Holzgewinnung in Finnland - (Foto: The Image Bank Unreleased/Getty Images)
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Halbleiter und Holz: Welche Sektoren nach dem „Value“-Trend für Anleger interessant werden

Pimco-Strategin Geraldine Sundstrom gibt eine Perspektive über den heutigen Aktienzyklus hinaus. Dabei hat sie besonders Unternehmen aus Europa im Blick.

Frankfurt. Lange Zeit waren „Growth“ und „Tech“ die wichtigsten Schlagwörter an den Kapitalmärkten: Die niedrigen Notenbankzinsen trieben die Kurse von Aktien hoch, die vor allem von der Hoffnung auf Wachstum und künftige Erträge getragen werden.

Dann setzte mit der starken wirtschaftlichen Erholung nach dem Einbruch durch die Coronapandemie und spätestens mit der geldpolitischen Wende ab Dezember eine Gegenbewegung ein: Wachstum trat mit Blick auf steigende Renditen in den Hintergrund.

Das neue Schlagwort heißt „Value“: Gesucht werden Aktien mit attraktiver Bewertung. Gefragt sind zum Teil auch zyklische Werte, also solche, die besonders von der Erholung profitieren.

Nun stellt sich die Frage: Worauf setzen Anleger danach? „Auf nachhaltiges Wachstum“, sagt Geraldine Sundstrom. Die Pimco-Fondsmanagerin, deren Schwerpunkt die Asset-Allocation ist – die Aufteilung des Vermögens auf verschiedene Anlageklassen –, führt dabei die Sektoren Halbleiter, Forstwirtschaft und Verpackungen an. „Europa hat faszinierende Unternehmen in den meisten dieser Branchen“, sagt sie.

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Ähnlich äußert sich Brice Prunas, Portfoliomanager bei Oddo BHF Artificial Intelligence. Er glaubt, „dass innovative und wachstumsstarke Unternehmen über kurz oder lang wieder in den Vordergrund des Interesses rücken“.

Stetiges Wachstum gesucht

Fondsmanager nennen aus Compliance-Gründen keine konkreten Aktien. Hier hilft ein Blick auf die Empfehlungen der Banken. Goldman Sachs sieht als „Käufe“ in Europas Tech-Bereich ASML, Infineon, Ericsson, Nokia und Stillfront auf der Liste.

Der niederländische Halbleiterhersteller ASML hat eine starke Position im Maschinenbau. Der Chipriese Infineon beliefert Autokonzerne, die Telekom-Schwergewichte Ericsson und Nokia sind wichtig für mobile Netze, und Stillfront ist eine schwedische Gamingfirma. Wer in den Bereich der Chipproduktion investieren möchte, kann dies mit einem börsengehandelten Fonds tun, beispielsweise mit dem Lyxor MSCI Semiconductors UCITS ETF (ISIN LU1900066033).

Für den Verpackungsbereich finden sich einige Kaufempfehlungen von Goldman Sachs aus den USA: Ball Corporation, Berry Global Group, Sealed Air Corporation und Graphic Packaging Holding. Letztere setzen schwerpunktmäßig auf Produkte aus Papier und Karton. Berry ist dagegen auf Plastik spezialisiert, verspricht aber, bis 2025 zu 100 Prozent recyclefähiges Material zu verwenden. Der Anteil der Nutzung von recyceltem Material soll aber nur auf zehn Prozent steigen.

Im Bereich Holzwirtschaft ist ein Blick auf die Top Ten des breit gestreuten Dynamic Multi-Asset Fund von Pimco (ISIN: IE00BZ6SF303) interessant, den unter anderem Sundstrom verantwortet. Dort finden sich als europäische Beispiele die skandinavischen Konzerne UPM Kymmene und Stora Enso.

Für Investments in den Forstbereich eignet sich beispielsweise der iShares Global Timber & Forestry UCITS ETF (ISIN IE00B27YCF74), der schwerpunktmäßig amerikanische Holzunternehmen wie West Fraser Timber und Weyerhaeuser Reit abbildet. Aus Skandinavien ist Svenska Cellulosa enthalten.

Warum aber gerade jetzt der Schwenk von „Value“ zu anderen Bereichen? Sundstrom warnt im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Die konjunktursensiblen, aktuell beliebten Value-Aktien könnten bald eine Disruption erleben und von den Sparten Nachhaltigkeit und Digitalisierung abgelöst werden.“ Hintergrund ist das sich verlangsamende konjunkturelle Wachstum.

Sundstrom hält daher Ausschau nach Unternehmen, die auch in dieser wirtschaftlichen Situation weiter zulegen. Und dazu gehören für sie besonders Firmen aus Sparten, die vom Trend zu mehr Nachhaltigkeit und Digitalisierung profitieren.

„Wachstum ist aktuell nur in einem Teil des Tech-Marktes zu finden“, schränkt sie jedoch ein. Halbleiterproduzenten etwa verfügten über hohe Eintrittsbarrieren und Preissetzungsmacht. Und gerade in dem Bereich seien auch europäische Anbieter stark.

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Spannend findet Sundstrom auch den Zusammenhang von Holzindustrie und Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen. Hier seien Biomasse-Anbieter, Baustofffirmen und Unternehmen in der integrierten Holzwirtschaft interessant. Dabei hat sie besonders die Firmen aus Skandinavien und Kanada im Blick.

Firmen aus dem Themenbereich Entkarbonisierung, beispielsweise Anbieter neuer Antriebstechniken fernab von Verbrennungsmotoren oder erneuerbarer Energien, findet sie vor allem in Europa. Auch in der Robotik und Automation seien europäische Unternehmen neben japanischen und US-Firmen gut vertreten.

In der Rohstoffbranche hebt sie Rohmaterialien hervor, die von der grünen und der digitalen Transformation profitieren, wie etwa Produzenten von Kupfer oder anderen Grundstoffen, die in der Halbleiter- wie auch Solarindustrie gebraucht werden. Attraktiv bewertete Firmen in diesem Sektor gibt es vor allem in Asien.

Produktion bei Infineon - (Foto: Bloomberg)
Produktion bei Infineon - (Foto: Bloomberg)

Oddo-Experte Prunas führt gegenüber dem Handelsblatt die Perspektiven des Softwaresektors in den USA aus. Dieser habe jüngst einen der schärfsten und längsten Rücksetzer seiner Geschichte erlebt mit Abstürzen um bis zu 40 Prozent, weise aber weiterhin starkes und stabiles Wachstum auf. Die Branche sei, von wenigen Ausnahmen abgesehen, durch Corona auch nicht gebremst worden.

Der US-Halbleitersektor sei ebenfalls eingebrochen, gleichzeitig gebe es immer mehr Anzeichen für eine langfristige Knappheit. Die Nachfrage in einigen Marktsegmenten wie Leistungshalbleitern und analogen Halbleitern werde das Angebot wahrscheinlich noch mindestens zwölf Monate lang übersteigen.

Auch der Biotechnologiesektor in den USA habe zuletzt einen der stärksten Rückschläge in der Geschichte erlebt. Das lag unter anderem an wenig überzeugenden Forschungsergebnissen und an einer geringeren Zahl von Fusionen und Übernahmen. Die Bewertungen seien aber wieder interessant – mittelfristig rechnet Prunas mit „mehr kommerziell verwertbaren Medikamenten für weitverbreitete Krankheiten“.

Als vierten Bereich führt Prunas den chinesischen Internetsektor an: Er sei attraktiv bewertet, die Regulierungswelle flache ab, und in China zeige sich, anders als in den meisten Weltregionen, eine geldpolitische Lockerung.

Kaum Alternativen zu Aktien

Außerhalb des Aktienmarkts bleiben die Experten zurückhaltend. „Wir sind grundsätzlich vorsichtig, was Anleihen angeht“, sagt Fondsmanagerin Sundstrom. Gegen Zinspapiere sprechen vor allem die anziehenden Kapitalmarktzinsen, die von der Wende zu einer strammeren Geldpolitik hochgetrieben werden.

Gleichwohl: In einigen Segmenten hält Sundstrom Bonds, deren Kurse im Gegenzug zu steigenden Renditen gefallen sind, für attraktiv. US-Staatsanleihen sind ihrer Ansicht nach wieder kaufenswert, weil im aktuellen Kursniveau bereits mehrere Zinserhöhungen eingepreist seien. Attraktiv findet sie auch Zinspapiere aus Lateinamerika und Osteuropa in lokalen Währungen.

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