungskräfte achten? Die zehn größten Irrtümer in Sachen Abfindung, die Business Professionals teuer zu stehen kommen können:
Irrtum 1: Jeder hat Anspruch auf eine Abfindung, wenn er eine Kündigung erhält
Im deutschen Arbeitsrecht gibt es grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Abfindung. Es ist vielmehr eine reine Verhandlungssache zwischen dem Arbeitgeber und demjenigen Mitarbeiter, den der Chef loswerden möchte.
Wichtig zu wissen für jede Abfindungsverhandlung: Dadurch, dass der Arbeitgeber eine finanzielle Entschädigung anbietet, will er das Risiko reduzieren, dass sein Mitarbeiter gegen die Kündigung vor das Arbeitsgericht zieht – und möglicherweise recht bekommt. Es gilt: Je wackeliger die Kündigung, umso höher die Abfindungssumme, die sich herausschlagen lässt.
Es gibt aber vier Ausnahmen, in denen Mitarbeiter tatsächlich einen Anspruch auf eine Abfindung haben:
Es soll im Unternehmen zu einem größeren Personalabbau kommen und zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat wird dazu ein sogenannter „Sozialplan“ ausgehandelt, der eine Abfindungszahlung vorsieht. Der Sozialplan gilt für alle festangestellten Mitarbeiter, mit Ausnahme der leitenden Angestellten. Er dient als Basis für die schnellere Einigung in den Kündigungsgesprächen. Dazu benennt die Vereinbarung unter anderem einen Faktor, mit dem die Jahre der Betriebszugehörigkeit des einzelnen Mitarbeiters sowie sein Bruttomonatsgehalt multipliziert werden, um so die Höhe der Abfindungssumme zu ermitteln. In der Regel kann zwischen einem halben und einem Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr als Faustformel für die Berechnung der Abfindung zugrunde gelegt werden. Wer sich auskennt, kann aber eine deutlich höhere Summe erzielen.
Ein leitender Angestellter im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes soll das Unternehmen verlassen. Das geht nur, wenn der Arbeitgeber einen Auflösungsantrag bei Gericht stellt und dem Betroffenen eine Abfindung bezahlt. Da die kleine Gruppe der leitenden Angestellten nicht wie der Großteil der Mitarbeiter unter das Kündigungsschutzgesetz und somit unter Sozialplan-Vereinbarungen fällt, greift hier eine eigene Regelung.
Die Abfindungssumme für ihren Abgang ist allerdings gedeckelt. Und zwar auf zwölf Monatsgehälter, bei älteren Mitarbeitern sind es maximal 18.
Zu erkennen ist diese Angestelltengruppe daran, dass sie selbstständig Mitarbeiter einstellen und entlassen darf und sie eine erhebliche Handlungsvollmacht oder sogar Prokura hat. Alle anderen Manager in durchaus verantwortungsvollen Positionen sollten sich also nicht fälschlicherweise vom Arbeitgeber zu Leitenden erklären lassen, nur weil der an der Abfindung sparen will.
Der Anspruch auf eine Abfindung kann darüber hinaus noch bestehen, falls im Unternehmen von den leitenden Angestellten ein sogenannter „Sprecherausschuss“ gebildet worden ist und dieser eine „Dienstvereinbarung“ mit dem Arbeitgeber geschlossen hat. Diese kann Abfindungszahlungen für leitende Angestellte vorsehen.
Das ist am ehesten in Konzernen üblich. Sich im Kündigungsfall an den Sprecherausschuss zu wenden und sich nach einer Dienstvereinbarung zu erkundigen kann sich lohnen.
Schließlich kann der Arbeitgeber eine sogenannte „1a“-Kündigung laut Kündigungsschutzgesetz aussprechen: Zusammen mit der Kündigung bietet der Chef an, dem Arbeitnehmer eine Abfindung zu zahlen, wenn der Betroffene gegen die Kündigung nicht klagt.
Zieht der Mitarbeiter also nicht vor ein Arbeitsgericht, hat er nach drei Wochen automatisch Anspruch auf die ausgelobte Abfindung. Das Gesetz sieht allerdings vor, dass der Arbeitgeber nur ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr anbieten muss.
Das ist für die meisten Angestellten nicht attraktiv und lässt außerdem viele Fragen offen. Etwa, wie mit Boni, Altersversorgung, Dienstwagen und Aktienoptionen in Sachen Abfindung verfahren wird. Je nach Branche sind das wesentliche Gehaltsbestandteile, die in der Abfindungsberechnung eine Rolle spielen sollten. Dieser Weg ist daher speziell für Führungskräfte nicht zu empfehlen.
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Irrtum 2: Abfindungen, die sich aus dem Sozialplan ergeben, sind das Maximum
Falsch. Der Sozialplan definiert keine Höchstgrenze für eine Abfindung, sondern den Minimalanspruch eines Mitarbeiters. Unter Umständen ist wesentlich mehr drin. Das hängt zum einen davon ab, ob der Arbeitgeber vor der Kündigung eine korrekte Sozialauswahl unter miteinander vergleichbaren Mitarbeitern getroffen hat.
Dem Prinzip der Sozialauswahl liegt folgende Annahme zugrunde: Je älter ein Kollege und je länger er im Betrieb beschäftigt ist, umso schwerer ist er auf dem Arbeitsmarkt vermittelbar. Wer darüber hinaus noch unterhaltspflichtig ist, weil er etwa Kinder in der Ausbildung hat, den hält der Gesetzgeber ebenfalls als schützenswerter vor dem Jobverlust als einen jungen Single. Also empfiehlt es sich, eine Sozialauswahl unbedingt kritisch zu hinterfragen.
Zum anderen genießen aber auch bestimmte Personengruppen wie Schwerbehinderte, Schwangere oder Betriebsräte einen erhöhten Kündigungsschutz. Wird solchen Mitarbeitern gekündigt, steigt das Prozesskostenrisiko für den Arbeitgeber deutlich an. Um eine Klage mit Aussicht auf Erfolg zu vermeiden, wird der Chef auf ihre Forderung eingehen, die Abfindungssumme, die sich aus dem Sozialplan ergibt, zu erhöhen.
Irrtum 3: Wer in der Probezeit ist, hat keinen Anspruch auf eine Abfindung aus dem Sozialplan
Der Sozialplan gilt auch für Arbeitnehmer in der Probezeit – es sei denn, das ist ausdrücklich ausgeschlossen: Um sich vor Abfindungszahlungen zu drücken, schreiben einige Arbeitgeber in den Sozialplan, dass nur Mitarbeiter Anspruch auf eine Abfindung haben, wenn sie nicht verhaltensbedingt gekündigt wurden.
Ein Arbeitgeber, der nun schnell viele Arbeitsplätze abbauen möchte, kündigt dann denjenigen Arbeitnehmern, die noch in der Probezeit sind und sagt ihnen, die Kündigung erfolge aus verhaltensbedingten Gründen.
Da in der Probezeit noch kein Kündigungsschutz besteht, verzichten viele Betroffene auf eine Klage vor dem Arbeitsgericht und lassen sich so ihre Ansprüche aus dem Sozialplan entgehen. Dabei muss der Arbeitgeber in solch einem Fall die Kündigung genauso begründen, als würde Kündigungsschutz bestehen. Es lohnt sich also, auch bei Probezeitkündigungen genau hinzusehen.
Irrtum 4: Kündigungsfristen kann man außer Acht lassen
Ein Fehler wäre es, nur auf die Höhe des Abfindungsangebots zu schauen und dabei die Kündigungsfrist unberücksichtigt zu lassen – für die ja jeden Monat, den das Arbeitsverhältnis andauert, noch ein vertraglicher Gehaltsanspruch besteht. Die Kündigungsfrist ist im Abfindungspoker also Extra-Geld wert.
Der Rat des Juristen lautet daher speziell bei Abfindungspaketen: „Nicht von vermeintlich hohen Beträgen blenden lassen, sondern sorgfältig prüfen, ob der Arbeitgeber die für Sie geltende Kündigungsfrist bei der Gesamtberechnung aus Gehalts- und Abfindungsansprüchen beachtet hat.“
Sie ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag oder dem Gesetz, manchmal aber auch aus dem Tarifvertrag einer Branche. Um finanziell das Optimum herauszuholen, lohnt es sich, anhand dieser Quellen genau zu prüfen, ob sich nicht eine mögliche Verlängerung der Kündigungsfrist ergibt.
Irrtum 5: Aktienoptionen, Boni und Altersvorsorge spielen für die Abfindungshöhe keine Rolle
Manche Arbeitgeber locken ihre Angestellten mit einem scheinbar großzügigen Abfindungsfaktor – zum Beispiel ein Monatsgehalt je Beschäftigungsjahr, ganz ohne Verhandeln. Sieht der Abfindungsbetrag trotzdem merkwürdig gering aus? Das kann daran liegen, dass der Arbeitgeber nur das Basisgehalt als Berechnungsgrundlage herangezogen hat.
Bonuszahlungen, Aktienoptionen, Dienstwagenpauschale und Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung werden alle nicht berücksichtigt. Dabei sind diese – je nach Branche – wesentliche Gehaltsbestandteile, die das Grundgehalt mehr als verdoppeln können.
Arbeitgeber versuchen mit Sätzen wie „Das machen wir immer so“ oder „Langfristboni zählen bei uns nicht zum Gehalt“, die spärliche Abfindung zu rechtfertigen. Deshalb unbedingt genau auf die Berechnungsgrundlage der Abfindung schauen und nicht vom scheinbar ordentlichen Abfindungsfaktor blenden lassen. Gerade wenn es um die Zahlung teurer Langfrist-Boni geht, wollen sich einige Arbeitgeber drücken.
Jurist Abeln schildert etwa den Fall einer Managerin bei der deutschen Tochterfirma eines US-Konzerns. Kurz bevor das Bezugsrecht auf Unternehmensaktien im Wert von rund 100.000 Euro griff, wurde der Führungskraft gekündigt und eine Mini-Abfindung angeboten. „In den meisten Fällen ist so eine Kündigung unwirksam“, sagt Abeln, „sodass sich Betroffene nicht auf einen schlechten Deal einlassen müssen.“
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Irrtum 6: Ein Abfindungsangebot lässt sich nicht nachverhandeln
So mancher Arbeitgeber erweckt den Eindruck, ein Abfindungsangebot sei sein letztes Wort. „Lassen Sie sich davon nicht verunsichern oder unter Druck setzen“, sagt Arbeitsrechtler Abeln. Verhandlungen sind üblich. Aus gutem Grund.
Denn erst wenn die schriftliche Begründung einer Kündigung vorliegt, der Betroffene weiß, ob die Sozialauswahl korrekt war oder ob ihm nicht noch offene Stellen im Unternehmen hätten angeboten werden müssen, kann er den Erfolg einer eventuellen Kündigungsschutzklage einschätzen und in den Abfindungspoker einsteigen.
Kommt es zu keiner gütlichen Einigung über eine angemessene finanzielle Entschädigung und klagt der Mitarbeiter, können höhere Abfindungsansprüche auch aus einem vom Richter vorgeschlagenen Vergleich entstehen.
Irrtum 7: Es ist verboten, über die Höhe der Abfindung zu sprechen
Unternehmen versuchen insbesondere Führungskräfte und die leitenden Angestellten über die von einzelnen Managern ausgehandelten Abfindungen im Dunklen zu lassen. Wer besonders clever verhandelt hat, soll nicht zum Vorbild werden.
Dagegen hilft eine gute Kommunikation der Führungskräfte untereinander. Das ist erlaubt – es sei denn, der Arbeitgeber hat den einzelnen Manager eine Vereinbarung zum Stillschweigen über die Abfindungszahlung unterschreiben lassen.
Irrtum 8: Im Vorstandsanstellungsvertrag ist die Abfindungshöhe gedeckelt – mehr geht nicht
Für die sogenannten „Organe“ eines Unternehmens – womit in der Regel Vorstände gemeint sind – finden sich in ihrem Anstellungsvertrag oft schon Regelungen zur Bemessung einer etwaigen Abfindung, sollte das ohnehin zeitlich befristete Beschäftigungsverhältnis vorzeitig enden.
So ist in Vorstandsanstellungsverträgen die Abfindungshöhe häufig auf maximal zwei Jahresvergütungen beschränkt. Dabei verweist der Arbeitgeber auf den Corporate Governance Kodex. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es im Trennungsfall nicht interessante Optimierungsmöglichkeiten gibt. Ein finanzieller Vorteil ergibt sich schon bei der Frage, ab wann das Organ freigestellt wird. Ausgeglichen werden sollten aber auch Verluste bei der Altersversorgung wegen des vorzeitigen Ausstiegs.
Optimierungsmöglichkeiten ergeben sich darüber hinaus bei der Fixierung des persönlichen Leistungsanteils einer Bonusvereinbarung, bei dem Recht der vorzeitigen Beendigung mit Cash-out-Option – falls das Organ eine neue Anstellung findet.
Weitere geldwerte Punkte, die sich verhandeln lassen, sind die Übernahme von Rechtsberatungs- und Steuerberatungskosten oder die Erstattung von Kosten für eine Outplacement-Beratung, die den Manager bei seiner beruflichen Neuorientierung unterstützt.
Irrtum 9: Als Risikoträger bekommt man eine besonders hohe Abfindung
Ganz im Gegenteil. Ein neues Gesetz nutzen Arbeitgeber der Bankbranche offenbar reihenweise, um den Kündigungsschutz für die Berufsgruppe der Topbanker aufzuweichen. Auch beim Thema Abfindung möchten sie möglichst billig davonkommen: Wer mehr als 255.600 Euro Festeinkommen in Westdeutschland, beziehungsweise 241.200 Euro in Ostdeutschland pro Jahr verdient, wird im Kündigungsfall vom Chef kurzerhand zum „Risikoträger“ erklärt.
Was erst mal schmeichelhaft klingt, hat einen Haken: Der Abfindungsanspruch ist auf maximal 200.000 Euro begrenzt. Die neue Institutsverordnung hebelt die üblichen Sozialkriterien wie Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten bei einer Kündigung, die im Finanzsektor genauso wie im Rest der Wirtschaft gelten, komplett aus.
Auch ein Kündigungsgrund muss einem „Risikoträger“ nicht mehr genannt werden. Diese noch relativ junge Vorschrift ist höchst umstritten. Rat von Jurist Abeln: „Bankangestellte sollten sich nicht mit der gedeckelten Abfindungssumme abspeisen lassen, sondern den Status als Risikoträger gerichtlich überprüfen lassen. Denn meist ist mehr rauszuholen.“
Irrtum 10: Eine Abfindung ist automatisch vererbbar
Wichtig ist es, bei Abfindungsregelungen eine sogenannte Vererblichkeitsklausel in die Aufhebungsvereinbarung und/oder den Vergleich aufnehmen zu lassen. Fehlt eine solche und verstirbt der Manager etwa bei einem Unfall, besteht für die Erben ohne eine solche Klausel kein Zahlungsanspruch.
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