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Wasserstoff - (Foto: imago images/Joerg Boethling)
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Plug-Power-Chef: „Grüner Wasserstoff kann schon jetzt wettbewerbsfähig sein“

Der Ukrainekrieg treibt die Nachfrage nach alternativen Energien. Der US-Konzern Plug Power sieht grünen Wasserstoff vor dem Durchbruch und nimmt Europa in den Fokus.

Düsseldorf. Der Wasserstoffspezialist Plug Power sieht den Markt für grünen Wasserstoff an einem Wendepunkt. Vorstandschef Andrew Marsh sagt im Interview mit dem Handelsblatt: „In den USA kann grüner Wasserstoff teilweise schon jetzt wettbewerbsfähig sein.“ Das sei auch in Europa möglich.

Der US-Konzern ist eines der größten Wasserstoffunternehmen der Welt. Bislang konzentrierte sich Plug Power aber vor allem auf die Herstellung von Brennstoffzellen, insbesondere für Gabelstapler. Zu seinen Kunden zählen unter anderem die Handelsriesen Walmart und Amazon. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen einen Umsatz von 502 Millionen US-Dollar – mit dem Ausblick auf eine rasant steigende Nachfrage will Marsh den Konzern jetzt komplett umbauen.

Von der Produktion von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen über die Herstellung von grünem Wasserstoff bis zum Handel soll Plug Power zukünftig die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. Für 2025 rechnet Marsh mit einem Umsatz von drei Milliarden Dollar pro Jahr.

Europa ist für das Unternehmen mit Sitz in Latham im Bundesstaat New York von zentraler Bedeutung. „Europa wird einer der größten Märkte der Welt“, ist Marsh überzeugt. Gerade erst hat der Brennstoffzellenspezialist ein Service- und Logistikzentrum in Duisburg eröffnet. Bis Ende 2025 sollen dort jährlich 500 Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden. Mit dem europäischen H2Energy-Konsortium hat Plug Power erst am Dienstag einen Vertrag über die Lieferung eines Elektrolyseurs mit einer Leistung von einem Gigawatt abgeschlossen. Partner von H2Energy ist unter anderem der koreanische Autokonzern Hyundai.

Deutschland mache bereits vieles richtig, lobt Marsh mit Blick auf die Pläne der Bundesregierung. Aber der Fokus auf batteriebetriebene Autos ist in seinen Augen ein Fehler.

Obwohl der Umsatz von Plug Power seit Jahren immer weiter steigt, hat das Unternehmen es seit seiner Gründung im Jahr 1997 noch nicht geschafft, schwarze Zahlen zu schreiben. Der Aktienkurs ist innerhalb eines Jahres um mehr als 30 Prozent gefallen. „Wir sind in der einzigartigen Position, nicht von unserem Aktienkurs abhängig zu sein“, rechtfertigt sich Marsh.

Mit der strategischen Neuausrichtung des Konzerns werde man aber auch die Kosten massiv verringern. 2023 will Plug Power den Sprung in die Gewinnzone schaffen.

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Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Herr Marsh, der Krieg in der Ukraine sorgt für einen Boom bei erneuerbaren Energien. Profitieren Sie gerade von Russlands Angriffskrieg?

Das ist leider ein trauriger Fakt, ja. Wir sehen die Auswirkungen auf der ganzen Welt, und der Krieg hat auch unser Business extrem gepusht. Das Interesse an Alternativen zu russischen Energieimporten ist massiv gestiegen. Wir haben aktuell Aufträge für neue Elektrolyseure im Wert von 50 Millionen US-Dollar. Und die Nachfrage kommt von überallher, wir haben sogar einen Deal mit einer Raffinerie in Ungarn gemacht. Aber wir müssen deutlich mehr Anlagen bauen, wenn gerade Europa sich vollständig von russischen Rohstofflieferungen lösen will.

Plug Power war als Brennstoffzellenhersteller für Logistikfahrzeuge von BMW, Walmart oder Amazon bislang eher in einer Nische tätig. Wird sich das mit Blick auf den bevorstehenden Wasserstoffboom jetzt ändern?

Wir haben die erste kommerzielle Brennstoffzelle entwickelt, und es stimmt, wir sind schon lange dabei. Aber wir sind weit mehr als ein Brennstoffzellenhersteller für Gabelstapler. Wir bauen das erste grüne Wasserstoffnetzwerk in den USA, wo wir jeden Tag 500 Tonnen grünen Wasserstoff produzieren werden, und wir bauen gerade unser eigenes Elektrolyse-Business auf. Wir wollen ein integratives Unternehmen werden – von der Planung der Produktion über den Betrieb bis zum Verkauf von Wasserstoff.

Sie haben gerade erst Ihre europäische Zentrale in Duisburg eröffnet. Welche Rolle spielt Europa in Ihrer neuen Strategie?

Wir haben in den letzten Jahren viel Geld in Europa investiert. Neben unserem Zentrum in Duisburg haben wir uns mit 100 Millionen an einem Fonds für den Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur beteiligt. Europa ist ein sehr wichtiges Ziel für uns. Wir haben hier schon über ein Gigawatt an Elektrolyseur-Leistung verkauft. Europa wird in den nächsten Jahren einer der größten Wasserstoffmärkte der Welt.

Viele glauben noch nicht so recht daran, vor allem mit Blick auf die Preise. Wann kann grüner Wasserstoff wettbewerbsfähig sein?

Wir glauben, dass der Preis für die Erzeugung von erneuerbaren Energien bei etwa drei Cent pro Kilowattstunde liegen muss, um Wasserstoff wettbewerbsfähig zu machen. Diese Preise sehen wir bereits in New York mit der Anlage für 45 Tonnen grünen Wasserstoff pro Tag, die wir mit Wasserkraft herstellen. Damit kostet ein Kilogramm grüner Wasserstoff nur noch 1,50 US-Dollar. Solche Preise sind auch sonnenreichen Ländern wie Portugal, Spanien, Italien oder windreichen Ländern wie Dänemark und mit etwas mehr Herausforderung in ganz Europa möglich.

Beschleunigen die hohen Gaspreise diesen Wandel?

Ja, grüner Wasserstoff steht definitiv an einem Wendepunkt. In den USA gibt es Regionen, in denen grüner Wasserstoff schon heute wirtschaftlich ist. In Europa sind die Gaspreise noch einmal fünfmal höher. Grauer Wasserstoff ist je nach Stromkosten also schon jetzt die teurere Wahl – gerade mit Blick auf Russland.

Hierzulande wird viel über die Farbe von Wasserstoff diskutiert. Also ob grau aus Erdgas, blau mit CO2-Speicherung oder nur grün. Gibt es diese Diskussion in den USA auch?

Nein, die gibt es bei uns nicht. Aber ich bin davon überzeugt, dass grüner Wasserstoff am Ende der einzige Wasserstoff sein wird. Das heißt nicht, dass es bis dahin keinen anderen geben darf. Jedes Unternehmen und jedes Land muss seinen eigenen Weg finden. Aber ich sehe keine Welt, in der grauer oder blauer Wasserstoff in Europa langfristig eine Zukunft hätte. Pinker Wasserstoff aus Atomstrom macht dagegen eine Menge Sinn, vor allem in Ländern wie Frankreich.

Für die Bundesregierung ist das angesichts des Atomausstiegs ein empfindliches Thema. Glauben Sie, dass Deutschland seine Ziele mit Blick auf grünen Wasserstoff so erreichen kann?

Das Ziel der neuen Bundesregierung von 80 Prozent erneuerbaren Energien bis 2030 ist sinnvoll. Die Strategie, bei der Verkehrswende allein auf Elektroautos zu setzen, dagegen nicht. Hier macht Deutschland einen großen Fehler.

Wasserstoffautos sind mehr als fünfmal so teuer, und Wasserstofftankstellen sind in Deutschland deutlich schlechter ausgebaut als die Ladeinfrastruktur für Elektroautos.

Aber Wasserstoffautos haben einfach die nötige Reichweite. DHL muss tausend Kilometer am Tag fahren – das schafft ein Elektroauto nicht, und dann fällt es auch noch für die Zeit des Aufladens aus. Ein Wasserstoffauto ist innerhalb von fünf Minuten vollgetankt. 2028 werden Wasserstoffautos genauso günstig sein wie batteriebetriebene Fahrzeuge.

Und bis dahin? Es gibt zurzeit ja noch nicht einmal genug grünen Strom, um den heutigen Strombedarf zu decken. Wo soll dann noch der grüne Strom für die Umwandlung zu Wasserstoff für Brennstoffzellenautos herkommen?

Was dabei oft unterschätzt wird, ist die Netzproblematik. Das Stromnetz muss der höheren Belastung standhalten, wenn Millionen von Elektroautos gleichzeitig geladen werden. Dafür muss in den nächsten Jahren viel passieren. Das Problem gibt es bei Wasserstoffautos nicht.

Jetzt haben Sie meine Frage aber nicht beantwortet...

Ich bin kein Gegner von Batterieautos, aber ich glaube an alle Technologien. Wind, Solar, Wärmepumpe, Geothermie – es gibt nicht die eine Lösung, und jeder, der das glaubt, hat das Energiesystem nicht verstanden. Es wird mehrere Antriebsarten und Treibstoffe geben, und die Brennstoffzelle wird ein großer Teil sein. Davon bin ich überzeugt.

Noch bleibt Wasserstoff aber ein Nischengeschäft. Plug Power hat seit seiner Gründung Ende der 90er-Jahre noch nie schwarze Zahlen geschrieben. Der Aktienkurs gleicht einer Achterbahnfahrt. Und das, obwohl die Umsätze immer weiter steigen. Wie kann das sein?

Ich habe früher in der Wireless-Industrie gearbeitet. Da hat man am Anfang auch kein Geld verdient. Wir haben fünf Milliarden Dollar eingesammelt, um unsere Pläne umzusetzen, und sind in der einzigartigen Position, nicht von unserem Aktienkurs abhängig zu sein.

Und wann wollen Sie Geld verdienen?

Wir werden ein integratives Unternehmen, und damit werden sich unsere Kosten massiv verringern. 2025 streben wir einen Umsatz von drei Milliarden Dollar pro Jahr an, und 2023 wollen wir schwarze Zahlen schreiben. Wir werden profitabel sein, aber noch wichtiger ist es, das Wasserstoffökosystem jetzt erst einmal aufzubauen.

Herr Marsh, vielen Dank für das Interview.

  • Mehr: Energie-Hoffnung Flüssigerdgas: Wie funktioniert ein schwimmendes LNG-Terminal?

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