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Früher raus aus dem Job: Drei hilfreiche Strategien, um Privatier zu werden

Frankfurt. Mit der richtigen Strategie haben viele Menschen die Möglichkeit, vorzeitig aus dem Berufsleben auszuscheiden. Wer über Jahrzehnte diszipliniert anlegt, kann im Alter zwischen 50 und 60 zum Privatier werden.

Eine andere Möglichkeit ist, mit Einmalzahlung, Ersparnissen und Mieteinnahmen die Zeit bis zum gesetzlichen Rentenbeginn zu nutzen. Legt man eine hohe Summe auf einen Schlag an, kann man davon auch auskömmlich leben – wenn man es richtig macht.

Das Handelsblatt stellt drei Wege vor, die einem zum vorzeitigen Rückzug aus dem Arbeitsleben verhelfen können.

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Der Normalverdiener: Per ETF-Sparplan früher raus

Ein Privatiers-Vermögen anzusparen ist mühsam, da sind sich Vermögensverwalter einig. Mit monatlichen Sparraten von 300 bis 400 Euro in den breiten Aktienmarkt gehöre jemand zwar zu den Privilegierten, weil er überhaupt sparen könne, sagt Tom Friess, Chef des VZ Vermögenszentrums in Deutschland. Doch Privatier werde man so schwerlich, meint er.

Heute 30-Jährige seien zudem strategisch im Nachteil, ergänzt Udo Kröger, Vorstand der Frankfurter Bankgesellschaft in Deutschland, einer Tochter der Helaba. Denn eine gute Grundlage für Eigentum sei seit jeher Wohneigentum, da der Besitzer dann irgendwann leben könne, ohne Miete zahlen zu müssen.

Doch dieses sei zuletzt durch die international explodierten Immobilienpreise deutlich teurer geworden. Auch der Tiefzins am Kapitalmarkt helfe nicht, da der Preisanstieg dies überkompensiere. „Die Parameter haben sich verschoben“, sagt der Berater.

Und doch ist es möglich, durch diszipliniertes Sparen so viel Vermögen aufzubauen, dass ein früherer Ausstieg aus dem Beruf zu schaffen ist.

Das Geld fließt dabei am besten in weltweite Aktien, etwa über einen der preiswerten ETF auf einen globalen Aktienindex wie den MSCI All Country World. Auf kürzere Sicht von einigen Jahren muss der Anleger dabei aber Kursschwankungen in Kauf nehmen. Aber das Risiko von Verlusten mit Aktien liegt nach etwa elf Jahren nahe null, wie ein Blick auf den deutschen Aktienindex (Dax) über rollierende Zeiträume der vergangenen fünfzig Jahre zeigt.

Wer nun im Alter von 30 Jahren konkret plant, beispielsweise mit 60 Jahren nicht mehr arbeiten zu müssen, kann einen groben Sparplan aufstellen, wie Schießer vorrechnet. Vom angenommenen Einkommen eines Angestellten von 75.000 Euro brutto im Jahr sollte er dann pro Monat 1500 Euro in Aktien-ETFs sparen. Bei einer Rendite von sieben Prozent im Jahr, von der noch Abgeltungsteuer und Soli abgezogen werden, könnte er demnach innerhalb von 30 Jahren ein Vermögen von 1,262 Millionen Euro aufbauen.

Daraus und aus der gesetzlichen Rente ab dem Alter von 67 Jahren von 1500 Euro brutto ließe sich ein regelmäßiges monatliches Einkommen von kaufkraftbereinigt knapp 2400 Euro erzielen. Das Vermögen würde bis zum Alter von 98 Jahren aufgezehrt.

Angenommen wird dabei eine Inflationsrate von zwei Prozent im Jahr, entsprechend der sich die monatliche Auszahlung erhöht. Zudem kalkuliert Honorarberater Schießer eine Verzinsung des Vermögens während der Auszahlphase von zwei Prozent nach Kosten, Steuern und Inflation. Denn das Vermögen wird während dieser Phase zwar ebenfalls angelegt, aber mit weniger Risiko als in der Ansparphase, um die regelmäßigen Auszahlungen nicht zum Beispiel durch einen Kursrutsch zu gefährden.

Die Rechnung zeigt: Auch mit einem guten Einkommen und recht hoher kontinuierlicher Sparrate hat dieser Privatier kein üppiges finanzielles Auskommen. Und würde dieser 30-Jährige bereits im Alter von 50 Jahren aus dem Beruf aussteigen, wäre sein Vermögen unter den hier angenommenen Bedingungen im Alter von 77 Jahren aufgebraucht. Ihm bliebe anschließend allein die gesetzliche Rente. Jeder sollte also kühl durchrechnen, unter welchen Bedingungen ein solches Vorhaben möglich zu sein scheint, meint Stefan Schießer, Chef der Frankfurter Honorarberatung.

Ob jemand es schafft, sich in die berufliche Freiheit zu sparen, hängt vor allem von seinem Bedarf und seinem Durchhaltevermögen ab.

Ohnehin führt die erste Zeit im Beruf in der Regel nicht sofort zum Gedanken, möglichst schnell nicht mehr arbeiten zu müssen. Wer mit Begeisterung etwas mache und gutes Geld verdiene, sollte sein Geld zunächst ausgeben – sich Lebensqualität schaffen, das Leben auskosten, meint Friess vom VZ. Nach zwei bis drei Jahren könne er dann übers Sparen nachdenken.

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In einem ersten Schritt zur Vorsorge sollte dann der kurzfristige Bedarf an Liquidität gesichert werden, um für unvorhergesehene Ausgaben gewappnet zu sein. Hier empfehlen die Anlageexperten mindestens das dreifache Nettogehalt als eiserne Reserve, für Selbstständige deutlich mehr. Zudem muss eine womöglich wegfallende Arbeitskraft abgesichert werden über eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherung.

Erst danach geht es um den Aufbau von Vermögen. Viele Berater empfehlen, ein Zehntel des Brutto-Einkommens und die Hälfte des Bonus zu sparen. Doch aus dem Rechenbeispiel wird deutlich: Für einen vorgezogenen Abschied vom Arbeitsleben muss es deutlich mehr sein.

Der Manager: Überbrücken mit der Abfindung

Wenn ein Leitender Angestellter, Geschäftsführer oder Vorstand mit Mitte 50 seinen Job verliert, kann es gut passieren, dass es ihm schwerfällt, erneut eine adäquate Position zu finden. Bevor man allzu schmerzhafte berufliche Kompromisse eingeht, kommt da womöglich die Idee auf: „Kann ich nicht mit der Abfindung, die mir gezahlt wurde, die Zeit bis zur Rente überbrücken?“

Ein Beispielfall macht klar: Wer mit einer Abfindung von 240.000 Euro eine Lücke von zehn Jahren stopfen will, muss mit weniger als 2000 Euro im Monat auskommen – denn die Abfindung muss versteuert werden. Das ist in der Regel nicht das, was sich ein ehemaliger Manager unter finanzieller Freiheit vorstellt. Wer jedoch auch zuvor schon etwas Vermögen aufgebaut hat, dem kann der Plan gelingen.

Wichtig sei, das ganze Thema rundum anzuschauen, mahnt Tom Friess, Deutschlandchef des VZ Vermögenszentrums: Was ist mit einem bestimmten Einkommen und Vermögen an Lebensstandard möglich, was bedeutet es für mich, meine Berufstätigkeit zu reduzieren oder ganz aufzugeben? Wie groß könnte eine Versorgungslücke sein? Es gibt durchaus Menschen, die zu viel ausgeben“, ist Friess‘ Erfahrung – allerdings seien die meisten eher zu vorsichtig. Mit einer Strategie, die versucht, von einem Vermögen möglichst kapitalschonend zu leben, könnten angehende Privatiers versuchen, die Zeit bis zum Beginn der gesetzlichen Rente zu überbrücken.

Das VZ arbeitet mit einer Etappenstrategie, die in Zehnjahresphasen unterteilt ist. Für die erste Dekade werden die gewünschten Auszahlungen aus einem sogenannten Verbrauchsteil des Vermögens festgelegt. Friess‘ Erfahrung: Dieser Teil des Vermögens macht meist etwa ein Drittel bis die Hälfte des Vermögens aus. Das Geld wird während der Auszahlphase möglichst risikoarm angelegt, soll aber rund zwei Prozent Rendite nach Steuern, Kosten und Inflation pro Jahr erzielen.

Der Rest wandert in einen Wachstumstopf, der in globale Aktienfonds investiert wird. Dessen Erträge füllen das verbrauchte Kapital im Idealfall binnen einer Dekade wieder auf. Hier setzt Friess eine jährliche Rendite von vier bis sechs Prozent nach Kosten an – mit dem Potenzial für mehr.

Im Beispielfall möchte ein 55-jähriger Angestellter mit seiner Abfindung von 240.000 Euro, seinen Ersparnissen und zwei vermieteten Eigentumswohnungen die verbleibenden zwölf Jahre bis zum Beginn seines Ruhestands mit gesetzlicher Rente überbrücken. Eigentlich hätte er gern dauerhaft 5000 Euro monatliche Einnahmen. Doch Honorarberater Stefan Schießer, Chef der Frankfurter Honorarberatung, winkt ab. Bei einer vorsichtigen Kalkulation sei das nicht zu erreichen, meint er: Bereits im Alter von 73 Jahren wäre sein Vermögen aufgebraucht.

Der Vermögensexperte kalkuliert für das liquide Vermögen des Angestellten eine Summe von 650.000 Euro, die aus einem Depot und der Abfindung nach Abzug von Steuern besteht (siehe Grafik). Er setzt eine Anlagerendite von fünf Prozent im Jahr abzüglich Steuern an. Bei einer Inflation von zwei Prozent im Jahr stellt Schießer ihm kaufkraftbereinigt knapp 3500 Euro netto im Monat in Aussicht.

In den nächsten zwölf Jahren wird das Einkommen dem Vermögen plus Erträgen entnommen, außerdem fließen Mieteinnahmen für die beiden Wohnungen von 1600 Euro nach Steuern hinein. Ab dem Jahr 2034 wird das Vermögen etwas mehr geschont, da dann die gesetzliche Rente von 1800 Euro im Monat dazukommt, die aber noch versteuert werden muss. Bis zum Alter von 97 Jahren, was der statistischen Lebenserwartung der gleichaltrigen Ehefrau entspricht, reicht das Vermögen laut Plan. Der Übersicht halber ist diese Rechnung ohne ein eventuelles Einkommen der Ehefrau überschlagen worden.

Das Paar könnte auch in eine eigene Wohnung einziehen oder eine der Wohnungen verkaufen, teilverkaufen oder verrenten, schlägt Berater Friess vor. Das würde die Struktur der Einnahmen und Ausgaben möglicherweise verbessern.

Doch hier zögern viele deutsche Wohnungsbesitzer: „Immobilienvermögen soll oft nicht angetastet werden“, stellt er fest. Nicht untypisch seien etwa Paare, die außer dem Eigenheim noch zwei weitere abbezahlte Immobilien, beispielsweise an Ferienorten, besitzen, erzählt der Berater – aber mit 30.000 Euro im Jahr auskommen. Teilverkauf oder Verrentung könnte in solchen Situationen mehr finanziellen Spielraum geben.

Die Unternehmerin: Per Verkauf zur Unabhängigkeit

Zwar bleibt ein Unternehmer typischerweise „immer ein Unternehmer“, wie Udo Kröger, Chef der Frankfurter Bankgesellschaft in Deutschland, der Vermögensverwaltungstochter der Helaba im Dienst der Sparkassen, weiß. Doch viele Firmenlenker wollen irgendwann nicht mehr ausschließlich für ihre Firma leben. Sie wollen sich dank der finanziellen Unabhängigkeit durch ihr Vermögen freier in ihrem Tun und Schaffen fühlen.

Im Beispielfall hat eine 60 Jahre alte Unternehmerin ihre Firma für 1,5 Millionen Euro verkauft. Sie und ihr nicht berufstätiger, gleichaltriger Mann wohnen in einer Eigentumswohnung. Sie möchten nun sicher leben und ihren erwachsenen Kindern möglichst noch etwas vererben.

Diesen Wunsch können sich die Privatiers auch bei einer vorsichtigen Planung erfüllen, wie Stefan Schießer, Chef der Frankfurter Honorarberatung kalkuliert. Dafür spreche zweierlei: das ansehnliche Vermögen und das relativ lange Arbeitsleben der Unternehmerin. Das Beispiel lässt sich prinzipiell auch anwenden, wenn das Vermögen nicht aus einem Unternehmensverkauf stammt, sondern aus einer plötzlichen Erbschaft oder einem Lottogewinn.

Nach den aktuellen Annahmen der Sterbetafeln der Versicherungsaktuare beträgt die Lebenserwartung des Mannes 92 Jahre, das der Frau 96 Jahre. Der Honorarberater setzt für die beiden ein Netto-Einkommen von 4000 Euro im Monat an, das um zwei Prozent pro Jahr steigt, um eine angenommene Inflationsrate auszugleichen. Bei einer realen laufenden Rendite des angelegten, jeweils nicht gebrauchten Vermögens von zwei Prozent nach Steuern und Kosten sind im Jahr 2053 noch 119.500 Euro übrig. Bei einem früheren oder späteren Tod fällt das Erbe entsprechend größer oder kleiner aus.

Finanziell fällt der Schritt aus dem Unternehmer- ins Privatierdasein also relativ leicht. Umso sorgfältiger müssen aber Aspekte der weiteren Lebensplanung mitbedacht werden – und zwar nicht nur der eigenen, sondern der gesamten Familie.

Möchte aber ein Unternehmer sein Lebenswerk an seine Kinder weitergeben, damit es weiter existiere und floriere, muss zunächst alle Energie in das Gelingen der Übergabe gesteckt werden. Sind mehrere Kinder da, müssen diese sich einigen: Wer steigt in das Unternehmen ein, wie werden die anderen abgefunden?

„Der Unternehmer steht dann vor zwei großen Herausforderungen“, erklärt Tom Friess, Chef des VZ Vermögenszentrums in Deutschland. Erstens: Wie kann das Unternehmen ohne Streit der Kinder weitergeführt werden? Zweitens: Wie soll das Vermögen, das in der Firma, Immobilien und Beteiligungen steckt, so strukturiert werden, dass es gerecht verteilt wird und auch der Vater davon leben kann?

Bei Letzterem gehe es um die richtige Bewertung der Vermögensgegenstände, die steuerliche Situation und auch um Liquidität, betont der Berater.

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Um anschließend – auch nach einem Verkauf wie im Beispielfall – ein Vermögen gut zu strukturieren, gilt es ebenfalls, einiges zu bedenken. Will ein Unternehmer etwa noch als Berater in seiner früheren Firma wirken und vielleicht dort noch etwas investieren, muss dieses Kapital zum gewünschten Zeitpunkt abrufbar sein.

Ähnlich ist es, wenn ein Unternehmer – was in Deutschland immer beliebter wird – einen Teil seines Vermögens einem gesellschaftlichen Zweck widmen und in eine Stiftung einbringen möchte.

In all diesen Fällen ist das Vermögen in verschiedene Töpfe aufzuteilen, um Investitionen, den laufenden Bedarf des Unternehmers und seiner Familie und das vorerst nicht benötigte Kapital voneinander zu trennen. Dies wird dann je nach Anlagehorizont unterschiedlich liquide und mit höheren beziehungsweise niedrigeren Renditechancen angelegt. So arbeitet das Kapital auch während der Auszahlungsphase, zugleich sind die gewünschten Einnahmen daraus gesichert.

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